Jürgen Domian über sein Comeback: „Live ist spannender“
Über 20 Jahre lang telefonierte Jürgen Domian in Radio und TV mit Menschen über deren Sorgen. Ab November hat er wieder eine Show beim WDR.
taz: Herr Domian, Kritiker meinen, im deutschen Fernsehen gebe es bereits zu viele Talksendungen. Was werden Sie bieten, was noch nicht gezeigt wird?
Jürgen Domian: Ich wundere mich schon seit Jahren, dass es im deutschen Fernsehen keinen No-Name-Talk gibt, also eine Talkshow, in der ausschließlich nichtprominente Menschen zu Wort kommen. Meine Nachtsendung hat bewiesen, dass ganz normale Leute hochinteressante, spannende, zu Herzen gehende und tolle Geschichten zu erzählen haben. Im Übrigen wird unser Format sich von den anderen Talkshows auch dadurch unterscheiden, dass ich nicht nur Interviewer und Talkmaster sein werde, sondern, so wie auch im Nighttalk damals, Gesprächs- und Diskussionspartner, Zuhörer und vielleicht auch Ratgeber.
„No-Name-Talk“ – war das nicht früher die Domäne der Privaten?
Ja, und sie haben das Format durch ihre Nachmittagstalks auch verbrannt. Als sie starteten, waren sie noch interessant und gut recherchiert. Später wurde es immer absurder und niveauloser.
Ihre Gäste werden, anders als in Ihrer Radiosendung, nicht anonym in Erscheinung treten. Besteht die Gefahr, dass deren Geschichten bzw. sie selbst als eine Art „Sensation“ vorgeführt werden? Und was tun Sie, damit das nicht geschieht?
Das ist tatsächlich ein sehr sensibler Bereich. Ein Beispiel: In der Nachtsendung hatte ich immer mal wieder pädophil veranlagte Menschen in der Leitung. Sie sprachen über ihre Neigung, sagten, dass sie noch nie etwas gemacht und Angst vor ihrer Veranlagung hätten. Solche Gäste würden wir in der Sendung nicht zu Wort kommen lassen. Nicht, weil wir Berührungsängste haben, sondern zum Schutz dieser Menschen, die nach einem TV-Auftritt fertiggemacht würden. Wir wollen nicht den billigen Effekt der Sensation, und wir müssen darauf achten, dass ein öffentlicher Auftritt nicht zum Schaden der betreffenden Person wird.
Sie haben über Jahre lang „Domian“ moderiert. Nun geht es um ein reines Fernsehformat. Wie wird es sich von der Radiosendung unterscheiden? Und was hat Sie bewogen, „komplett“ ins Fernsehen zu gehen?
Ich habe schätzungsweise 22.000 Telefoninterviews geführt. Jetzt freue ich mich sehr, endlich meine Gesprächspartner auch sehen zu können. Das neue Format ist eigentlich eine logische Weiterentwicklung des Nighttalks. Den habe ich damals ja aus gesundheitlichen Gründen schweren Herzens aufgegeben. Aber mehr als zwei Jahrzehnte Nachtarbeit waren einfach zu viel.
Früher riefen seine Gäste einfach an. Von 1995 bis 2016 moderierte Jürgen Domian seine berühmte Nachtsendung im Radiosender 1 Live und parallel im WDR-Fernsehen. Am 8. November startet der ehemalige Night-Talker Jürgen Domian mit einer neuen Show, dieses mal ein reines TV-Format, und die Gäste kommen ins Studio.
Bei „Domian Live“ im WDR wird der 61-Jährige jeden Freitagabend mit „normalen“ Menschen über deren Schicksale und Wünsche sprechen. Wer interviewt werden möchte, kann sich unter domian@wdr.de oder unter 0800 2208899 bewerben.
Auch Ihr TV-Talk wird live übertragen …
Das war mir sehr wichtig. Wir wollen auch in der neuen Sendung aktuell reagieren können. Vielleicht schalten wir ab und zu einen Skype-Anrufer in die Show, vielleicht nur einen Anrufer, wenn jemand etwa zu einem polarisierenden Gast Stellung beziehen möchte. Live ist für das Publikum spannender und ebenfalls für mich als Gastgeber. Und wenn eine Panne passiert, dann passiert sie halt. Zudem werde ich vor der Show nicht wissen, welche Gäste in die Sendung kommen. Alles bleibt Überraschung.
Sie hatten bereits 2017 angekündigt, mit einem neuen Format wieder aufzutreten. Haben Sie bzw. der Sender seitdem so lange an diesem Format geplant?
Manchmal brauchen die Dinge ihre Zeit. Ich habe ein Buch geschrieben und war damit auf Deutschland-Tournee. Und anschließend habe ich mir noch einige Sabbatmonate verordnet, daher die Verzögerung. Ich war lange in Lappland und habe viel Energie getankt.
Was hoffen Sie, mit Ihrer Talkshow zu erreichen bzw. zu bewirken?
Letztendlich soll die Show ein Gesprächsforum sein, für all die Anliegen, Probleme, Verrücktheiten, Ängste und auch Freuden, die das Leben so bietet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?