Juso-Chefin Drohsel gegen Bahn-Kompromiss: "SPD hat das Gegenteil beschlossen"
Nach der Einigung der SPD auf einen Kompromiss zur Bahnprivatisierung übt Juso-Chefin Franziska Drohsel heftige Kritik. Der Beschluss widerspreche dem Willen der Parteimehrheit.
taz: Frau Drohsel, die SPD-Linke Andrea Nahles ist mit dem SPD-Kompromiss zur Bahnprivatisierung sehr zufrieden, sind Sie es auch?
Franziska Drohsel: Nein, bei uns Jusos stößt dieser Kompromiss eher auf Ablehnung. Wir fürchten, dass private Investoren Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Bahn bekommen. Und das Gegenteil hat die SPD auf ihrem Hamburger Parteitag ja beschlossen.
Die Aktionäre sind mit 24,9 Prozent Anteilen aber nicht im Aufsichtrat. Schränkt das deren Einfluss nicht ein?
Ja, doch. Aber es ist trotzdem naiv zu glauben, dass die Aktionäre keinen Einfluss ausüben werden. Um das zu verhindern, hatte die SPD sich in Hamburg ja auf stimmrechtslose Aktien - die sogenannten Volksaktien festgelegt. Genau die soll es nun aber nicht geben.
Die SPD widerspricht ihrem eigenen Parteitagsbeschluss?
Ja.
Können Sie dem Beschluss irgendetwas Positives abgewinnen?
Immerhin werden Logistik, Nah- und Fernverkehr nicht getrennt und immerhin bleiben Netz und Infrastruktur in Bundesbesitz.
Braucht die SPD noch einen Sonderparteitag zur Bahnprivatisierung?
Wir hoffen darauf, dass noch Änderungen möglich sind.
Welche?
eben das Volksaktienmodell. Dieser Hamburger Beschluss war ja schon ein Kompromiss. Wir Jusos waren gegen jede Privatisierung. In Hamburg haben sich die Privatisierungsgegner darauf eingelassen, dass so und nur so eine Privatisierung möglich sein sollte.
Also braucht die SPD einen Sonderparteitag zur Bahn?
Das ist ein mögliches Instrument.
Frau Drohsel, der Eindruck von außen ist: In der SPD ist die Sache Richtung Bahnprivatisierung gelaufen.
Abwarten. Erst müssen die Gremien entscheiden.
Peer Steinbrück freut sich aber schon über diesen Kompromiss.
Steinbrück hat sich nicht gerade konstruktiv verhalten, als er nach dem Parteitag das Holdingmodell mit 49,9 Prozent Investorenanteil vorgeschlagen hat, das dem Hamburger Beschluss nicht entsprach. Der jetzige Beschluss ist ein Kompromiss, der dem Willen der Mehrheit der Partei nicht gerecht wird.
INTERVIEW: STEFAN REINECKE
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