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Juden, Muslime und Putin beleidigtDie Kunst der Provokation

Ein "Erschießt Putin"-Plakat provoziert eine Razzia bei Künstlern, eine Ausstellung bedient sich Voruteilen über Muslime und Juden. Wie weit darf Kunst gehen?

Kunst oder Aufforderung zum Totschlag? Bild: dpa

Das dänische Künstlerduo Surrend ist Ärger gewöhnt: Zu Wladimir Putins Österreich-Besuch entwarfen Pia Bertelsen und Jan Egesborg ein Plakat, auf dem in Großbuchstaben "Erschießt Putin" zu lesen war. Wer das Kleingedruckte las, konnte die vermeintliche Aufforderung zu einer Frage vervollständigen: "Journalisten?" Egesborgs Wiener Hotelzimmer wurde daraufhin von einer Antiterroreinheit auf den Kopf gestellt, er selbst elf Stunden lang in Gewahrsam genommen, das Plakat verboten.

Nun musste die aktuelle Berliner Ausstellung der Gruppe von einem Tag auf den anderen geschlossen werden, mit dem LKA wird an einem Sicherheitskonzept gearbeitet: Eine Gruppe aufgebrachter Männer hatte in den Räumen der Galerie Nord des Kunstvereins Tiergarten mit Gewalt gedroht, werde nicht ein Plakat abgehängt, das Muslime beleidige. Stein des Anstoßes ist die Kaaba in Mekka, die unter der Überschrift "Dummer Stein" auf einem Plakat zu sehen ist, das zu einer vierteiligen Serie gehört.

Die aktuelle Ausstellung, an der Stine Skøtt-Olesen und Martin Nielsen mitgearbeitet haben, ist der kruden Verschwörungstheorie des "Zionist Occupied Government" gewidmet, die sich nicht nur unter Neonazis zunehmender Beliebtheit erfreut. Dieses antisemitische Phantasma nährt die paranoide Vorstellung, die US-amerikanische Regierung sei von "den Zionisten" gesteuert. Das Ausstellungsplakat will die Absurdität dieser Theorie genauso aufs Korn nehmen, wie sie zeigen will, dass Neonazis auch überall dort jüdischen Einfluss und Juden imaginieren, wo sie gar nicht sind. Zu sehen ist Neil Armstrong auf dem Mond, hinter ihm weht aber nicht das Star Spangled Banner, sondern die israelische Flagge. Überschrift: "Neonazi-Halluzination".

Soweit ist das Anliegen der Gruppe und die satirische Stoßrichtung nachzuvollziehen, schwerer tut sich die Interpretation aber bei der Serie, dessen Kaaba-Motiv nun für Gewaltfantasien gesorgt hat. Neben dem Kaaba-Poster ist ein junger jüdischer Orthodoxer zu sehen, der nicht besonders intelligent dreinschaut und einen für diese Gruppe typischen schwarzen Hut trägt, die Überschrift lautet "Dummer Hut". Darunter ist zu lesen: "Wir ficken mit einem Loch im Laken und jagen die primitiven Araber auf die Bäume, wo sie hingehören!" Auf Plakat Nummer drei sind viele Köpfe mit "Hasskappen" zu sehen, drüber steht "Dummer Block". Plakat vier schließlich zeigt ein schwarzes Quadrat, das als "Dummes Quadrat" tituliert wird.

Ausgehend vom letzten Bild bietet sich die Lesart an, dass es sich bei dieser Serie um die Zurückweisung von Klischees handeln könnte: Es fällt schwer, bei einem schwarzen Quadrat nicht an Malewitschs Schwarzes Quadrat zu denken, das nur für den kleinbürgerlichen Verächter moderner Kunst ein "Dummes Quadrat" ist. Für Kunstliebhaber ist es eines der wichtigsten Werke der Moderne überhaupt, emanzipierte sich Malewitsch doch damit radikal von jeder Gegenständlichkeit in der Malerei. Auch verweisen seine Quadrate auf die christliche Ikonenmalerei.

Wenn also das Quadrat nicht "dumm" ist, dann sollten auch die Kaaba, der Hut des Orthodoxen und der schwarze Block nicht per se für dumm gehalten werden. Allerdings sind Quadrate, Hüte, Steine und Menschenmassen bekanntlich für sich genommen weder dumm noch intelligent, sondern erhalten ihre Bedeutung durch die kulturellen Kontexte, in denen sie stehen. Die Serie spielt also vielleicht bewusst mit einem Moment der Verunsicherung des Betrachters. Stutzig macht jedoch der Hinweis in der aktuellen Pressemitteilung der Galerie, bei der Posterserie handele es sich um einen "beißenden satirischen Kommentar gegen Radikalität". Halten Surrend also den schwarzen Block, den orthodoxen Juden, das schwarze Quadrat und die Kaaba als religiöses Monument womöglich wirklich für dumm? Selbst wenn dem so wäre, erwiesen die militanten Bilderstürmer den Künstlern nur den Dienst, zu zeigen, dass ihre Arbeit Sinn hat.

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