KAMPFHUNDEHALTER UND IHRE TIERE WERDEN ZUM FEINDBILD: Das System Hund
Auch Sie wollen nicht mit einem Kampfhundehalter befreundet sein. Er ist tätowiert, spaziert in schmuddeligen Jogginghosen durch Berlin-Neukölln und führt ein schnaufendes, hässliches Tier mit sich. Der Kampfhundehalter samt Köter verkörpert das, was eliminiert sein sollte aus der Bürgergesellschaft: physisches Gewaltpotenzial, Unberechenbarkeit, Hässlichkeit. Der Kampfhundehalter ist der letzte Prolet. Und steht auf unterster Stufe einer heimlichen Subkultur: des Systems Hund.
Selbstverständlich ist es richtig, dass die Haltung von Kampfhunden eingeschränkt wird, so wie es jetzt die Innenministerkonferenz der Länder empfohlen hat. Dennoch türmt sich über den sachlichen Argumenten ein Überbau, eben das System Hund. Es schreit schon länger nach Differenzierung. Die Bild-Zeitung, eine Art publizistischer ADAC für wahre Hundefreunde, hat den Trend erkannt und die feinen Unterschiede zum Thema gemacht: „Endlich schärfere Gesetze gegen Kampfhunde!“ Hund ist nicht gleich Hund. Weil Mensch auch nicht gleich Mensch ist.
Die breite Mittelschicht im System Hund bilden ältere, allein stehende Damen, die mit ihrem Tier oft recht erfolgreich Einsamkeitsgefühle bekämpfen. Die Oberschicht im System Hund ist über die Jahrzehnte abhanden gekommen – wer sieht noch gut gekleidete Damen mit Windspielen durch die Parks ziehen?
Dafür gibt es neue Underdogs in den Metropolen: Punkies mit wilden Promenadenmischungen, gewaltfrei, kommandofrei, leider nicht exkrementfrei erzogen. Der neue Outcast in diesem System aber ist der Kampfhundehalter, der montagsmorgens („auf Stütze, klar!“) mit seinem frei laufenden Pitbull loszieht und alle anderen Hundehalter zwingt, ihre Lieblinge sofort wieder an die Leine zu nehmen.
Der Kampfhundehalter ist eine Provokation. Genau deswegen wird er bald verschwunden sein, etwa wenn immer mehr Landesregierungen wie in Bremen Maulkorb- und Leinenzwang durchsetzen. Dann herrscht erst mal wieder Ordnung. Im System Hund. BARBARA DRIBBUSCH
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