Journalist über Kritik am WWF: „Das ist Etikettenschwindel“
Der Bremer Journalist Wilfried Huismann hat sich im Streit mit der Umweltorganisation WWF über sein „Schwarzbuch WWF“ geeinigt. Teile seiner Kritik hält er aufrecht.
taz: Herr Huismann, auf dem Bremer Marktplatz warb gestern die Umweltorganisation WWF um Spenden. Trauen Sie sich da überhaupt noch vorbei?
Wilfried Huismann: Ja, natürlich. Die Leute, die da ihr Geld verdienen, sind ja meist nicht mal Mitglied des WWF, sondern versuchen, Produkte zu verkaufen und ein Honorar zu bekommen.
Sie sind keine Persona non grata beim WWF?
Nein, ich kenne auch aktive und auch hauptamtliche WWFler, mit denen ich im Gespräch bin. Die machen eine sehr engagierte Arbeit, und ein Teil von denen ist auch meiner Meinung, was die Kritik an der WWF-Führung betrifft und ihre Nähe zu und Abhängigkeit von Großunternehmen, die selbst die Natur zerstören und indigene Völker vertreiben.
Wegen solcher Aussagen in Ihrem „Schwarzbuch WWF“ kam es zum Rechtsstreit mit dem WWF. Am Mittwoch einigten Sie sich. Der WWF ist zufrieden. Sind Sie eingeknickt?
Nein. Bei einem Vergleich ist es immer so, dass beide zufrieden sind. Für mich als Autor war wichtig, dass an der inhaltlichen Kritik am WWF nichts verloren geht. Wenn das möglich gewesen wäre, dann hätte der WWF auch ein gerichtliches Verbot einzelner Aussagen durchsetzen können.
Zumindest müssen Sie 21 Passagen ändern.
Für den WWF war es etwa wichtig, dass ich nicht nur schreibe, dass er mit dem Wilmar-Konzern, der der größte Regenwald-Vernichter Indonesiens ist, kooperiert. Stattdessen steht jetzt drin, dass er einen Beratervertrag hatte mit diesem Unternehmen, von 2007 bis 2009. Und es ist für mich kein Problem, so eine Formulierung dann zu konkretisieren. Gleichzeitig steht weiterhin in dem Buch, dass der WWF generell mit der ganzen Branche der Palmöl-Industrie kooperiert, die von Natur aus den Regenwald beseitigt, weil die Palmen ja irgendwo wachsen müssen – und mit vielen Unternehmen auch, auf der Basis von honorierten Beraterverträgen.
61, ist Investigativ-Journalist, Autor und Dokumentarfilmer und dreifacher Trager des Grimme-Preises. Er war früher Entwicklungshelfer und lebt heute in Bremen.
Und Sie müssen die Sicht des WWF hinzufügen …
Nicht generell. Nur da wo der WWF versucht hat, vorher mit einstweiligen Verfügungen ein Verbot von Aussagen herbeizuführen. Der WWF hat ja nicht mal den Versuch unternommen, gegen meine These anzugehen, dass er an der Vertreibung von indigenen Völkern beteiligt ist. Oder, dass die Naturschutzgebiete, die mit Hilfe des WWF in Afrika entstehen, gleichzeitig auch Jagdreviere für Großwildjäger aus dem Westen sind, die viel Geld haben und da rumballern. So wie König Juan Carlos von Spanien.
Immerhin ist der seit ein paar Tagen nicht mehr Ehrenpräsident des spanischen WWF, seit er sich vor einem toten Elefanten hat fotografieren lassen …
… den armen alten König, den haben sie als Bauernopfer geopfert, aber er ist beileibe nicht der Einzige: Es sind riesige Schutzgebiete, die eingerichtet werden, zum Teil auch mit deutschen Entwicklungshilfe-Geldern. Entwicklungsminister Niebel hat ein sehr enges Verhältnis zum WWF und fördert etwa diesen transnationalen KAZA-Park im südlichen Afrika, der als das größte Elefanten-Schutzgebiet der Welt gilt. Aber: Es ist auch eines der größten Elefanten-Jagdgebiete und Löwen-Jagdgebiete. Leoparden kann man da auch jagen, sogar mit Hetzjagden mit Hunden. Das alles verschweigt der WWF den armen Spendern, die ihren letzten Groschen für ihn ausgeben, in dem Irrglauben, damit würden die letzten Elefanten gerettet. Mir geht es um diese Unehrlichkeit in der ganzen PR des WWF.
Sind denn Kompromisse, wie sie der WWF eingeht, immer schlecht?
