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Jungenexperte am Männertag"Männer sollen pflegen dürfen"

Jungs sollten in der Schule lernen, dass sie auch mal Streber sein dürfen. Dann gehe es ihnen als Männer später besser, sagt der Forscher Michael Cremers.

Nach der Show gehen sie bestimmt nach Hause und putzen das Klo. Bild: reuters

taz: Herr Cremers, heute ist Weltmännertag. Brauchen Männer so was?

Michael Cremers: Um öffentlich über Männer und Männlichkeit zu reden, kann so ein Tag sinnvoll sein. Problematisch wird so ein Tag aber, wenn er nur die Nachteile beschreibt, die Männer haben, ohne Bezug auf immer noch vorhandene patriarchale Strukturen zu nehmen. Wir müssen auch endlich davon wegkommen, Jungs und Mädchen gegeneinander auszuspielen.

So wie Männerrechtler, die sogenannten Maskulinisten, das tun.

Bild: privat
Im Interview: MICHAEL CREMERS

45, ist Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter der Berliner Koordinationsstelle Männer in Kitas. Im November erscheint seine Expertise "BoysDay - Jungen-Zukunftstag."

Die Maskulinisten greifen auf traditionelle Männlichkeitskonstruktionen zurück. Wir erleben seit Jahren aber einen Geschlechterwandel, der dem entgegensteht und der starke ökonomische Aspekte enthält. Die Hausfrauenehe beispielsweise hat eindeutig ausgedient, zumindest können und wollen dieses Modell immer weniger Menschen leben. Auch steigt die Zahl der Väter, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Angesichts dieser Entwicklung hat es keinen Sinn, zu überholten Geschlechterrollen zurückzukehren.

Männer sterben früher als Frauen, sie leben ungesünder und arbeiten zu viel, Jungs sind schlechter in der Schule. Was machen Männer falsch?

Man kann nicht alle Männer über einen Kamm scheren, so wie man das auch mit den Frauen nicht tun kann. Vor allem Armut und beruflicher Status beeinflussen die Gesundheit und damit auch die Sterberate. Armut ist auch bei der Bildung ein durchschlagender Faktor. Bei Jungs kommt erschwerend die Orientierung an traditionellen Männlichkeitsbildern hinzu.

So darf ein Junge in den Augen seiner Alterskameraden kein Streber sein. Es ist zwar nicht uncool, gute Zensuren zu bekommen, aber ein Junge darf dafür nicht viel lernen. Die Schule hat hier aber bislang noch keine Lösung gefunden, weder was die soziale Benachteiligung noch was die Geschlechterkomponente angeht.

Was muss Schule tun?

Pädagogik muss heute grundsätzlich geschlechtersensibel sein. Es geht weniger um die Frage, ob Jungs benachteiligt werden, als darum, dass auf Geschlechterthemen vielfach mit Unverständnis reagiert wird. So sollten Jungen und Mädchen in der Schule dazu angehalten werden, sich über solche Themen auszutauschen. Das ist ohne geschlechtersensibles Fachpersonal aber gar nicht so einfach, weil viele Lehrkräfte selber noch stereotype Vorstellungen haben. Manchmal ist das ganz trivial, da fallen dann Sätze wie: Ich brauch mal vier starke Jungs zum Tischerücken.

Werden es Jungen in zehn Jahren leichter haben?

Das weiß ich nicht. Aber um traditionelle Geschlechterrollen nachhaltig aufzuweichen, brauchen wir einen grundsätzlichen Perspektivenwechsel: weg vom Wachstumsfetischismus hin zu einer Care-Revolution.

Was heißt das?

Mehr Muße und mehr Zeit für die Sorgearbeit bei gleichzeitiger sozialer Absicherung. Das ist momentan aber kaum möglich, weil Sorgearbeit durch zunehmend entgrenzte und prekäre Lohnarbeit beschränkt wird.

Kinderbetreuung und Pflege werden heute vor allem von Frauen geleistet, die dafür schlecht bezahlt werden.

Das muss sich dringend ändern. Es gibt keinen Grund, soziale Kompetenz geringer zu bewerten als Körperarbeit. Allerdings hat der neoliberale Kapitalismus traditionell männlich konnotierte Werte wie Konkurrenz, Kampf und Dominanz wieder aufgewertet. Erfolg hat, wer immer auf dem Sprung ist, flexibel und ungebunden. Darunter sind auch einige Frauen, in erster Linie aber nach wie vor Männer.

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11 Kommentare

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  • S
    Sarah

    Gott bewahre uns, dass Männer so verantwortungslos werden, wie etwa das Frau Kanzlerin, die das Land und die Menschen in kürzester Zeit in eine Rekordverschuldung, Abhängigkeit von den Finanzmärkten und in den Abgrund führt. Mannmannmann, oder vielmehr Fraufraufrau, wie borniert muss Frau sein, um ihre exorbitanten Probleme immer hinter einer simplen Geschlechtsdiskussion zu verstecken.

  • PK
    Petra Künzel

    Kann die taz eigentlich noch Artikel zum Männerthema veröffentlichen, ohne darin gegen die "Maskulinisten" (gemeint sind wohl Maskulisten, also Männerrechtler) zu hetzen? Michael Cremers nimmt die Steilvorlage natürlich dankend auf und phantasiert: "Die Maskulinisten greifen auf traditionelle Männlichkeitskonstruktionen zurück."

     

    Zu dumm, dass heute Arne Hoffmann, einer der Sprecher dieser Bewegung, in einem Interview zum Weltmännertag befindet: "Schuld (an der "Krise der Männer") ist meines Erachtens ein überholtes Verständnis von Geschlechterrollen, das der Feminismus gerade nicht aufgehoben, sondern fortgeführt hat. Ich bin explizit nicht der Auffassung, dass der Feminismus ein Geschlechterverhältnis zerstört hat, das früher in Ordnung war. (...) Ich finde es ja gut, wenn Jungen ihr Rollenspektrum erweitern lernen, solange das für sie größere Freiheit bedeutet. Es gibt auch Hausmänner in der Männerbewegung, und ich selbst habe mit Literaturwissenschaft ein eher 'weibliches' Fach studiert. Aber dieses Bedürfnis muss doch aus den Jungen selbst erwachsen!"

     

    Hoffmann und der von ihm vertretene Flügel der Männerbewegung wenden sich gerade NICHT gegen neue Geschlechterrollen. Sie beanstanden, dass der Feminismus a) auf halbem Weg stehen bleibt, aber b) seine Position förmlich in die Köpfe der Bürger hineinhämmern will – etwa durch ideologisch ausgerichtetes "geschlechtersensibles Fachpersonal", das die Kinder schon bei ihrer Erziehung auf Kurs bringen soll, wie man das sonst nur aus totalitären Systemen kennt.

     

    Quelle und vollständiges Interview Arne Hoffmanns:

    http://www.kopp-online.com/hintergruende/deutschland/redaktion/welt-maennertag-ist-der-mann-noch-ein-mann-.html;jsessionid=C54F7B5006EAED8F93784E7B3FD7E8B6

     

    Das ist auch keine neue Position. Sie findet sich bereits 2001 in "Sind Frauen bessere Menschen?", dem Standardwerk der neuen Männerrechtsbewegung, wo Hoffmann gegen "Biologismus" argumentiert und erklärt, inwiefern die beiden Geschlechter einander ähnlicher sind, als es vielen populären Vorurteilen entspricht. In "Männerbeben" interviewt er dazu eigens einen Transsexuellen aus der Männerbewegung.

     

    In den Internetdiskussionsforen und -blogs gibt es zu dieser Frage ganz unterschiedliche Meinungen. DEN Maskulismus gibt es genausowenig wie DEN Feminismus.

     

    Sarkastisch gesprochen kann man also nur folgende beide Strategievorschläge machen: Herr Cremers, Sie beschäftigen sich am besten weiterhin nicht näher mit der Männerrechtsbewegung, sondern pflegen weiterhin ihre Klischeevorstellungen und Vorurteile. Unvorstellbar, dass der politische Gegner mit seinen Ansichten irgendwo Recht haben könnte oder dass es sich lohnen könnte, ihm zuzuhören oder gar mit ihm zu diskutieren! Erwähnen Sie höchstens mal suggestiv, dass Hoffmann dem anrüchigen KOPP-Verlag ein Interview gegeben habe, setzen Sie sich aber bloß nicht mit seinem Inhalt auseinander. Und Sie, Frau Schmollack, sollten unbedingt der bewährten taz-Linie folgen, auf keinen Fall Männerrechtler selbst zu interviewen und sie nach ihren Positionen zu fragen, sondern ausschließlich deren politische Gegner ihr Feindbild pflegen lassen. Am besten, man konstruiert noch irgendwas, um die Männerbewegung mit Rechtsextremismus in Zusammenhang zu bringen, dann hat man für diese Einseitigkeit sogar ein Alibi. Leute wie Sarrazin, die tatsächlich aus dem rechten Sprektrum stammen, findet man allerdings durchaus im taz-Interview.

     

    Mir scheint, Ihnen beiden ist vollkommen klar, dass sobald die Leser beide Positionen miteinander vergleichen können, die Männerrechtler sehr viel überzeugender sein werden als die Genderkader, die die taz so eifrig bewirbt. Wann ist dieses Blatt eigentlich so reaktionär geworden, dass es sämtliche neuen sozialen Bewegungen von den Piraten bis zu den Männerrechtlern wegen einiger weniger Bekloppter in ihren Reihen ins Zwielicht rücken will? Genau so unfair sind die Konservativen vor 30 Jahren mit den Leuten aus dem Spektrum der taz umgesprungen. Genützt haben den Konservativen diese Diffamierungen wenig.

  • D
    Dummerjan

    "Nach der Show gehen sie bestimmt nach Hause und putzen das Klo"

    Wenn das das Thema in TAZ-Redaktionsfamilien ist, ob ein Mann das Kloh putzen soll oder nicht, dasnn sind diese noch viel rückständiger, als der Feminismus glauben macht.

