piwik no script img

Jugend-Demonstration am 1. Mai„Die Angst vor den Rechten politisiert“

Der Tag ist auch für die junge Generation wichtig, sagt eine SDAJ-Aktivistin – und erklärt, warum es dieses Jahr in Kreuzberg sogar eine eigene Jugenddemo gibt.

„Mit abstrakten Themen ist es schwierig, Jugendliche zu erreichen“: Schulstreik 2015 gegen Abschiebungen Foto: dpa
Malene Gürgen
Interview von Malene Gürgen

taz: Frau Schulz, Sie sind 1996 geboren. Was verbinden Sie mit dem 1. Mai 1987?

Marie Schulz: Hm, wie sage ich das am besten? Ich glaube, ich verbinde damit, dass dieser Tag als politischer Tag in Kreuzberg bis heute so gesetzt ist: 1. Mai, da geht was politisch, das ist bis heute so, das weiß jeder.

Gilt das auch für diejenigen in Ihrem Alter, die weniger politisch aktiv sind als Sie?

Ich habe schon das Gefühl, dass auch unpolitische Leute in meinem Alter etwas mit dem 1. Mai verbinden, und zwar nicht nur frei haben und feiern. Das sieht man ja auch daran, dass viele Leute auf die 18-Uhr-Demo gehen, die sonst nicht ständig auf Demonstrationen sind.

In den letzten Jahren hat Ihr Bündnis aus verschiedenen Jugendgruppen den Jugendblock auf der 18-Uhr-Demo organisiert, in diesem Jahr veranstalten Sie eine eigene Demo. Warum?

In diesem Jahr war lange unklar, ob die 18-Uhr-De­mons­tra­tion angemeldet wird oder nicht. Für uns war das schwierig, wir wollen Schülerinnen und Schüler auf die Demo bringen, vielleicht auch Leute, die noch nie auf einer Demo waren – die könnte das abschrecken. Weil wir aber auch keine Konkurrenzveranstaltung machen wollen, rufen wir jetzt auf zu einer Jugenddemo um 16 Uhr für alle, die einen sichereren Rahmen zum Demonstrieren wollen. Wer möchte, kann danach noch auf die 18-Uhr-De­mons­tra­tion gehen.

Gerade in diesem Jahr werden viele Vergleiche zur Si­tua­tion in den achtziger Jahren ­gezogen – die Jugend ist heute viel unpolitischer als damals, heißt es dann oft. Ist da was dran?

Ob man Jugendliche politisch erreicht oder nicht, kommt sehr darauf an, wie man es versucht. Meine Erfahrung ist: Mit ab­strak­ten, unkonkreten Themen ist es eher schwierig, Jugendliche zu organisieren. Wenn es was mit ihrem eigenen Leben zu tun hat, geht es aber sehr wohl. Der Krieg in Syrien zum Beispiel ist gefühlt für viele erst mal so weit weg, dass sie sich nicht zum Protest aufraffen – wenn dann aber ein Bundeswehroffizier an die Schule kommt, wird dagegen sehr wohl etwas unternommen. Dann ist das viel greifbarer.

Warum klappt es nur mit den konkreten Themen?

Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass man vielleicht nicht mehr so leicht mit politischen Themen in Berührung kommt wie früher. Politikwissenschaftsunterricht gibt es in Berlin zum Beispiel nur an den Gymnasien, das heißt, superviele Leute erreicht das überhaupt nicht. Wenn man dann nicht zufällig politische Eltern oder Freunde hat, spielen politische Themen erst mal gar keine Rolle.

Im Interview: Marie Schulz

21, hat eigentlich einen anderen Nachnamen. Sie studiert Sozialwissenschaften und ist in der Sozialistischen Deutschen ­Arbeiterjugend (SDAJ) organisiert, die mit den Gruppen Berlin Leftist Youth, ­Solidarische Jugendbewegung Berlin, ­Venceremos und ­Junge GEW ­eine Jugenddemonstration am 1. Mai organisiert.

Sie haben schon früh angefangen, sich politisch zu engagieren. Wie kam es dazu?

Ich weiß gar nicht so genau, warum. Aber ich habe schon ziemlich früh angefangen, nach einem Grund zu suchen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Ich komme nicht gerade aus ­normal bürgerlichen Verhältnissen, und ich habe zum Beispiel angefangen, mich damit zu beschäftigen, warum es in Deutschland für manche Leute viel schwerer ist, eine gute Bildung zu bekommen, als für andere. Und dann haben natürlich auch Leute eine Rolle gespielt, die ich kennengelernt habe. Es ist ja fast nie so, dass man einfach ganz alleine aktiv wird, da spielt immer auch das Umfeld eine Rolle.

Trump, Le Pen, AfD – überall sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. Bringt das Jugendliche dazu, sich zu engagieren?

Auf jeden Fall. Wenn ich mich in letzter Zeit mit Leuten in meinem Alter oder mit Jüngeren unterhalte, habe ich das Gefühl, dass das fast jeden umtreibt, dass das für alle ein Thema ist, auch wenn sie es vielleicht erst mal eher moralisch als politisch begründen. Überhaupt ist dieses Thema, also die Angst vor rechtsextremen Bewegungen und der Widerstand dagegen, ein ganz wichtiges Thema für Jugendliche. Ich kenne ganz viele, die darüber politisch geworden sind.

Die Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 waren damals für viele Jugendliche ein prägendes Ereignis. Dieses Jahr wird im Juli gegen G 20 protestiert. Wird das für die heute 17-, 18-Jährigen ähnlich wichtig?

Das finde ich schwierig zu beantworten. Eigentlich habe ich das Gefühl, diese Gipfel sind schon so normal geworden, das ist kein großes Thema mehr. Und viele wissen auch gar nicht, worum es bei den G 20 genau geht. Wenn da viele Jugendliche hinfahren sollen, müsste man noch viel klarer aufzeigen, dass das, was da passiert, auch für die Jugend verheerend ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Angst vor den Rechten sollte nicht größer sein als die Angst vor den linksten Linken.