Das kann ich nicht erschöpfend beurteilen. Die Fälle, die ich untersucht habe, sind kein Kompromiss zwischen Naturschutz und Industrie-Interessen. Das sind alles runde Tische, wo die Industrie ihre Interessen zu ganz großen Teilen durchgesetzt hat und wo der WWF nichts anderes ist als das grüne Feigenblatt. Es mag Ausnahmen geben, aber die großen internationalen runden Tische, mit denen angeblich nachhaltige Produktionen durchgesetzt werden, das ist Etikettenschwindel.
Sie polemisieren und übertreiben doch! Um es mit den Worten des WWF zu sagen …
Sagen Sie mir doch mal ein Beispiel, wo ich übertreibe. Der WWF hat früher, wie andere Naturschutzorganisationen, Widerstand geleistet. Damit ist in den 90er Jahren in Frankreich an der Loire verhindert worden, dass da riesige Wasserkraftwerke und Staudämme gebaut werden, die die Loire als Naturfluss zerstört hätten. Und heute? Seit einem Jahr hat der WWF mit der Industrie, die Staudämme baut, ein Abkommen geschlossen über Nachhaltigkeit – beim Bau von Staudämmen, das muss man sich mal vorstellen! Mit diesem neuen Konzept können jetzt unter dem Label „nachhaltig“ allein am Amazonas 80 neue Riesen-Staudämme gebaut werden, wo Hunderttausende von Indios verjagt werden. Wo die Wälder eingeschlagen werden für die Trassen. Das ist die Zerstörung des Regenwaldes von innen her! Dafür kann sich eine Naturschutzorganisation meiner Ansicht nach nicht hergeben.
Wäre es nicht ohne den WWF am Tisch noch schlimmer?
In Indonesien zeigen Umweltschützer, dass es Möglichkeiten gibt, Widerstand zu leisten. Viele Dörfer, viele Kleinbauern kämpfen gegen ihre Enteignung, gegen die Palmöl-Konzerne. Mittlerweile gibt es erste Gerichtsurteile in Indonesien, die den enteigneten Kleinbauern das Land wieder zurückgeben, was Konzerne wie Cargill oder Wilmar bekommen haben – also die Bündnispartner des WWF. Für die Leute in Indonesien steht der WWF auf der anderen Seite der Barrikade. Im Grunde geht durch die Mitarbeit des WWF die Zerstörung dieser Wälder noch viel schneller, unauffälliger und gesellschaftlich akzeptierter vor sich.
Sie reden weiterhin sehr scharf. Müssen wir jetzt nicht aufpassen, dass wir uns hier um Kopf und Kragen reden?
Sie ja nicht.
Ich bin für die Weiterverbreitung auch haftbar!
Es steht ja auch alles gut belegt im Buch drin, vor und nach den Änderungen.
Nicht, dass nachher Thalia und andere Buchhandlung die taz aus dem Sortiment nehmen!
Das ist mir egal. Dann kriegt die taz bremen auch mehr Publizität.
Gibt es denn Ihr Buch bei Thalia wieder?
Weil es ja in der Spiegel-Bestseller-Liste ist, hat Thalia es auch mit aufgestellt. Aber wochenlang ist es dem WWF gelungen, das Buch vom Markt fernzuhalten, obwohl es kein Urteil und gar nichts gab. Nur mit Drohungen gegen den Buchhandel haben die es eine Weile geschafft.
Welcher Umweltorganisation würden Sie denn ein Unbedenklichkeits-Siegel geben?
Grundsätzlich bin ich sehr skeptisch bei diesen globalen Umweltkonzernen, das sind ja selber Globalisierungs-Ergebnisse. Der WWF hat 5.000 Mitglieder zu ernähren, hauptamtliche. Einige davon verdienen über 500.000 Dollar im Jahr. Allein diesen Apparat zu unterhalten, das produziert soviel Unsinn. Die Arbeit kleinerer Gruppen ist normalerweise sehr viel effizienter.
Ich habe zum Beispiel durch meine Reise durch Indonesien gesehen, dass eine solche kleine Gruppe wie „Rettet den Regenwald“ aus Hamburg, mit nur drei oder vier Hauptamtlichen, durch gezielte Unterstützung von indonesischen Aktivisten sehr viel erreicht. Etwa Anwälte bezahlt, die enteignete Bauern unterstützten. Das ist für die politische Auseinandersetzung viel wichtiger, als wenn der WWF mit Riesen-Trara und Krombacher-Unterstützung in irgendeinem Nationalpark ein paar Hektar renaturiert.
Welche Organisation nehmen Sie als nächstes ins Visier?
Keine. Als Nächstes schreibe ich ein Drehbuch für einen Tatort, ich muss mich mal entspannen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland