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Jugendkriminalität in MexikoFußballspielen für die Zukunft

Viele der Jugendlichen im mexikanischen Fußballprojekt „A ganar“ waren schon als Teenager im Gefängnis. Auf dem Sportplatz finden sie ihr Selbstwertgefühl wieder.

Gegen die Schatten der Vergangenheit: Aufwärmen bei „A ganar“. Bild: Quetzalli González/Excélsior

CIUDAD JUÁREZ | Vor drei Jahren war eine Zukunft für 1.187 Jugendliche der damals gefährlichsten Stadt der Welt unvorstellbar. Sie lebten in Ciudad Juárez, waren in Morde und Entführungen ihrer Verwandten verwickelt – doch auf dem Fußballplatz haben sie heute ein Mittel zum Sieg gefunden. Bevor sie für das Programm „A ganar“ ausgewählt wurden, waren viele von ihnen Opfer des organisierten Verbrechens in der direkt an die USA angrenzenden Stadt.

Marco Antonio war in einer Jugendstrafanstalt, und während der Monate der Inhaftierung war es das Schwierigste, sich Essen zu beschaffen; Liliana erlitt eine Depression, die sie bis zum Psychiater führte, nachdem ihr Stiefvater ermordet wurde und ihre Mutter entführt worden war; Blinzia war lebensmüde, ihr Vater war an den Machetenwunden gestorben, die ihm bei einem versuchten Überfall zugefügt worden waren; und Jacob raubte Häuser aus, bis er verschleppt und von seinen Entführern fast umgebracht wurde. Ciudad Juárez im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua hatte sich zum größten Friedhof für ermordete Jugendliche entwickelt.

„A ganar“ wurde vor elf Jahren ins Leben gerufen, dank einer einfachen Frage, die Pelé, König des Fußballs, auf einer Konferenz der Interamerikanischen Entwicklungsbank in Washington stellte. Der Brasilianer fragte den damaligen Präsidenten, Enrique Iglesias, ob es in der Institution irgendein Projekt mit Fußball gebe – als der verneinte, wurden der Multilaterale Investment Fonds und die Organisation „Partners of the Americas“ beauftragt, ein Programm zu entwickeln, das Sport für die Entwicklung der Jugendlichen einsetzen sollte.

Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 22./23. Juni 2013. Darin außerdem: „Das ist die Lösung!" Es gibt viele Ideen für eine bessere Welt. Man muss sie nur suchen – und aufschreiben. Ein Spezial der taz und 21 weiterer Zeitungen. Die Transsexuelle Jane Thomas und ihre älteste Tochter über die CSU und Familie. Und: Der Gezi-Park ist geräumt, aber der Protest geht schweigend weiter. Aus alten Feinden sind neue Freunde geworden. Unterwegs mit den Fußballfans von Besiktas Istanbul. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Das Projekt startete 2006 in Brasilien, Uruguay und Ecuador. Die Jugendlichen sollten durch den Fußball Werte wie Disziplin und Teamarbeit lernen und so ihre Perspektive auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Später wurde das Programm auf 16 Länder in Lateinamerika und der Karibik ausgedehnt, bis es 2010 nach Mexiko kam.

„Hey, ihr seid etwas wert“

„A ganar Juárez“ dauert bis zu einem Jahr, vier Monate machen die Jugendlichen Praxisübungen auf dem Fußballplatz, um Respekt, Kommunikation und Teamarbeit zu fördern; am Ende steht die praktische Ausbildung mit einem Stipendium, bei dem sie eine der 18 Fachrichtungen lernen, die von Krankenpflege über Gastronomie und Elektromechanik bis zu Buchhaltungshilfe, Verwaltungstechnik und Informatik reichen.

Impact Journalism Day

Der Impact Journalism Day ist eine von der Plattform „Sparknews“ angestoßene Kooperation von weltweit 22 Zeitungen. Die Redaktionen verpflichten sich, in drei Sprachen Artikel zu liefern, die kreative Möglichkeiten aufzeigen wie weltweite Probleme gelöst werden können. Zudem verpflichtet sich jede Redaktion, eine gewisse Anzahl von Artikeln zu veröffentlichen.

Die mexikanische Tageszeitung Excélsior, von der dieser Artikel stammt, wurde 1917 gegründet und hat eine Auflage von 25.000 Exemplaren. 1968 berichtete Excélsior kritisch über das Massaker von Tlatelolco. Am 2. Oktober wurden 337 Menschen bei einer Studentendemonstration getötet. Militär und Geheimpolizei waren brutal gegen die Demonstranten vorgegangen – zehn Tage vor dem Start der Olympischen Spielen in Mexiko.

Bevor Jacob Hernández zu „A ganar“ kam, hatte ihm noch nie jemand gesagt, dass eine seiner Ideen gut sei. Jazmín Larios hatte mit ihren zwanzig Jahren nicht begriffen, wie wertvoll sie war. „Sie haben uns beigebracht, uns besser kennenzulernen, wie um zu betonen ’Hey, ihr seid was wert‘“, sagt sie.

86 Prozent der jungen Teilnehmer haben einen Job gefunden, führen ihre Studien fort oder haben ein eigenes Geschäft – und hier eine neue Familie gefunden. Zu Beginn, als die Jugendlichen das Programm kennenlernten, schien es ihnen unglaublich, dass Fremde ihnen anboten, ihre Studien zu zahlen, für die nicht einmal ihre eigenen Eltern aufkommen konnten – ohne im Gegenzug dafür etwas von ihnen zu verlangen. Später erkannten sie, dass sie ihren Beratern und den Ausbildern vertrauen und von ihnen Orientierung erhalten konnten, um so die Leute aus dem Knast oder dem Viertel, die sie zu Verbrechen anstifteten, hinter sich zu lassen.

Die Überzeugung all derer, die am Programm „A ganar Juárez“ mitwirken – und weiterhin mitwirken wollen, ist leicht zu erklären: Sie haben Hunderte von Jugendlichen kennengelernt, die nach einer Chance schrien. Für die Stiftung sind diese drei Jahre erst der Anfang, denn ihr Ziel ist, dass noch Tausende auf den Platz treten, sich das Trikot überstreifen und dann den Ball kicken.

Aus dem Spanischen von Silke Kleemann

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