Jugendreisen: Ohne die Alten in die Alpen
■ Fahrten in alle Welt: Block- bis Irland
„Im Urlaub arbeiten? Waller Jugendliche waren begeistert“, über diese Schlagzeile stolperten Anfang der Woche die unzähligen Kinder und Jugendlichen, die sich in der Stadtbibiliothek Neustadt in einer Ausstellung von nicht-kommerziellen Jugendreise-Anbietern die Klinke in die Hand gaben. Für zwei Tage hatte das „ServiceBureau Internationale Jugendkontakte“ im Verbund mit Jugendorganisationen und -einrichtungen die Bücherei in ein Reisebüro verwandelt. Die Schlagzeile übrigens hatten 18 Jugendliche der Presse diktiert, nachdem sie im türkischen Cardak einen Jugendtreff gebaut hatten.
Doch keine Angst, man muß nicht arbeiten. Die rund 125 Reiseangebote, die das ServiceBureau für 1995 in seinem Katalog „Bremer Jugendreisen 95“ zusammenfaßt, bieten neben Auslandspraktika, Workcamps und Aupair-Tätigkeiten durchaus auch Sprach- oder Freizeitreisen. „Der Trend geht immer mehr zu erlebnisorientierten Reisen, zum Beispiel BMX-Fahren, Surfen oder Segeln,“ berichtet John Gerardu, Leiter des ServiceBureau.
Daneben entwickelt sich der Jugendaustausch mit Polen und anderen östlichen Ländern zum Renner. „Die Woche in Danzig war echt geil“, schreibt einer der 23 TeilnehmerInnen der Reise, die der Jugendtreff Blockdiek im vergangenen Jahr organisierte. Die türkischen und deutschen Kids wollen unbedingt wieder polnischen FreundInnen besuchen.
Etwa 3.000 Kinder und Jugendliche (8- bis 26jährige) nutzen jährlich die preiswerten Angebote, die das ServiceBureau seit 1991 für die gut 50 gemeinnützigen Veranstalter zusammenstellt. Das Bureau, eine Einrichtung des LidiceHauses, wird von der Jugendsenatorin gefördert. Zwei- bis dreimal jährlich kommen die nicht-kommerziellen Reiseveranstalter – die größten sind das AWO-Jugendwerk und die Bremer Sportjugend - zum Erfahrungsaustausch zusammen.
Neu ist beispielsweise, daß auch die gemeinnützigen Vereine und Verbände seit dem 1.11.94 Insolvenzversicherungen vorlegen müssen. Damit haften sie für eventuelle Mißstände während der Reise. Die Jugendlichen, mußte John Gerardu erfahren, pflegen analog zu den erwachsenen Vorbildern zusehends häufiger den Preis einer Reise im Nachhinein zu drücken. Eine Disco neben der Unterkunft etwa kann nach der „Düsseldorfer Tabelle“ schon 10 Prozent Kosten sparen. Einige der nicht-kommerziellen Veranstalter sind ob dieser Haftung vorsichtiger geworden oder haben gar Reisen aus dem Programm genommen.
Schwerer als die Verordnung selbst wiegt der damit verbundene Verwaltungsaufwand. Detailliert nämlich muß im Vorhinein über Hotels, Verpflegung und Transportmittel Auskunft gegeben werden. Für Improvisationen ist da kein Platz mehr.
Neu ist auch, daß die Mittel aus dem europäischen Programm „Jugend für Europa“ für dieses Jahr vorerst auf Eis liegen. Ein Streit zwischen Jugend- und Finanzministerium verhindert die Umsetzung des von Europa- und Ministerrat bereits ausgehandelten Kompromisses über die Förderhöhe. Folge: Der Bremer Veranstalter „Casa“ muß den geplanten zweiwöchigen Austausch mit spanischen Jugendlichen streichen.
Trotzdem bietet das Programm für alle etwas: Ob Osterholz-Scharmbeck, Block- oder Irland, ob Polen oder USA – die Auswahl ist riesig. Wer dennoch im Katalog nichts findet, kann sich beim ServiceBureau Tel.0421/1691178 nach den Angeboten kommerzieller Jugendreiseanbieter erkundigen. Last not least: Im Bureau gibt's auch die Mitgliedskarte für Jugendherbergen – aber in selbigen trifft man womöglich die Eltern wieder ... dah
Den Katalog „Jugendreisen 95“ gibt es kostenlos bei Schulen, Kirchengemeinden, Bibliotheken, Bürgerhäusern, Freizeitheimen, Sparkassen, Ämtern für Soziale Dienste, beim Jugendamt und -ring sowie beim ServiceBureau in der Bürgermeister Smidt Str. 114. Wer sich den Katalog schicken lassen möchte, sende zuvor einen frankierten Briefumschlag (3 DM) in A5 Format.
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