Jüdischer Autor bei der AfD: Polemisch bis sarkastisch bis kryptisch
Henryk M. Broder hat letzte Woche eine Rede vor der AfD-Fraktion im Bundestag gehalten. Ein drolliges Erinnerungsfoto erregte Aufsehen.
Der Welt-Kolumnist Henryk M. Broder hat in der vergangenen Woche eine Rede vor der AfD-Fraktion im Bundestag gehalten. Eine Gelegenheit, die Alice Weidel gern für einen Schnappschuss nutzte. Noch während er im Stuhl saß, kam Weidel, umarmte ihn und grinste. AfD-Abgeordnete verbreiteten das Foto über die sozialen Netzwerke, die Empörung war und ist groß.
Broder war sich der Provokation bewusst, als Journalist mit Rechten an einem Tisch zu sitzen. Und damit seine Rede nicht nach Kuscheln aussieht, hatte er was ganz, ganz Kritisches vorbereitet: „Wann bekommt ein Jude schon die Gelegenheit, in einem Raum voller Nazis, Neo-Nazis, Krypto-Nazis und Para-Nazis aufzutreten?“, sagte er laut Manuskript. Bezeichnete er damit die AfD-Abgeordneten als Nazis? Oder machte er sich vielmehr durch das Wortspiel über den Nazi-Begriff lustig? Broder ist darin geübt, seine Gedanken polemisch bis sarkastisch bis kryptisch vorzutragen.
Und seine Rede vor der AfD-Fraktion war quasi ein Best-of seiner Beiträge vom Blog Die Achse des Guten und seiner Welt-Kolumnen. Menschengemachter Klimawandel? „Ich glaube nicht einmal daran, dass es einen Klimawandel gibt …“ Greta Thunberg? „Ich bin für eine Verschärfung des Tatbestands ‚Kindesmissbrauch‘, um auch solche Fälle verfolgen zu können, wie den der bereits erwähnten Greta aus Schweden, die von den Klimarettern zur Ikone ihrer Bewegung erkoren wurde.“ Und der Klassiker: die Geschlechterfrage. „Ein Hamster hat keine Wahl, auch wenn er lieber als Gazelle unterwegs wäre, man muss Mitleid mit allen Giraffen haben, die von einem Leben als Delphine träumen, kann ihnen aber nicht helfen.“
Broder hatte sich einst einen Namen durch bissige Kritiken gemacht, die Antisemitismus entlarvten. Seine Texte waren provokant und aufklärerisch, heute sind sie nur noch provokant. Vor den AfD-Abgeordneten waren seine Worte so voll von Ironie, dass man es leicht so interpretieren konnte, dass er der AfD quasi in allen Positionen recht gab. Nur die Verharmlosung der NS-Zeit durch Alexander Gauland („Vogelschiss“) hat er ernsthaft kritisiert.
Das drollige Erinnerungsfoto erregte Aufsehen. Er bat nach dem medialen Aufschrei um Entschuldigung dafür, sich Weidels Umarmung nicht entzogen zu haben.
Leider ging darüber die Rede etwas unter, die viel deutlicher macht als jedes Foto, wo Broder steht. An die AfD-Abgeordneten gerichtet sagte er: „…der Umgang mit Ihrer Partei ist alles andere als fair.“ Und „falls Sie jetzt wissen möchten, ob ich vorhabe, Sie zu wählen, kann ich nur sagen: Das hängt ganz von Ihnen ab.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin