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Junge Demonstranten im Iran"Mussawi ist nur das kleinere Übel"

Junge Leute in Teheran: Warum sind sie auf der Straße, welche Reformen wollen sie, wie sehen sie die Zukunft ihres Landes?

"Alles ist besser als Ahmadinedschad": Demonstranten mit Mussawi-Plakaten. Bild: dpa

Gütig lächelnd blickt Ajatollah Chomeini auf den Tresen herab. Aber das ist in diesem Café auch schon das einzige Indiz, das daran erinnert, dass sich dieses Café in Teheran, der Hauptstadt der Islamischen Republik, befindet. Vielleicht noch die geschickt nach hinten drapierten Kopftücher der jungen Frauen, die an diesem Dienstagmorgen hier zusammengekommen sind. Es ist ein modernes Kaffeehaus, wie es im Norden Teherans viele gibt. Das Café ist in einem Einkaufszentrum, drinnen herrscht ein romantisches Dämmerlicht.

Die grüne Haarspange und das grüne Armband der Kellnerin Sahar weisen deutlich darauf hin, wen sie am Freitag gewählt hat. Mit ihren Sympathien für die Reformbewegung ist sie nicht allein; alle am Tisch bekräftigen, für den Herausforderer von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, Mir Hossein Mussawi, gestimmt zu haben.

Etwas überraschender ist die Antwort auf die Frage, was sie von Mussawi halten. "Das kleinere Übel, alles ist besser als Ahmadinedschad", sagt die Ingenieurstudentin Mariam. "Mussawi können wir auch nicht trauen, aber es gibt nichts Besseres", sagt sie und erntet ein Nicken der anderen am Tisch. Mit Ausnahme des Kaffeehausbesitzers Ali, der einwirft, dass Mussawi in seiner früheren Zeit als Premierminister bewiesen hätte, dass er "ein bessere Manager ist". Die andern werfen ihm zweifelnde Blicke zu.

Auf der Großdemonstration am Montag war sie nicht, sagt eine zweite Ingenieurstudentin namens Mina. Sie wäre gerne hingegangen, aber ihre Eltern hätten es ihr verboten. "Zu gefährlich", haben sie argumentiert. Dafür haben ihre Eltern selbst demonstriert, und Mina saß zu Hause und hat sich Sorgen gemacht. Miriam hatte das gleiche Problem: "Es war deprimierend, nur zusehen zu müssen. Ich wäre gerne als Teil dieser Bewegung auf die Straße gegangen, die zeigen will, dass Ahmadinedschad illegitim an der Macht ist", sagt sie. Es ärgert sie auch, dass Ahmadinedschad als Vaterfigur auftritt, der seine ungebildeten Schäfchen anführt. "Das verletzt jeden Tag meinen Stolz", sagt sie.

Von der friedlichen Demonstration vom Dienstag sind sie begeistert. Aber die nächtlichen Krawalle missfallen Ali. "Wir müssen unser Land friedlich weiterbringen", fordert er und vermutet, dass bei den nächtlichen Unruhen auch einige staatliche Agents provocateurs beteiligt gewesen seien, die die Opposition diskreditieren wollten.

Auf die Ankündigung des Wächterrats, erneut einen Teil der Stimmen auszuzählen, gibt Mariam wenig. "Ich traue denen nicht. Die wollen in Wirklichkeit gar nichts verändern", sagt sie, um sofort zu zeigen, dass ihr Misstrauen nicht nur den jetzigen Machthabern gilt: "Wer garantiert denn, dass selbst Mussawi nach ein paar Jahren nicht zum Diktator würde?"

Welche Reformen sie sich persönlich wünschen? Sahar will sich nichts aufzwingen lassen, "Weder den Tschador noch eine total verwestlichte Lebensweise", sagt sie. Sie sei für einen Mittelweg. Die Moralpolizei solle endlich aufhören, sie auf der Straße zu belästigen: "Die Revolutionswächter können uns nicht einfach ihre Ideen aufzwingen." Für sie sei das Kopftuch nicht wichtig, meint Mariam. "Wenn wir unsere Rechte bekommen, akzeptieren wir das." Aber auch ihr ist es ein Anliegen, dass sich die Polizei nicht länger um die Moral anderer Leute kümmert, sondern um wirkliche Verbrechen.

Alis Reformwünsche sehen etwas anders aus. "20 Prozent persönliche Freiheiten und 80 Prozent Wirtschaft", sagt er. Der Iran sei ein reiches Land, es brauche aber ein besseres Management. Auch Sahar meint, dass Arbeitsplätze für die Jugendlichen das Wichtigste seien. Dann wendet sich die Runde außenpolitischen Themen zu. "Wir sind stolz auf unser Land, aber wir wollen keinen Krieg und wir wollen andere Länder nicht unter Druck setzten", sagt Ali. Auch ohne die explizite Erwähnung Israels ist klar, worauf er anspielt. Aber dafür müssten Europa und die USA den Iran als gleichberechtigten Partner behandeln, fordert er. Miriam meint, dass die Nuklearenergie der friedlichen Entwicklung des Landes dienen solle und sich die Iraner dieses Recht nicht nehmen lassen würde. "Wir brauchen aber keine Atombombe", sagt sie. "Wir brauchen einen Präsidenten, der nicht andere Länder bedroht, sondern sie überzeugt, damit sie uns zuhören und wir unsere eigene Kultur verteidigen können", verlangt Mina. "Wir müssen nicht Themen aufbringen, die uns mit dem Rest der Welt überwerfen", sagt sie, ebenfalls, ohne die Worte Holocaust und Israel zu erwähnen. "Wir dürfen nicht arrogant sein, aber uns auch nicht kleinmachen", verlangt sie. Sie wolle eine gleichberechtigte Beziehung mit der Welt und fasst das Ganze zusammen: "Wir wollen in unseren Herzen keine Grenzen ziehen."

Die Studentinnen ziehen wieder ihres Weges. Ali geht an den Tresen und wirft die italienische Kaffeemaschine an. Und Sahar, die mit der grünen Spange im Haar, das unter ihrem Kopftuch hervorlugt, wischt den Tisch ab. Sie sorgt sich, wie es weitergeht, sagt sie zum Schluss: "Wenn das schiefgeht, werden wir um 30 Jahre zurückgeworfen."

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4 Kommentare

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  • D
    dan

    Natürlich ist Mussawi nicht der liberale Reformer, als den ihn einige Menschen im westlichen Ausland gerne sehen - das allein garantiert doch schon die Vorauswahl der Präsidentschaftskandidaten durch den Wächterrat.

    Auch wäre es reichlich utopisch, die Protestbewegung als Ganzes als Demokratie-Bewegung im westlichen Sinne zu verstehen. Natürlich finden sich gerade in den akademischen Schichten Irans viele in diese Richtung abzielende Stimmen, aber eine große Mehrheit akzeptiert das herrschende theokratische System als solches durchaus. Trotzdem hindert es auch diese nicht, für die Opposition auf die Strasse zu gehen.

     

    Was sich derzeit im Iran Bahn bricht, ist unter anderem auch die Folge eines Richtungsstreits innerhalb des Klerus. Ahmadinedschad mit seinem großen Anhang aus den einfachen Schichten, seinen ihm ergebenen Milizen ect. ist für Chamenei ein wichtiger Verbündeter im Machtkampf gegen die immer mehr erstarkenden liberalen Kräfte innerhalb des Klerus. Es ist ein Kampf für eine Liberalisierung des Systems, kein Kampf gegen das System!

     

    Was aber deutlich zu Tage tritt ist ein altes Problem autokratischer Staaten: die Unfähigkeit, die verschiedenen Anliegen ihrer Bürger in einen halbwegs tragfähigen Gesellschaftskonsens zu überführen. Die meisten der Protestierenden wünschen sich lediglich Reformen innerhalb des gegebenen Systems, die Reaktion der Machthaber dagegen setzt das Land einem Stresstest aus, der es zu spalten droht. Ob nun Wahlbetrug oder nicht...

  • J
    johnyjohnson

    Mussawi dient hier doch im Grunde nur als Katalysator und als gebündeltes Mittel zum Ausdruck der allgemeinen Unzufriedenheit. Massen zu mobilisieren bei einer derartigen Schieflage der Systems, gepaart mit solch brutalen Repressalien wie sie diese Diktatur nun mal an den Tag legt, geht im Iran nur noch an der Oberfläche und auf rein formaler Eben.

    Wo soll man sonst auch mit seiner Kritik noch ansetzten ohne vollends zu verzweifeln…

     

    Die Führung führt ein demokratisches Leihenstück auf und das Publikum (von mehr kann man in den letzten Jahren bei der Bevölkerung leider nicht mehr sprechen) will sein Geld zurück.

    Und „Geld zurück“ ist das Stichwort: Seit dem die aktuelle Politik zur Magenfrage führte, kann man sicher davon ausgehen , dass selbst mit den Stimmen der Unterschicht keine 60 % mehr zusammenbekommen. Diese Wahl , wie alle vorhergehenden, ist ein Witz aufkosten der Bevölkerung – die sich gerade wieder ein wenig erinnert wie man lacht – was ja notwenig ist wenn man die Zähne fletschen will.

     

    Die kommende Generation hat nun die Chance aus Ihrer Gebrochenheit und Paralyse zu erwachen. Wenn alles gut läuft wird Mussawi der Übergangsfrühstückspräsident. Wenn es schief geht dann hatten die Menschen, die unbeschadet davongekommen sind , für kurze Zeit die Chance sich wieder am Leben zu fühlen.

  • A
    anke

    Verletzter Stolz und gekränkte Eitelkeit sind selten kluge Ratgeber. Im Iran leben nun einmal sehr viele ungebildeten Schäfchen und die Weigerung der städtischen (Möchtegern-)Eliten, diese Tatsache auch nur zur Kenntnis zu nehmen, macht wohl die eigentliche Stärke Ahadinedschad aus.

     

    Die jungen TeheranerInnen, mit denen die taz gesprochen hat, argumentieren nicht vernünftiger als die Gelben in Thailand: "Demokratie ist nur dann gut, wenn das Volk klug genug ist, sich von uns regieren zu lassen. Anderenfalls ist sie von Übel." Dabei sollte doch eigentlich klar sein, worin das Problem besteht: die Revolutionswächter könnten den Irakern ihre Ideen nur dann nicht einfach aufzwingen, wenn sich eine echte Mehrheit von ihnen einfach nicht fügen würde. Die "Mühen der Ebenen" aber scheinen den jungen, gebildeten IranerInnen (so sympathisch sie ansonsten wirken mögen) offenbar nicht viel verlockender, als sie den alten, reichen erscheinen.

     

    Unter welchen Umständen Mussawi nicht das kleinere, sondern das größere Übel wäre, wollen offenbar viel zu viele auch die jungen, sich fortschrittlich fühlenden IrakerInnen gar nicht erst fragen. Genau das passiert, schätze ich, wenn Wahlkämpfe auf Einzelpersonen fixieren und Zusammenhänge einfach ausgeblendet werden – und DER Westen fremde "Eliten" ohne Rücksicht auf Verluste "fördert" in der Hoffnung, diese würden ihr Volk schon im westlichen Sinne beherrschen, wenn sie erst an der Macht wären...

     

    Geschätzte dreißig Jahre? Sind noch viel zu wenig!

  • V
    vic

    Sag ich doch. Woher weiß der Westen, dass Mussawi der Reformer ist für den wir ihn halten?

    Woher wissen wir, dass die Wahl gefäscht war, dass Ahmadinedschad nicht tatsächlich so viele Bürger hinter sich hat?

    Vielleicht ist es gerade sein Bonus, wie er selbstbewusst mit USA und Westmächten umgeht.

    Schließlich ist Iran von allen Seiten militärisch bedroht, und er wäre ein schlechter Präsident, würde er die Sicherheit des Landes vernachlässigen. Auch Mussawi kann sich das nicht leisten, und gegen die religiösen Fanatiker kann auch er nichts ausrichten.

    Das kann nur das Volk selbst.