     

    bei uns ist das kein Thema. Da mache ich es. Meine Frau kann keine Feuchträume vernünftig putzen, beim Barras lernt man sowas richtig. Gilt übrigens auch fürs Bügeln.

  • H
    Hannah

    Die vermeintlich zunehmend "höheren" Abschlüsse von Frauen haben aber auch damit zu tun, dass sie unreflektiert Vieles wiederkäuen und kaum mutig offen hinterfragen und in der Gesellschaft nicht stark und laut moralisch vertreten.

     

    Und warum wird eigentich nur über Quoten diskutiert, wenn Frauen ungercehtfertigt Geschenke erwarten? Es wird Zeit auch über Quoten in prekären Tätigkeiten zu diskutieren, etwa Frauen in den Strassenbau, Stadtreinigung, Kanalbau, als Maurerin uvm.

     

    Vor allem braucht es endlich mehr Bildungs- und Studienförderungsprogramme für Männer.

     

    Man sieht also, für die Gleichberechtigung für Männer gibt es fast soviel zu tun, wie für Frauen, es sind eben nur Geschlechter und sich bei seinem Handeln und Denken ausschlisßllich auf eines zu fixieren, ist schlicht dumm.

  • D
    dissi

    Da habe ich aber heute schon bessere und vor allem dem Tag angemessenere Beiträge gelesen, beispielsweise auf dem Umweltjournal (http://www.umweltjournal.de/AFA_familienrecht/18448.php). Was ich mich immer frage: Warum bringt die TAZ nicht auch zum Frauentag Beiträge, die von Frauen fordern, ihr Leben so zu verändern, dass es besser zu Männern passt. :-)

  • R
    Riin

    Gutes Interview. Wie ich immer predige, wer wirklich Jungs und Männern helfen will, soll sich die feministischen Analysen und Dekonstruktionen der traditionellen Geschlechterrollen ansehen und aneignen, statt auf einen tumben Maskulinismus zu setzen, der die Männer nur mehr und mehr in ungesunde und überkommene Selbstbilder treibt (und, weil dieses Männerbild bei den meisten Frauen nicht mehr so wirklich ankommt, auf lange Sicht zu Frustration und Hass auf die Frauen führt).

  • P
    P.Haller

    Die Fuzzies auf diesem Foto erinnern mich irgendwie an die Hagens'sche Plastinationaustellungen "Körperwelten".

    Oder leben die noch ??

    (o.k. hat mit dem Artikel eigentlich nix zu tun)

  • K
    Kathi

    Sehr interessantes, ausgewogenes Interview, danke!

  • H
    Horst

    Also ist ja alles in Butter: Mädchen und Frauen brauchen Unterstützung, Jungs und Männer sollen für sich selbst sorgen. Interessanterweise begehen diesen Denkfehler selbst jene, die sich gegen tradierte Geschlechterrollen aussprechen, ohne zu merken wie archaisch diese Einstellung ist.

     

    Bemerkenswert auch, daß es offenbar nicht möglich ist einen Artikel über die Problematiken von Jungs und Männern zu machen, ohne auf Benachteiligungen von Frauen hinzuweisen.

     

    Ganz hanebüchen wird´s dann, wenn die gleichen Leute, die sich über die niedrigen Gehälter in Pflegeberufen aufregen, Männer dazu animieren wollen diese schlecht bezahlten Berufe zu ergreifen.

     

    Ein echter "Schmollack" also wieder einmal: Jungs und Männer müssen sich endlich ändern, dann wird schon alles gut werden. Frau Schmollack, tun Sie uns doch den Gefallen und zeigen Sie beim nächsten Mal mehr Mut. Laden Sie mal jemandem zum Interview ein, der nicht durchgegendert und feministisch weichgespült ist.

  • H
    HamburgerX

    "Die Hausfrauenehe beispielsweise hat eindeutig ausgedient, zumindest können und wollen dieses Modell immer weniger Menschen leben."

     

    Für ein Großteil davon trifft "können" zu. Denn die Verdienste sind vor allem aber durch massive Steuererhöhungen (kalte Progression, Öko-, Mehrwertsteuer usw.) stagniert. Alleinernährer gibt es immer weniger, weil das Geld einfach nicht reicht.

     

    Außerdem wollen die meisten Frauen nicht ganztags arbeiten (Zeit für Kinder usw.) Das führt dazu, dass zumindest die allermeisten noch Teilzeithausfrau sind.

     

    Überhaupt wird gerne vergessen, dass viele Frauen ihre Erfüllung gerade nicht im Berufsleben sehen, spätestens, wenn Kinder da sind. Kinder geben eben den meisten Frauen eine andere Emotion, als das erfolgreiche Update zum Businessplan 37.

  • K
    KeinName

    "Nach der Show gehen sie bestimmt nach Hause und putzen das Klo"

    Könnten Sie bitte diese Bildunterschrift unter einen Beitrag setzen bei dem man Schuhekaufende Frauen sieht? Nein? Geschmacklos? ABer bei Männern sieht man das ja "augenzwinkernd", gell. Schlimm was sich mittlerweile Männer alles gefallen lassen müssen.