Jugendwahlen in der Schule: Politische Früherziehung

Demokratie in der Schule scheitert oft daran, das sie gefaket ist, findet die Kolumnistin. Manchmal aber auch an einem Känguru.

Eine Kinderhand schiebt einen Stimmzettel in einen blauen Karton mit der Aufschrift "Deine Stimme zählt. (Nachdem du sie hier eingeworfen hast)."

Meine Söhne haben alle Level bei der Jugendwahl durchgespielt – inklusive Protestwahl Foto: Stephanie Pilick/dpa

Meine Söhne spielen jetzt schon ein Weilchen mit bei diesen Jugendwahlen, die man in Schulen abhält und ich glaube, sie haben alle Level durchgespielt.

In der Grundschule wollte einer von ihnen (ich sage aber nicht, welcher) CDU wählen – einfach weil Angela Merkel die einzige Kanzlerin war, die er kannte und er sich nicht vorstellen konnte, da jemand anderen zu sehen.

Aber Kinder sind halt eh strukturkonservativ, dachte ich mir damals achselzuckend. Die CDU hatte jedenfalls in dem Moment endgültig verschissen, in dem Armin Laschet das Kanzlerduell bei ihrem damaligen Lieblings-Youtuber Rezo abgesagt hatte.

Danach folgte eine lange Phase des Schwankens: Einerseits wollten sie gern Klimaschützer sein, meinten also Grün wählen zu müssen. Andrerseits hatten sie sich in dieses Känguru verliebt, Sie wissen schon, das mit dem Kleinkünstler Marc-Uwe Kling, und glaubten jetzt auch Anarcho-Kommunisten sein zu müssen.

Verdrehte taz-Redakteurin indoktriniert Kinder

Was mir interessante Nachfragen ihrer Leh­re­r*in­nen eintrug: Ob ich zuhause sehr viel über meine Arbeit reden würde? Anscheinend glaubte manche*r, diese verdrehte taz-Redakteurin würde zuhause ihre Kinder indoktrinieren. Man gab mir den freundlichen Ratschlag doch ein wenig mehr auf altersangemessene Lektüre und Gesprächsthemen zu achten.

In ihrer rebellischen Phase drohten sie prompt nun doch mal die AfD zu wählen oder wenigstens diese Satire-Partei – ich habe mit sofortiger Enterbung gedroht, aber das ließ sie vor allem müde lächeln. Außerdem, erklärten sie mir, sei das doch bloß gut, um die Leh­re­r*in­nen zu ärgern, immerhin geht es ja auch um rein gar nichts.

Das ist ja oft das Problem, auch beim sonstigen Demokratiespielen in der Schule. Man lässt halt gern mal so ein bisschen Pseudo-Mitbestimmung und Diskussionen im Sitzkreis zu – aber am Ende geht es halt um nichts, vor allem aus Angst, sie könnten dafür votieren, alle Klassenzimmer mit Spielkonsolen auszustatten.

Sie haben das sehr deutlich gespürt, als es vor ein paar Jahren einmal um die Strafordnung ging. Da ließ ihre frühere Schule in der Schülerschaft diskutieren, mit welchen Sanktionen ein Verstoß gegen die Schulregeln zu ahnden sei.

Wichtigste Lektion verpasst

Wie Kinder so sind, einigten sie sich relativ schnell (und vermutlich souffliert von beteiligten Erwachsenen) auf das Abschreiben der Schulordnung als „na ja – irgend so eine blöde Strafarbeit halt“.

Einige Wochen später ging ihnen – wiederum angeregt durch Nachfragen von einigen Müttern – auf, dass es irgendwie blöd ist, das Rennen im Gang genauso hart zu bestrafen wie einen Tritt in den Bauch.

Das wäre natürlich eine prima Gelegenheit gewesen, Nachbesserungen vorzunehmen – so wie das in einer echten Demokratie andauernd passiert, weil das halt ein langer Prozess ist und Gesetze immer mal wieder angepasst werden müssen.

Aber nein, wurde ihnen da von einer Lehrerin lächelnd beschieden, das sei ja jetzt so beschlossen – und über darüber hinausgehende Strafen würden sowieso die Erwachsenen entscheiden. Ich weiß bis heute nicht, wer eigentlich dringender Nachhilfe nötig hat.

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