Justiz: Sexualstraftäter leimt seine Bewacher
Ein einschlägiger Sexualstraftäter soll rückfällig geworden sein, obwohl er unter Beobachtung der Polizei stand. CDU wirft der Justiz Versagen vor - allerdings war keine Sicherungsverwahrung möglich.
Nach der Verhaftung des mutmaßlich rückfällig gewordenen Sexualstraftäters Uwe K. hat die Suche nach den Verantwortlichen begonnen. Die CDU spricht von einem "völligen Versagen der Justiz" und will Senatorin Gisela von der Aue (SPD) im nächsten Rechtsausschuss zur Rede stellen. Auch die Polizei muss sich schwerer Vorwürfe erwehren. Es sei ein Skandal, dass der einschlägig vorbestrafte Sexualstraftäter Uwe K. nach seiner Entlassung im Februar 2007 nicht rund um die Uhr überwacht wurde, sagt die Deutsche Kinderhilfe dem RBB-Magazin "Klartext". Es hatte den Fall am Mittwoch publik gemacht.
Wegen Verdachts des neuerlichen sexuellen Kindesmissbrauchs befindet sich K. seit Dezember in U-Haft in Berlin. Der Öffentlichkeit ist er kein Unbekannter. Bis 2007 hatte er in Brandenburg eine elfjährige Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verbüßt. Polizei- und Staatsanwaltschaft hatten vor seiner Entlassung gewarnt. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wies damals darauf hin, dass sich an der in einer "pädophilen Veranlagung begründeten Gefährlichkeit des therapieresistenten Verurteilten in der Haft nichts geändert" habe. Der Mann sei "eine tickende Zeitbombe", so der brandenburgische Generalstaatsanwalt Eduardo Rautenberg.
Die Warnungen gingen ins Leere, weil es keine rechtliche Möglichkeiten gab, Uwe K. nach Haftende unter Verschluss zu halten. Der Grund war eine Gesetzeslücke: Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass gefährliche Straftäter, die vor dem 1. August 1995 in den neuen Bundesländern ihre Taten begangen hatten, nicht nachträglich zu einer Sicherungsverwahrung verurteilt werden dürften.
Nach seiner Entlassung zog Uwe K. ins Falkenhagener Feld in Spandau. Dort soll es im Herbst zu den neuerlichen Taten gekommen sein. Offenbar habe er sich über Mütter an die Kinder herangemacht, erfuhr die taz aus Polizeikreisen.
Die Justiz habe sich nichts vorzuwerfen, sagte ein Sprecher von Justizsenatorin von der Aue am Donnerstag. Der Mann habe unter Führungsaufsicht gestanden. Er habe sich regelmäßig bei der Polizei melden müssen. Zudem durfte er keinen Kontakt zu Kindern haben. Einmal im Monat habe er sich mit einem erfahrenen Bewährungshelfer getroffen und sei zweimal im Monat in eine forensisch-therapeutische Ambulanz gegangen. Den Mann 24 Stunden am Tag bewachen zu lassen, so der Justizsprecher, "wäre nicht rechtmäßig gewesen".
Der RBB berief sich auf einen internen Polizeibericht. Danach habe die für die Überwachung von rückfallgefährdeten Straftätern zuständige Abteilung ihre Vorgesetzten acht Wochen vor dem mutmaßlichen Rückfall von Uwe K. darauf hingewiesen, dass man personell völlig unterbesetzt sei. In der Abteilung sind vier Beamte und zwei Halbtagskräfte für die Koordination von gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen bei über 200 rückfallgefährdeten Sexualstraftäter zuständig. Bei 63 bestehe eine besondere Gefahrenlage. Von der Polizei lag am Donnerstag bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme vor. PLUTONIA PLARRE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen