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Julia Neumann über Libanons neue RegierungKabinett der alten Elite

Das Auswärtige Amt spricht von einem „wichtigen Meilenstein“, Regierungschef Nadschib Mikati verdrückte eine Träne bei seiner Ansprache: Nach über einem Jahr hat der Libanon wieder eine Regierung.

Doch es gibt keinen Grund zur Erleichterung. Das Land durchlebt gerade eine massive Wirtschaftskrise, eine handlungsfähige Regierung ist das absolute Minimum. Aber den wichtigsten Posten, das Wirtschaftsministerium, hat die Elite an einen aus ihren Reihen vergeben: Youssef Khalil, ein Mann aus dem Lager des schiitischen Parlamentssprechers Nabih Berri und Leiter der Finanzabteilung in der libanesischen Zentralbank. Er war bisher verantwortlich für deren Kreditgeschäfte und daher einer der Architekten ihrer Finanzoperationen, die das Land in die Pleite führten. Jahrelang lieh die Bank dem Staat Geld, obwohl klar war, dass es nicht zurückbezahlt wird.

Eigentlich sollte das Finanzministerium die Zentralbank überwachen, doch die Bank entzieht sich seit Mitte 2020 der Finanzprüfung. Mit einem seit 1982 mit der Zentralbank verbundenem Ökonomen wird die Hoffnung auf die Restrukturierung des Finanzsektors zunichtegemacht.

Ein Lichtblick ist die Ankündigung der neuen Regierung, die Subventionen für Benzin und Medizin abzuschaffen. Und zumindest der Gesundheitsminister Firass Abiad ist ein Technokrat, der seine Kompetenz als Krankenhausleiter unter Beweis stellte. Außerdem ist die Regierung ein Kompromiss aller Parteien, während das vorherige Kabinett der schiitischen Hisbollah nahestand.

Doch der Libanon braucht tiefgreifende Reformen, darunter die Bekämpfung der Korruption. Wie wahrscheinlich ist es, dass ausgerechnet ein Kabinett unter einem Milliardär diese in Angriff nimmt? Regierungschef Nadschib Mikati war bereits 2005 und von 2011 bis 2013 auf dem Posten. Er wird bezichtigt, Staatshilfen in Millionenhöhe abgegriffen zu haben, die Li­ba­ne­s*in­nen mit niedrigem Einkommen beim Hauskauf helfen sollten. Heute steht Mikati vor der libanesischen Bevölkerung und beklagt, Mütter könnten ihre Kinder nicht mehr füttern.

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