: Jubel bei der Potsdamer PDS
■ Für PDS-Chef Bisky waren die Brandenburger mit der Fusion überfordert. "Wir waren besser als die Regierung." Stolpes Rücktritt fordern sie aber nicht
Potsdam (taz) – „Der Vertrag ist durchgefallen“, brachte es PDS- Bundeschef Lothar Bisky kurz nach 18 Uhr auf dem Punkt. Kaum waren im Potsdamer Landtag gestern die ersten Hochrechnungen über den Bildschirm geflimmert, fielen sich die PDS-Politiker in die Arme. Der Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der PDS im Landtag von Brandenburg bemühte sich, den offenen Jubel zu unterdrücken.
Nicht die PDS habe gewonnen, sondern die Menschen in Brandenburg hätten es so entschieden. „Wir waren nur besser als die Regierung“, fügte Bisky mit unübersehbarer Genugtuung hinzu. Es habe sich gezeigt, daß die Fusion zu schnell hätte kommen sollen und die Brandenburger damit überfordert worden seien.
Ursprünglich hatten die Brandenburger Landesregierung und der Berliner Senat eine gemeinsame Fusionsfeier im Berliner Jagdschloß Glienicke geplant, doch der Präsident des Brandenburger Landtages, Herbert Knoblich, hatte darauf bestanden, das Ergebnis der Volksabstimmung auf heimischem Territorium zu verkünden und eine zweite Feier im Potsdamer Landtag, der im Volksmund auch „Kreml“ genannt wird, angesetzt.
Schon lange vor dem gestrigen Tag der Volksabstimmung war klar, daß hier die Gegner der Fusion Sieg oder Niederlage feiern würden, während sich in Berlin die Befürworter tummeln würden. Und während im Jagdschloß Glienicke rund 1.500 geladene Gäste auf die Ergebnisse der Volksabstimmung warteten, hatten die Brandenburger demonstrativ die Tore des Landtages für die Bevölkerung zum „offenen Haus“ erklärt. Mehrere hundert Brandenburger kamen in die Trutzburg der Fusionsgegner und griffen bereits nach der ersten Prognose jubelnd zu ihren Bierkrügen.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vater der Anti- fusionskampagne der PDS, Heinz Vietze, zeigte sich erleichtert und verwies auf die abzusehenden landespolitischen Auswirkungen des Ergebnisses. „Wir haben als einzige Partei die Ängste und Sorgen der Brandenburger ernst genommen.“ Von einer Niederlage der Brandenburger Landesregierung wollte Vietze jedoch nicht sprechen, aber, so fügte er hinzu, es habe sich gezeigt, daß die Landesregierung in dieser wichtigen politischen Frage nicht die Interessen der Mehrheit der Brandenburger vertreten habe.
Die PDS war im Potsdamer Landtag weitgehend unter sich. Nur einige wenige Sozialdemokraten und Christdemokraten hatten als „Stallwache“ im Landtag ausgeharrt. „Wir müssen mit dem Votum leben“, hieß es bei CDU und SPD. Schadenbegrenzung war ein viel benutztes Wort. Berlin und Brandenburg dürften sich jetzt nicht auseinanderdividieren lassen. Und sofort nach 18 Uhr begannen auf den Fluren des Landtages die Spekulationen über mögliche politische Konsequenzen.
In Potsdam wird es für wahrscheinlich gehalten, daß der Chef der Potsdamer Staatskanzlei, Jürgen Linde, seinen Hut nehmen muß. Linde gilt auf Brandenburger Seite als Vater des durchgefallenen Staatsvertrages und war verantwortlich für die schon im Vorfeld der Volksabstimmung heftig kritisierte Brandenburger Werbekampagne. Den Rücktritt von Brandenburgs Ministerpräsiden Manfred Stolpe (SPD) mochte allerdings auch die PDS gestern abend nicht fordern, auch wenn nicht zu übersehen sei, daß die Volksabstimmung ihn beschädigt habe. Christoph Seils
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