■ Das Portrait: Jozef Oleksy
Wenn der 48jährige Jozef Oleksy tatsächlich Polens neuer Regierungschef wird, dann ist erstmals nach der Wende ein früherer hoher kommunistischer Funktionär auf demokratische Weise zum Premierminister gewählt worden. Oleksy war noch kurz vor der Bildung der ersten nichtkommunistischen Regierung Minister für Gewerkschaftskontakte.
Seinem Humor, der auch vor Selbstironie nicht haltmacht, verdankt es Oleksy, daß er in kurzer Zeit als Parlamentspräsident von den meisten Abgeordneten auch der Opposition respektiert wurde. Es ist schwer, den dicken, glatzköpfigen Wirtschaftswissenschaftler aus der Ruhe zu bringen.
Bei seinen eigenen Leuten galt er seiner parteiübergreifenden Beliebtheit wegen bereits als aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen. Vor allem dem gegenwärtigen Präsidenten Lech Walesa waren Oleksys vermutete Ambitionen auf seinen Posten ein Pfahl im Fleische. Als Regierungschef würde Oleksy kaum für dieses Amt kandidieren können – ein Grund mehr, warum Walesa seine Kandidatur zum Premier akzeptieren könnte.
Innerhalb seiner Partei gilt Oleksy als Liberaler, dem man auch heimliche Sympathien für eine Koalition mit der oppositionellen Freiheitsunion nachsagt. Zugleich ist er aber auch für viele Abgeordnete der Bauernpartei Pawlaks annehmbarer als Aleksander Kwasniewski, der den Regierungschef mit Drohungen, die Koalition zu verlassen, in den letzten Tagen an die Wand gedrückt hat.
Polens neuer Premierminister? Foto: AP
Jozef Oleksy stammt aus Nowy Sacz, einer Provinzstadt, die in den Vorbergen der Tatra liegt. Er wohnt aber schon seit geraumer Zeit in Warschau, wo er im Parteiapparat Karriere machte. Sein politischer Aufstieg begann allerdings erst in der Nachfolgepartei der Kommunisten, „Sozialdemokratie der Republik Polen“, deren Vizefraktionschef im Parlament er wurde. Inzwischen gehört er zur engeren Parteiführung. Nimmt man ernst, was er als seine Freizeitbeschäftigung angibt, so muß der Vater zweier halbwüchsiger Kinder für einen Politiker geradezu beängstigende Vorlieben hegen: Neben Belletristik und Spazierengehen gehören dazu auch Parapsychologie, Kosmologie, Futuristik und ein Hobby, das er selbst als „vergleichende Analyse gesellschaftlich-politischer Prozesse in Zeit und Raum in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit“ beschreibt. Klaus Bachmann
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