KKK-Affäre nimmt kein Ende: Schlapphut warnt Spitzkapuze
Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes hat dem Chef des Ku-Klux-Klan verraten, dass er abgehört wird. Strafrechtliche Konsequenzen folgten nicht.

STUTTGART/BERLIN taz | Der Skandal um einen deutschen Ableger des rassistischen Geheimbunds Ku-Klux-Klan (KKK) ist noch größer als bisher angenommen. So hat es in den Reihen des baden-württembergischen Verfassungsschutzes einen Verräter gegeben, der geheime Informationen an einen der Neonazis weitergab.
Wie jetzt erst bekannt wurde, warnte im Jahr 2002 ein Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz den Anführer des Ku-Klux-Klan-Ablegers in Schwäbisch Hall, dass sein Telefon abgehört werde.
Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) informierte am Mittwoch den nicht öffentlich tagenden Innenausschuss des Landtags über den Fall. Der Verfassungsschutzmitarbeiter wurde, nachdem sein Verrat entdeckt worden war, aus dem Amt entfernt und in eine andere Behörde versetzt. Ein strafrechtliches Verfahren folgte aber nicht. Deshalb war der Fall bis heute nicht öffentlich geworden. Das Innenministerium sei im August vom Verfassungsschutz informiert worden.
In einer Mitteilung des Ministeriums heißt es, dass es keine Anhaltspunkte gebe, dass der Beamte KKK-Mitglied war oder der Gruppe „in sonstiger Weise nahestand“. Über mögliche Motive gebe es bisher keine Erkenntnisse. Gall hat sein Ministeriums beauftragt, den Vorgang bis zum Dienstag nächster Woche in einem Bericht aufzuarbeiten.
„Ausgesprochen schwerwiegend“
„Der Vorwurf gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz, Geheimnisverrat begangen zu haben, um Ermittlungen gegen den Ku-Klux-Klan zu vereiteln, ist ausgesprochen schwerwiegend“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Uli Sckerl. „Noch schwerer wiegt aber der Vorwurf, dass Landesamt und Innenministerium, beide damals CDU-geführt, vor zehn Jahren jegliche Aufklärung und Ahndung unterlassen haben.“ Dazu müssten sich die früheren Verantwortlichen schnell und ausführlich äußern, insbesondere der damalige Präsident des Verfassungsschutzes, Helmut Rannacher.
Ausgerechnet Rannacher ist als früherer Chef des baden-württembergischen Verfassungsschutzes heute damit beschäftigt, Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) bei der Reform des dortigen Verfassungsschutzes zu beraten.
Bereits im August hatte die taz öffentlich gemacht, dass zwei baden-württembergische Polizisten zwischen 2001 und 2002 für mehrere Monate Mitglied im deutschen KKK-Ableger waren. Die Verfahren gegen die beiden Beamten wurden erst nach drei Jahren abgeschlossen – beide sind heute noch im Dienst.
Nun nimmt die Affäre kein Ende. In Sicherheitskreisen hieß es am Mittwoch plötzlich sogar, der Klan-Anführer selbst sei V-Mann des Landesamts gewesen und durch den dortigen Mitarbeiter von der Abhörmaßnahme einer anderen Behörde gewarnt worden. Beim Verfassungsschutz wollte man zu dem Thema überhaupt nichts sagen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier