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Jugendmagazin „Bravo“Homosexualität als Jugendphase

„Bist du vielleicht schwul?“ Bei einem Persönlichkeitstest der „Bravo“ werden lächerliche Klischees bedient. Er musste wegen Protesten gelöscht werden.

Schwul oder nicht schwul? Wer sich nicht sicher ist, greift zur „Bravo“. Bild: dpa

BERLIN taz | Welche Farbe haben deine Klamotten? Deine Antwort: bunt. Je greller, desto besser. Wenn du mit einem Ball auf ein Ziel treffen sollst, wie oft triffst du? Deine Antwort: fast nie. Hast du mehr Freunde oder mehr Freundinnen? Deine Antwort: mehr Jungs. Wir reden über Autos und spielen Fußball.

Die ersten beiden Antworten sind, laut Bravo, ein Indiz dafür, schwul zu sein. Die Letzte ist ganz klar, wie Bravo offensichtlich findet, supermännlich. Autos und Fußball als Gesprächsthema – worüber sollten „wahre Männer“ auch sonst reden. Nur Schwule reden über etwas anderes. Über Schminke zum Beispiel. Oder über ihre Angst vor Spinnen. Genau, liebe Bravo. Da kann einem schlecht werden. Mehr Klischee geht kaum.

„Mit diesem Test kannst du herausfinden, ob du schwul bist oder hetero" verspricht die Jugendzeitschrift. Nach zehn Fragen soll der Getestete mehr Wissen über seine sexuelle Präferenz erlangt haben. Wenn sein Ergebnis „schwul" ist, wirkt die Antwort von Bravo fast schon beruhigend, als ob Homosexualität eine Phase sei, die vorbei geht: „Es ist normal, dass Jungs in der Pubertät andere Jungs attraktiv finden. Man ist nicht unbedingt schwul."

Man stelle sich vor, wie ein Jugendlicher vor dem PC sitzt und jetzt erleichtert aufatmet. Es ist ein trauriges Bild. Als ob Schwulsein eine Krankheit wäre und man jetzt wüsste, dass man „gesund" sei.

Wenn weiterhin die Homosexualität als Anomalie propagiert wird, wie subtil auch immer, werden Jugendliche als Zielgruppe der Zeitschrift nur noch mehr verunsichert. Sobald die Fragen allesamt so beantwortet wurden, dass die gleichgeschlechtliche Präferenz ausgeschlossen werden kann, macht Bravo schnell darauf aufmerksam, dass dafür ein Kumpel aber schwul sein könnte.

Der Umgang mit solch einem Szenario wird durch einen verlinkten Artikel auch gleich erklärt. Gefettet steht dort der Satz „Jeder sollte das Recht haben, so zu lieben, wie er oder sie es mag." Sollte? Jeder HAT bereits dieses Recht, solange wir nicht in Russland oder in einem anderen, intoleranten Land leben.

Auf Facebook wurde dieser Test vor allem von Männern heftig kritisiert. Das wird auch der Grund gewesen sein, warum Bravo ihn heute von seiner Seite gelöscht hat. Und das Beste zum Schluss: „Die Antworten dieser Fragen haben keinen Einfluss auf das Ergebnis", so die Erklärung beim Testresümee am Ende. Damit hat sich die Bravo selbst diskreditiert.

Update: Die taz hat das Spiel mit den Homo-Klischees der Bravo-Redaktion nicht gepeilt. Wir bedauern diesen Fehler.

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7 Kommentare

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  • KS
    Kurt Spencer

    @RB-Berlin.

    http://taz.de/Bravo-Sprecher-ueber-Schwulentest/!122826/

     

    Somit keine ausgeklügelte Aktion, der Test war beabsichtigt mit dem Hinweis, dass die sexuelle Orientierung egal ist. Die taz täte gut daran, solche peinlichen Kommentare wie den deinen nicht erst zu veröffentlichen.

    • R
      rb-berlin
      @Kurt Spencer:

      Richtig! Genau das habe ich doch geschrieben. Ich verstehe Deinen Kommentar nicht, denn das verlinkte Interview bestätigt doch, dass die taz mit ihrem ersten Beitrag völlig daneben lag. Schade nur, dass die Bravo den Test schon wieder aus dem Netz genommen hat.

  • R
    rb-berlin

    Nicht die "Bravo" hat sich diskreditiert, sondern die Autorin dieses Artikels. Hätte sie den Test bis zum Schluss gemacht, wäre sie hinter den Sinn dieser ausgeklügelten Aktion gekommen. Die Auswertung ergibt nämlich - gar nichts. Keine der Fragen habe irgendetwas damit zu tun, ob man schwul oder lesbisch sei. Deswegen seien die Antworten auf die Fragen auch gar nicht in die Auswertung des Tests eingeflossen. Die Botschaft am Ende lautete sinngemäß: Sei einfach du selbst und tu, was dir Spaß macht.

    Eine ausgesprochen witzige und intelligente Aktion der "Bravo". Leider aber nichts für denk- und recherchierfaule "taz"-Autorinnen. Die "taz" täte gut daran, diesen peinlichen Beitrag schnellstmöglich aus dem Netz zu nehmen.

  • B
    Ben

    Fursuiter sind nicht per se schwul (aber die Flagge machts in dem Fall schon deutlich). Mir gefällt dass die TAZ es so sieht dass jeder das Recht hat so zu lieben wie er/sie eben geboren wurde. Auch wenn wir gesetzlich liberaler sind, führt sich Deutschland manchmal auf wie Ecuador.

     

    Und wenn vielen Vorbildern zum Thema andersartige Sexualität nur einfällt sich zu distanzieren, wer will es einem jungen Menschen dann verdenken die Antworten in so einem Schrott wie Bravo zu suchen.

  • D
    DeeJay

    Ob Umfrage oder nicht, mir ging es vor 21 Jahren so.

     

    Mit wem redet man als Jugendlicher über solche Themen? Selten mit den Freunden oder Eltern... aber warum auch, wenn beinahe wöchentlich jemand dem Dr. Sommer-Team solche Fragen stellt, groß darüber Gedanken machen "wo" man selbst steht?

     

    Wer ist schon gerne anders?

     

    Da nimmt man doch gerne die so beruhigend und harmlos klingende Erklärung der Bravo entgegen, das es lediglich eine Phase sei...

     

    Nun; aus meiner Phase wurde 5 Jahre später ein Outing - und während es meinem Umfeld keinerlei Probleme bereitete, war es für mich ein langer und auch steiniger Weg zu mir selbst.

     

    Wenn ich mein Leben in Klischees aufsplitte, gibt es da übrigens sehr viele Gegensätze. Früher habe ich mich mit meinen Freunden durch das Dickicht geschlagen, bin auf Bäume geklettert, habe Buden gebaut und am Moped herumgeschraubt - Fußball mochte ich aber nie. Nebenbei gesagt, ich trug auch weder bunte Klamotten, noch kenne ich mich mit Schminke aus...

     

    Die Bravo hat in all den Jahren an dieser Stelle nichts dazugelernt. Was der richtige Tip gewesen wäre? Ich weiß es nicht aber ich kann sagen, die fortwährende Erklärung "das ist nur eine Phase" regt mich heute regelrecht auf.

     

    Es kann eine Phase sein und

  • L
    Lars

    Eine zeitweilige homosexuelle Phase ist in der Pubertät in der Tat auch bei sonst Heterosexuellen anzutreffen. Das "als ob" im Artikel ist also tatsächlich quatsch.

  • Die Eltern der heutigen Bravo-Macher wurden mehrheitlich auch von der Bravo aufgeklärt. Was soll man davon anderes erwarten?

    Mich erinnert das an ein legendäres Interview, das Alfons auf der Straße geführt hat. Dabei fragte er Passanten nach ihrer Einstellung zu heterosexuellen Menschen. Da ging's aber gleich richtig zur Sache.

    Man muss nur die entsprechenden Fragen stellen, dann fordert am Ende fast jeder seine eigene Hinrichtung und merkt es noch nicht mal.