Jugendfußball in Nord- und Südkorea: Diplomatisches Kicken
Beim Sport kommen sich der Norden und der Süden Koreas näher. Nordkoreanische Jungs besuchen den Süden, um dort zu kicken.
Das Auftaktspiel des Ari-Jugendfußballturniers mag zwar sportlich von geringer Bedeutung sein. Für die wichtigste politische Annäherung des 21. Jahrhunderts jedoch bildete es nicht weniger als den diplomatischen Startschuss. Der Strippenzieher hinter den Kulissen sitzt nur wenige Stunden vor Match-Beginn in einem urigen Lokal bei gegrilltem Fisch, Rippchen und milchig-weißem Reiswein. Choi Moon Soon, Gouverneur der bergigen Gangwon-Provinz im Osten der Halbinsel, ist ein volksnaher Politiker mit jovialem Gestus. Wenn er lacht – und das tut er herzlich und oft –, dann zeichnen sich tiefe Furchen in seine Wangen. Eben ein Typ, dem man Vertrauen kann.
„Noch im letzten Jahr dachten die meisten, dass bald in Korea Krieg ausbricht. Die Lage war mehr als angespannt. Ich war trotzdem davon überzeugt, dass wir abseits der Politik durch gemeinsame Sportveranstaltungen den Kontakt mit Nordkorea halten müssen“, sagt Choi.
Dabei haben die beiden Nachbarstaaten während des Höhepunkt der Nuklearkrise de facto sämtliche diplomatischen Gesprächskanäle gekappt: Trotz aller Widerstände hat sich Gouverneur Choi am 18. Dezember 2017 auf den Weg nach Kunming in China gemacht, wo damals das Ari-Fußballturnier ausgetragen wurde – mit Sponsorengeldern aus Südkorea und lokalen Teams aus Usbekistan, Vietnam, Weißrussland und Nordkorea.
Eine innerkoreanische Annäherung
Choi überreichte damals fernab der Öffentlichkeit dem Cheftrainer des Sportclubs 25. April, Moon Ung, eine Einladung an Machthaber Kim Jong Un, an den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang teilzunehmen. Nur zwei Wochen später sagte Kim während seiner Neujahrsansprache zu, nordkoreanische Athleten in den Süden zu schicken.
Die Spiele lösten schließlich eine innerkoreanische Annäherung aus, wie es die Nachbarländer bislang noch nicht erlebt haben: Innerhalb weniger Monate hielten beide Staaten drei Gipfeltreffen ab, im Dezember soll schließlich mit Kim Jong Un erstmals ein nordkoreanischer Machthaber Seoul besuchen. Zudem haben sie mit der Minenräumung ihrer Landesgrenze begonnen und wollen noch innerhalb diesen Jahres das innerkoreanische Eisenbahnnetz instandsetzen. Viele Experten sind sich einig, dass es jene vertrauensbildenden Sportveranstaltungen waren, die den diplomatischen Ball ins Rollen gebracht haben.
Im Stadion von Chuncheon sorgt mittlerweile eine K-Pop Girlband während der Halbzeit mit Hotpants und Luftgitarren für Stimmung. Der 16-jährige Han Song Min – Baseballcap, Daunenjacke und runde Nickelbrille – schaut vom Oberring auf das Spektakel. „Ich bin heute gekommen, um meinen Klassenkameraden anzufeuern“, sagt der Oberschüler. Ob er es gut findet, dass heute seine Altersgenossen aus Nordkorea eingereist sind? „Ich denke, solche Veranstaltungen führen dazu, dass sich die Beziehungen unserer Länder verbessern. Das wird letztlich dabei helfen, dass wir uns eines Tages wiedervereinigen“, sagt Schüler Han ein wenig einstudiert.
Die 84-jährige Yun Bok-su drei Reihen weiter blickt pessimistisch auf die jüngste Annäherung mit dem Norden: „Mir geht der jetzige Kurs der Regierung zu schnell“. Das Regime in Pjöngjang hat tiefe Narben in ihrer Familiengeschichte hinterlassen: Yuns Eltern lebten während der Kriegswirren der 50er Jahre im nördlichen Teil der Halbinsel. Seither hat sie diese nie mehr wiedersehen können.
Die südkoreanische Regierung mag zwar noch kaum von Wiedervereinigung sprechen, denn zu drastisch haben sich die beiden Länder in den letzten 70 Jahren auseinanderentwickelt. Doch gemeinsame Sportveranstaltungen wie das Ari-Turnier sind für Seoul ein wichtiger Stützpfeiler, um einen nachhaltigen Frieden auf der Koreanischen Halbinsel aufzubauen.
Gouverneur Choi Moon Soon versucht alle politisch heiklen Fragen aus der Sportdiplomatie rauszuhalten. „Ich habe Kim Jong Un bereits zweimal getroffen – und bin mir sicher, dass er mit den westlichen Werten vertraut ist. Nicht zuletzt, weil er seine Schulbildung in der Schweiz genossen hat“, sagt Choi. „Ich glaube, wir müssen die langfristige Perspektive sehen: Unser Ziel ist es doch, dass die 25 Millionen Nordkoreaner eines Tages in den Genuss von Demokratie und freier Wirtschaft kommen.“
Ein freie Atmosphäre lässt sich auch am Spielfeld durchaus erahnen: Nachdem die nordkoreanischen Jugendlichen 3:1 gewonnen haben, kommen einige von ihnen bereitwillig zu den Reportern. Ihre Trainer halten sich im Hintergrund. Torschütze Cho Jeon Ryong, noch sichtlich außer Puste, sagt, dass ihm die vielen Ballverluste in der zweiten Hälfte leidtun. Man sei einfach „zu nervös“ gewesen. Ob er sich freue, einmal nach Südkorea gekommen zu sein: „Und ob! Auf dem kurzen Weg hierhin habe ich erst realisiert, wie nah wir überhaupt beieinander liegen“.
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