Jubel-Event vom Regime-Günstling: Die DDR feiert Deutsche Einheit
Die zentrale Feier zum Tag der Deutschen Einheit lässt sich Bremen von Gerald Ponesky organisieren. Der hat bis zum Untergang der DDR bunte Feste für Erich Honecker und die FDJ organisiert.
BREMEN taz | Die - wie sie so schön heißen - zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 2. und 3. Oktober 2010 in Bremen sollen ein Fest der Freude und der Erinnerung an 20 Jahre Wende werden. Hunderttausende, so sagte es gestern Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen, werden erwartet, eine riesige Sause soll das werden. Wie gut, dass man als Organisator jemanden gewonnen hat, der schon zu DDR-Zeiten für Erich Honecker und die SED-Jugendorganisation FDJ Großveranstaltungen auf die Beine stellte, die die Parteioberen damals als "wirksame Form der massenpolitischen Arbeit" lobten.
Gerald Ponesky heißt der Mann, der als Chef der Veranstaltungsagentur Compact Team für die Gesamtleitung des Festes verantwortlich ist. Und dass er als Regisseur seinen alten Freund Uwe Auerswald mitbringt, lässt nur einen Schluss zu: In Bremen richten zwei Begünstigte des DDR-Regimes ein Fest für Gesamtdeutschland aus. Auerswald hieß früher Uwe Leo und gehörte schon zu DDR-Zeiten zu den engsten Mitstreitern Poneskys. Mit dem Oktoberclub gehörte er einer Sangescombo an, die bei offiziellen Anlässen freudig proletarische Kampfeslieder schmetterte und in den sozialistischen Bruderstaaten als singende Grußbotschaft des Honecker-Staates auftrat.
Es dürfte ein buntes Fest werden, Fahnen werden im Wind knattern, Bahnhofsvorplatz, Markt, die Schlachte entlang der Weser bis in das Entwicklungsgebiet Überseestadt werden eine einzige Feierzone sein. Gestern kündigte der Senat Nena als Topact auf der Hauptbühne im Europahafen an, auf einer Ländermeile werden sich die Bundesländer kulinarisch und kulturell präsentieren, im Mittelpunkt natürlich Bremen und Bremerhaven. Für Böhrnsen ist das Fest "eine großartige Chance sich zu präsentieren".
Gerald Ponesky kennt sich mit Staats-Akten aus: Schon bei der 750 Jahr-Feier von Berlin (Ost) war er Mitglied des Gestaltungskollektivs des Festumzugs vom 4.7.1987.
10 Kilometer lang, dauerte der Umzug fünf Stunden. Es wirkten 41.663 Werktätige, 760 Pferde, 375 Kappellen und 924 Fahrzeuge mit, die sich mit exakt 2,2 Kilometer pro Stunde durch Berlin zu bewegen hatten. Die entsprechende Vorlage fürs ZK der SED erging im März an Erich Honecker, so der Historiker Jens Schöne.
Damit half Ponesky bei der Erfüllung des im "Festlegungsprotokoll der Beratung der Arbeitsgruppe des Oberbürgermeisters 750 Jahre Berlin" formulierten Plans, "vielfältige Möglichkeiten und Formen der Entfaltung sozialistischer kultureller Gemeinschaftserlebnisse" zu präsentieren.
Dass ausgerechnet Ponesky, der gestern nicht zu erreichen war, das Fest organisiert, könnte als feiner Zug gewertet werden. Schließlich gehörte er beim Untergang der DDR zunächst zu den ganz großen Wendeverlierern, war doch mit dem Staat sein Hauptauftraggeber verschwunden.
Sein Verhältnis mit den Mächtigen nahm mit der 750-Jahr-Feier in Ost-Berlin seinen Lauf. Der studierte, ähem, Philosoph der Leipziger Universität und Sohn der DDR-TV-Legende Hans-Georg Ponesky ("Alles singt") half im "Gestalterkollektiv" bei der Erfüllung des im "Festlegungsprotokoll der Beratung der Arbeitsgruppe des Oberbürgermeisters 750 Jahre Berlin" formulierten Plans, "vielfältige Möglichkeiten und Formen der Entfaltung sozialistischer kultureller Gemeinschaftserlebnisse" zu präsentieren.
Im Jahr darauf organisierte Ponesky für einen Auftritt Erich Honeckers in Breslau die fehlende Lautsprecheranlage, worauf ihn die FDJ fürstlich belohnte: 1988 durfte er das Bruce-Springsteen-Konzert in Berlin organisieren, sein, wie er immer noch sagt, "größter Erfolg". Die Wunderwaffe Westkonzert sollte helfen, verlorenes Prestige zurück zu gewinnen. Kein DDR-Jugendlicher sollte mehr auf die Straße gehen, um sehnsüchtig der mit dem Wind aus West-Berlin herübergewehten Musik eines Konzerts von David Bowie zu lauschen.
Ponesky hatte sich so sehr in die Herzen der FDJ-Führung vorgearbeitet, dass die ihm wenig später den Weg in die Marktwirtschaft ebnete. Schnell noch ein letztes Mal ein Jubeltreffen der FDJ über die Bühne gebracht - und dann ging es, wie Ponesky auf der Internetseite seines Unternehmens schreibt, "mit zwei Schreibmaschinen und einem Telefon" im Kapitalismus weiter. Die ganze Vorgeschichte verschweigt er lieber, auch die 300.000 Mark, die ihm die FDJ-Führung als Darlehen mit auf den Weg gab.
Dass einer mit der politischen Biographie Poneskys so locker ankam, verwundert. Er begann unverfänglich mit einem Model-Casting, aber schon bald holte ihn die SPD. Man schätzte seine Ost-Kompetenz, Franz Müntefering nannte ihn zärtlich "Pony", und als er Gerhard Schröders Inthronisierungsparteitag in Leipzig 1998 amerikanisch inszenierte, war das der endgültige Durchbruch in der BRD. Schon viermal hat Ponesky Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit organisiert, gerade stemmt er, wie schon 2006, die Berliner Fanmeile zur Fußball-WM. Geblieben sei über all die Jahre "Leidenschaft und eben diese Ungeduld", schreibt er auf seiner Internetseite. Leidenschaft, egal für wen.
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