KOMMENTAR ANTITERROR-GESETZE: Wie der Terror uns verändert hat
Sicherheit statt Freiheit lautet das Versprechen von Schily bis Schäuble. Die Mehrheit der Deutschen ist noch immer bereit, dem zu vertrauen. Daran hat sich unter der neuen Regierung nichts geändert.
So wie es die Zeitrechnung vor und nach Christus gibt, so gibt es auch die Zeit vor dem 11. September und die danach. Davor herrschte Kalter Krieg und die Bedrohung, dass jederzeit alles atomar ausgelöscht werden könnte. Dennoch erinnern sich viele daran als eine Zeit der Sicherheit. Weil die Bedrohung abstrakt war. Weil es schwerfiel, an die Gefährlichkeit zweier schlafender Riesen zu glauben. In der Zeit nach den Türmen hingegen, glauben viele, dass es sie jederzeit treffen kann. Dass die Bedrohung konkret und allgegenwärtig ist.
Wer wollte da widersprechen, als die Otto Schilys und Wolfgang Schäubles wie Moses ihre Gesetze verkündeten? An deren Sinn geglaubt werden musste, denn sie waren alternativlos. Die Schutz versprachen. Vor dem Terror, vor allem aber vor der Furcht davor. Sicherheit statt Freiheit, lautete das Versprechen. Und die Mehrheit der Deutschen war und ist bereit, dem zu vertrauen.
Wer den Terror nicht fürchtet, den schreckt hingegen der Verlust an Freiheit. Damit arbeiten wiederum die Gegner der Sicherheitsgesetze. Sie wissen, wie stark die Furcht vor der Überwachung mobilisiert. Und schüren sie deshalb manchmal.
Nun hatte die schwarz-gelbe Regierung versprochen, die Sicherheitsgesetze zu prüfen. Sie hätte die Heilsbotschaft hinterfragen, gar eine Debatte über Sicherheit und Freiheit einleiten können. Das alles geschieht jedoch nicht. Stattdessen rezitiert das Innenministerium das alte Hohelied von der "verbesserten Zusammenarbeit der Behörden". Das ist nicht der Anfang vom Ende der Furcht-Religion. Es ist ihre Fortsetzung.
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