Wegen juristischer Zweifel: AfD sagt Bundesparteitag ab
Bei der Delegiertenaufstellung soll nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Alternativ könnte es nun einen Mitgliederparteitag Ende Juni geben.
Das AfD-Schiedsgericht hatte davor gewarnt, die Ergebnisse des Parteitags könnten anfechtbar sein. Es gibt Zweifel daran, ob die Wahlen der Delegierten in einigen Landesverbänden – darunter Nordrhein-Westfalen und Hessen – rechtmäßig abgelaufen sind. Nichtmitglieder sollen Stimmen abgegeben haben.
Die AfD-Spitze prüft nun, ob der Parteitag am letzten Juni-Wochenende an einem anderen Ort stattfinden kann. Wahrscheinlich werden dann, weil so kurzfristig keine neuen Delegierten gewählt werden können, alle Parteimitglieder eingeladen werden. Dies könnte die Position Luckes im Machtkampf stärken, der für den neoliberalen Flügel der Partei steht.
Deshalb überrascht es auch nicht, dass Luckes schärfste Konkurrentin, die Kovorsitzende Frauke Petry, sowie der Parteivize Alexander Gauland, die zum rechten Flügel zählen, gegen den Antrag stimmten. Gauland allerdings sagte der taz, seine Entscheidung habe keine politischen Gründe, sondern sei weitgehend pragmatisch begründet. Jeder Parteitag könne angefochten werden.
Petry argumentierte, es gebe keine gesicherte Faktenlage, die eine Absage rechtfertige. „Aber wenn wir damit Ende Juni eine Klärung der Führungsfrage erreichen, dann ist es gut“, so Petry gegenüber der taz. „Ich vertraue auf die Vernunft und den gesunden Menschenverstand der Mitglieder.“
Auf dem Parteitag soll eine neue Bundesspitze gewählt und der Machtkampf in der AfD entschieden werden. Lucke und Petry haben nach monatelangen Querelen inzwischen beide ausgeschlossen, gemeinsam weiterzuarbeiten. Also läuft alles auf eine Kampfabstimmung zwischen Lucke und Petry hinaus. Die Zusammensetzung der Delegierten und Äußerungen der letzten Wochen deuteten auf eine Mehrheit für Petry hin.
Viele Anhänger vergrätzt
Diese war in den vergangenen Monaten, häufig begleitet von dem umstrittenen NRW-Landeschef Marcus Pretzell, auf Werbetour in eigener Sache durch die Landesverbände gezogen und hatte mit ihrer offenen Art viele Sympathien gewonnen. Lucke, der den Ruf hat, kompromissunfähig und beratungsresistent zu sein, hatte dagegen mit der Gründung der Initiative „Weckruf 2015“ viele Anhänger endgültig vergrätzt. In dem „Weckruf“ hatte Lucke indirekt gedroht, die Partei zu verlassen, sollte der Parteitag nicht in seinem Sinne entscheiden. Zudem hatte er gewarnt, die AfD könne sich zu einem deutschen Front National entwickeln.
Entsprechend freute sich Lucke-Intimus Hans-Olaf Henkel über den Beschluss des Bundesvorstands. „Die Mitglieder sind wesentlich vernünftiger als viele Funktionäre, insbesondere von rechts außen“, sagte Henkel der taz. Auf einem Mitgliederparteitag erwarte er eine klare Mehrheit für Lucke. „Petry und Pretzell sind verantwortlich für das Chaos“, so Henkel. Sie seien nicht in der Lage, für rechtssichere Delegiertenwahlen im größten Landesverband der AfD zu sorgen. Pretzell ist Landeschef in NRW, Petry hatte den Landesparteitag geleitet.
Auch Bernd Kölmel, Landeschef in Baden-Württemberg und wie Lucke Europaabgeordneter der AfD und „Weckruf“-Initiator, glaubt, dass Lucke bei den Mitgliedern eine „deutliche Mehrheit“ habe. „Bei den Delegierten sind die Fronten verhärteter“, sagte Kölmel.
„Lucke hat das Spiel verloren“
NRW-Landeschef Pretzell sieht das erwartungsgemäß anders. „Lucke hat das Spiel verloren und jetzt schmeißt er das Spielbrett um“, so kommentierte Pretzell den Beschluss des Bundesvorstands. Damit aber gewinne er nur Zeit. Dass die Mitglieder anders entscheiden als die Delegierten, glaube er nicht.
„Schließlich haben die Mitglieder die Delegierten gewählt, vor denen Lucke Angst hat.“ Pretzell aber befürchtet, dass ein Mitgliederparteitag so kurzfristig nicht zu organisieren sei. „5.000 Leute sollte man einplanen.“ Beim letzten Parteitag in Bremen hatten sich 3.000 Mitglieder angemeldet und die Parteiführung an die Grenze des Organisierbaren gebracht.
Entscheidend für die Mehrheiten aber ist nicht nur die Frage, ob Mitglieder oder Delegierte abstimmen dürfen. Wichtig ist auch der Ort, an dem die Versammlung stattfindet. Zu einem Parteitag in Stuttgart kämen andere Mitglieder als in Dresden. Der Bundesvorstand berät derzeit über einen geeigneten Ort.
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