Journalisten in Parteien: Sag's besser keinem
Journalisten sollten nicht Mitglied in einer Partei sein, das mache sie angreifbar. Da sind sich viele Kollegen einig. Aber warum eigentlich? Ein Bekenntnis.
Diesen Text sollte ich besser nicht schreiben. Er wird mir Wege verbauen und Dinge unmöglich machen. Er wird mir vielleicht Diskussionen einbringen. Er wird Kritikern Argumente geben, früher oder später. Auf der einen Seite. Andererseits ist es so, dass mir dieser Text guttun wird, weil er ein Bekenntnis ist. Und Bekenntnisse, sind sie ehrlich gemeint, tun immer gut.
Das klingt nun pathetisch, nach „Hier steh ich nun und kann nicht anders“. Und wahrscheinlich riecht dieser Text auch nach Selbstbespiegelung. Soll er aber gar nicht. Mir wäre lieber, das Thema wäre keins. Deshalb schreibe ich darüber.
Es gibt Kollegen, viele Kollegen, eigentlich fast alle, mit denen ich bisher darüber gesprochen habe, in der taz und außerhalb, die ein Problem mit etwas haben, das ich als unproblematisch empfinde. Das war nicht immer so. In den Siebzigern zum Beispiel, höre ich. Wolf von Lojewski, ehemals Leiter des ZDF-„heute-journals“, bekennt sich bis heute zu seiner Mitgliedschaft. Er ist trotzdem ein herausragender Journalist.
Diesen und viele weitere spannende Texte lesen Sie in der 10.000sten Sonderausgabe der taz. Dienstag, 8 Januar 2012, am Kiosk oder eKiosk. In der Ausgabe schreiben ehemalige und jetzige taz-RedakteurInnen, was sie schon immer einmal schreiben wollten.
Es geht also um eine Mitgliedschaft, um eine Mitgliedschaft in einer Partei. Bisher habe ich sie, seitdem ich mein Geld als Journalist verdiene, teilweise verheimlicht, manchmal halbherzig, oft glühend verteidigt, einmal wollte ich sie beenden, aber das ist kompliziert. Mein Herz hängt daran und ich müsste Formulare ausfüllen. Wenn es um diese Mitgliedschaft geht, dann sagen Kollegen wie aus der Lehrbuchpistole geschossen: „Das geht nicht. Das dürfen Journalisten nicht.“ Warum eigentlich nicht?
Ich bin Mitglied
Ein Kollege sagte, ich solle besser niemandem davon erzählen, seine Stimme wurde leise dabei. Eine andere Kollegin, sie war selbst mal Parteimitglied, wandte ein, dass sie mich zwar gut verstehe, aber diese Mitgliedschaft nicht von Vorteil sei. Die Zeiten seien eben andere. Es wird guttun, diesen Satz zu schreiben, und es ist auch etwas Trotz dabei: Ich bin Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Vor fünf Jahren, ich studierte Politik in Freiburg, der SPD ging es so na ja, kam eines Nachmittags Jörn in unsere WG, ein stämmiger Norddeutscher mit Wikingerbart. Er legte einen roten Ordner auf den Tisch und ein Büchlein mit eingeprägten Initialen. „Willkommen“, sagte Jörn. Das war mein letztes Date mit der Partei.
Felix Dachsel, 25, ist sonntaz-Redakteur und kam 2011 zur taz. Sein Nebensitzer in der Journalistenschule war ebenfalls in der SPD.
Ich weiß nicht, ob ich Mitgliedsbeiträge zahle. Ich habe mein Parteibuch verloren. Ich glaube es, liegt bei meinen Eltern. Ich war noch nie auf einer Veranstaltung der Partei, noch nie in einem Gebäude der Partei, und wenn ich durch Kreuzberg wandere und das Willy-Brandt-Haus sehe, dann bekomme ich Angst. Im Vorwärts, der Parteizeitung, las ich eine Bildunterschrift, die mich erschaudern ließ, sie erinnerte mich an Nordkorea. Sie ging ungefähr so: Alle Delegierten jubelten frenetisch für Frank-Walter Steinmeier.
Trotzdem: Ich bin stolz, Sozialdemokrat zu sein. Mein Bekenntnis lautet: Ich glaube, wir brauchen Parteien. Ich glaube, es gibt rechts und links. Es gibt Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und solange es die gibt, wird es einen Konflikt zwischen ihnen geben, egal wie freundlich und kumpelhaft der Arbeitgeber tut. Ich glaube, wir brauchen starke Gewerkschaften.
Grüne und Piraten, nein Danke!
