KI-Forschungsgruppe an der Uni Bremen: „Wir sind nicht der Notarzt. Bei uns geht es um Prävention“
Die Forschungsgruppe „Kommunikative KI“ der Universität Bremen will künstliche Intelligenz verstehen und gestalten. Im Fokus steht das große Ganze.

Ob sich das durch künstliche Intelligenz ändert? Der eine Chatbot beantwortet harmlos Fragen von Behördenkunden, der andere fischt unsere persönlichen Daten ab, über ein gekapertes Profil. Der eine Socialbot spart Zeit durch plattformübergreifende Postings, der andere manipuliert über Fake-Accounts Meinungen. Über Kommunikations-KI wird hitzig debattiert, mit großen Hoffnungen und ebenso großen Ängsten.
So jahrzehntealt ihre Ideen sind, so grundlegend fehlt es über sie an Wissen, das nicht nur reaktiv das Tempo ihrer gegenwärtigen Umsetzung betrachtet, sondern auf zukunftsgewandte Mitgestaltung zielt. Das Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen tritt an, diese Lücke zu schließen. Sein Instrument: die Anfang 2025 gestartete Forschungsgruppe „Kommunikative KI: Die Automatisierung der gesellschaftlichen Kommunikation“ (ComAI).
Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, zunächst auf vier Jahre und erweiterbar auf acht, umfasst sie auch das Hamburger Leibniz-Institut für Medienforschung, Hans-Bredow-Institut (HBI), zudem Forschende der Universitäten Wien und Graz.
Kalékos „Worte in den Wind“ auf KI zu beziehen, findet Andreas Hepp, Professor am ZeMKI und Sprecher von ComAI, problematisch. „KI spricht ja nicht im menschlichen Sinne“, sagt er der taz. „Auch wenn viele das Gefühl haben, dass die Maschine beeindruckend nah am Menschen dran ist.“
ComAI umfasst neun Forschungsprojekte, vom Thema Gesundheit (KI etwa als Unterstützung für Pflegeaufgaben) bis zum Journalismus (KI zum Beispiel als Herausforderung für journalistische Autonomie). Auf rund 40 Mitarbeitende ist die Gruppe ausgelegt, interdisziplinär von der Wissenssoziologie bis zur Governance-Forschung. In den ersten vier Jahren schreiben 20 von ihnen ihre Doktorarbeit. „Wir sind ein cooles Team“, sagt Hepp. „Und wir brennen für unsere Aufgabe.“ Die lautet: Grundsatzforschung.
Es geht dem ZeMKI dabei nicht um den Einzelzugang des Individuums zu Kommunikations-KI, etwa zum Umgang mit ChatGPT oder Pflegerobotern. Vielmehr geht es um das große Ganze, um Gesellschaftsentwicklung, um den „Wandel sozialer Welten“, so Hepp, um die „Erforschung und kritische Hinterfragung von Entstehungsprozessen“. Und es geht darum, Entstehendem selbst Gestalt zu geben.
Zu tun ist viel. Etwa bei der Verrechtlichung kommunikativer KI. Sie steckt noch in den Anfängen, weltweit. „Viele denken, ohne kommunikative KI drohen uns wirtschaftliche Nachteile“, sagt Hepp. „Andere halten sie für den Untergang der Menschheit. Beides bedeutet: Wir müssen investieren, um zu verstehen, was da geschieht.“ Das ist im ZeMKI geschehen. „Wir sind nicht der Notarzt, der zu einem kranken Patienten kommt, die Feuerwehr vor einem brennenden Gebäude“, sagt Hepp. „Bei uns geht es um Prävention.“
ComAI setzt auf größtmögliche Offenheit. Durch Summer Schools für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Durch eine Website, die Forschungsergebnisse präsentiert. Durch Vorträge, die sich auch an Laien richten.
Vor der Forschungsgruppe liegt eine gewaltige Aufgabe. „Das muss man mit Respekt machen“, sagt Hepp. „In Aufrichtigkeit, in Ernsthaftigkeit.“ Kriterien, die in der Digital-Kommunikation unserer Tage oft zu kurz kommen.
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