Jugendwahlrecht in Berlin: Alte fordern junge Stimmen
Bei der Abgeordnetenhauswahl sollen 16-Jährige abstimmen können, fordert der Jugendforscher Hurrelmann. Ihr Einfluss wäre dennoch minimal.
Jugendliche sind zwar von politischen Entscheidungen betroffen, wählen dürfen sie aber erst, wenn sie volljährig sind. Nach dem Willen des "Netzwerks Wahlalter 16" soll sich das ändern. Schon zur Abgeordnetenhauswahl im September 2011 sollen auch die 16- und 17-jährigen Berliner an die Urnen dürfen.
Vorraussetzung dafür ist eine Verfassungsänderung, für die das Bündnis aus Jugendverbänden, Jugendbeteiligungsprojekten und Nichtregierungsorganisationen in den nächsten Monaten aktiv werben will. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann, Verfasser der jüngsten Shell-Studien, unterstützt die Initiative. "Die Reifeentwicklung der Jugendlichen hat sich nach vorn verlagert, deshalb können sie auch früher wählen", sagte der 66-Jährige am Dienstag bei der Vorstellung der Initiative.
Auf Bezirksebene können Jugendliche bereits seit fünf Jahren mitwählen. Vorreiter für eine Absenkung des Wahlalters auf Landesebene ist der Stadtstaat Bremen. Dort dürfen 16- und 17-Jährige erstmals bei der Landtagswahl im Frühjahr 2011 an die Wahlurne. In Berlin hatte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen bereits im vergangenen Jahr einen entsprechenden Antrag eingebracht.
Für eine Änderung der Landesverfassung wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Abgeordnetenhaus notwendig. Neben den Stimmen von Grünen, Linken und SPD müsste sich ein Abgeordneter aus den Lagern von FDP, CDU und Fraktionslosen für den Antrag aussprechen. Deshalb will das Netzwerk in den nächsten Monaten bei allen Abgeordneten für das Wahlrecht ab 16 werben. Einen Termin für die Abstimmung gibt es noch nicht.
Von der Absenkung des Wahlalters verspricht sich das Netzwerk ein Umdenken bei den PolitikerInnen, die sich künftig auch auf ihre jungen WählerInnen einstellen müssten. Tatsächlich hätte eine Absenkung des Wahlalters aber eher symbolischen Charakter. Die Jugendlichen, die von der Wahlrechtsänderung profitieren würden, machen nur rund zwei Prozent der Wahlberechtigten aus. "Ihr Einfluss auf die Wahlergebnisse ist eher gering", sagte Forsa-Chef Manfred Güllner der taz. Sie könnten das Ergebnis einer Partei um maximal 0,8 Prozentpunkte verbessern. Genaue Analysen über ihr Wahlverhalten gebe es nicht.
Wenn es nach Sozialwissenschaftler Hurrelmann ginge, sollte man das Wahlalter sogar auf 14 Jahre absenken. Seine Forschung habe gezeigt, dass bei den immer früher pubertierenden Jugendlichen bereits in diesem Alter das nötige Urteilsvermögen ausgebildet sei. "Aber Wahlalter 14 ist nicht sehr sozialverträglich", sagt Hurrelmann, "die Absenkung muss erst einmal in der breiten Gesellschaft ankommen". Und bei den Jugendlichen selbst. Die haben nämlich laut Hurrelmann eine gespaltene Meinung zur Wahl ab 16 oder gar 14.
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