Ich glaube, wir brauchen mehr Streik, mehr mutige Betriebsräte, mehr Aufstand der Belegschaften. Ich glaube, die soziale Marktwirtschaft ist eine Illusion – aber solange es sie gibt, sollten wir das Soziale einfordern, so gut es geht. Ich glaube nicht an die Grünen, weil ich Leute kennengelernt habe, die sich als grün bezeichnen und gleichzeitig vom Ende des ideologischen Zeitalters faseln. Geht doch zu McKinsey!
Ich glaube nicht an die Piraten, weil ich nicht weiß, für wen sie sich einsetzen. Ich glaube, die Piraten sind mehr eine Warnung als eine Partei: Seht her, das kommt raus, wenn ihr euren Kinder zu lange erzählt, es gibt nicht mehr rechts und links, sondern nur noch falsche und richtige Lösungen – Stimmt ab! Jetzt! Im Internet! Ich glaube, die Linkspartei ist okay – aber ich habe schon eine Partei.
Das war das Bekenntnis. Und jetzt kommen die Probleme. Mein Großvater ist Pfarrer. Wenn er Menschen mit seinem Glauben tröstete, dann gab es jene, die mit einem Satz antworteten, der meinen Großvater so wütend machte, dass er sich noch heute an ihn erinnert – und dabei wütend wird: „Sie müssen das sagen, sie sind ja Pfarrer.“
Wenn ich in Zukunft einen Text schreibe, dem man nachweisen kann, dass er der SPD hilft, was auch immer das heißen mag, dann werden Kollegen vielleicht sagen: „Du musst das schreiben, du bist ja in der Partei.“ Mein Großvater sagte dann: „Ich muss gar nichts. Ich sage das, weil ich daran glaube.“ Ich werde sagen: „Ich muss gar nichts. Ich schreibe das, weil ich daran glaube.“
Es war Überzeugung!
Vor kurzem habe ich in einem Kommentar Peer Steinbrück verteidigt. Es hätte bessere Kanzlerkandidaten gegeben. Es hätte vor allem bessere Wege gegeben, einen Kandidaten auszuwählen. Aber ich mag seine anarchische Ader, Dinge auszusprechen, von denen er überzeugt ist. Ich glaube, das tut der Demokratie gut. Ich habe Steinbrück nicht aus Parteiräson verteidigt – warum sollte ich mich der auch verpflichtet fühlen? –, sondern aus Überzeugung.
Ich würde auch Angela Merkel verteidigen, wenn sie einmal etwas Markantes, Unpopuläres sagt, von dem sie überzeugt ist – und für diese Ehrlichkeit in die Kritik geriete. Das wäre ihr wohl reichlich egal, für mich aber wichtig.
Meine Mitgliedschaft hält mich nicht davon ab, die SPD zu kritisieren. Im Gegenteil. Man kann eine Partei noch leidenschaftlicher, noch lauter, noch kratzender attackieren, wenn man sie mag. Weil man enttäuscht ist. Und es gibt Anlässe: Die Agenda 2010 (hat sich nur teilweise erledigt), Wolfgang Clement (hat sich erledigt), Thilo Sarrazin (wird sich hoffentlich noch erledigen).
Einmal hatte ich einen Streit mit der SPD-Pressestelle im Bundestag. Ein prominentes Mitglied der Fraktion wollte der taz nichts zu der Frage sagen, ob Asylbewerber nicht mindestens Hartz IV bekommen sollten. Es ging um ein sehr knappes Statement. Doch der Abgeordnete mochte sich nicht äußern. Er sagte ab – aus Termingründen, wie es hieß. Währenddessen twitterte er intensiv, dafür hatte er Zeit.
Den heftigsten Streit mit der Familie
Ich stritt mich mit der Pressestelle, vielleicht war ich etwas zu emotional, vielleicht auch etwas zu selbstgerecht, vielleicht etwas naiv, es ging hin und her, schließlich dokumentierten wir die Auseinandersetzung auf dem Hausblog der taz. Hätte ein prominentes Mitglied der CDU-Bundestagsfraktion abgesagt, ich wäre cooler damit umgegangen. Den heftigsten Streit hat man eben in der eigenen Familie.
Nun kann man einwenden, dass einem Journalisten als Parteimitglied die professionelle Distanz fehlt, die Objektivität, dass ein Chirurg auch nicht die eigene Mutter operieren sollte. Aber es gibt eben einen Unterschied zwischen Chirurgen und Journalisten. Chirurgen sollten bei der Arbeit möglichst cool bleiben. Journalisten hingegen nicht. Sie dürfen sich durchaus mal aufregen – und sich auch bekennen. Sie müssen. Wenn sie das nicht können, dann sollten sie ihren Beruf wechseln.
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