Journalist in Russland verhaftet: Unter Hausarrest
Dem russischen Reporter Iwan Golunow drohen viele Jahre Haft wegen Drogenhandels. Beobachter befürchten, dass Beweise manipuliert wurden.
Der 36-Jährige war am 6. Juni im Zentrum Moskaus festgenommen worden. Bei einer anschließenden Hausdurchsuchung wurden nach Angaben der Polizei Drogen in seiner Wohnung gefunden. Golunow vermutete während einer gerichtlichen Anhörung zu seinem Arrest, die Einleitung des Verfahrens könnte mit seinen Recherchen über Korruption im Bestattungswesen zusammenhängen.
Seit Samstag steht Golunow in Moskau nun unter Hausarrest. Er darf seine Wohnung zwei Monate lang nicht verlassen. Sein psychischer Zustand sei sehr ernst, sagt Anwalt Dschulai. „Iwan ist sehr verwirrt, erschrocken und vertraut niemandem.“ Es werde ihm nicht gestattet mit jemand anderem als den Ermittlern, seinen Anwälten und Repräsentanten des Föderalen Strafvollzugsdienstes zu sprechen.
Dschulai bekräftigte, dass weder in den Proben der Nägel, noch in denen der Haare von Golunow Drogenspuren nachgewiesen werden konnten. „Die Ergebnisse der Untersuchung sind negativ. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum die Polizei diese Untersuchung nicht durchführen wollte, da sie die Unschuld von Iwan beweist“, meint der Anwalt.
Hausarrest statt Untersuchungshaft
Seine Kollegin Olga Dinse sagte der taz am Montag, die Staatsanwaltschaft wolle Golunow am Dienstag erneut verhören. Zudem wolle die Justiz Golunow psychiatrisch untersuchen lassen. Dinse will dagegen Widerspruch einlegen. „Die Ermittler hatten bisher keine Beweise, dass er an psychischen Erkrankungen leiden könnte.“ Auch legten die beiden Anwälte beim Verfassungsgericht in Moskau Beschwerde ein, weil der Journalist in Gewahrsam misshandelt worden sei.
Das Gericht des Moskauer Bezirks Nikulinskij hatte am Samstag entschieden, dass Golunow unter Hausarrest gestellt wird. Zwei Tage zuvor hatte die Polizei ihn in Gewahrsam genommen. Auf Videos ist zu sehen, wie Golunow die Verhandlung aus einem Käfig im Gerichtssaal heraus verfolgt. Er war den Tränen nahe, als er sich bei den versammelten FreundInnen und KollegInnen bedankte. Nach dem Richterspruch jubelten Hunderte UnterstützerInnen vor dem Gerichtsgebäude – sie hatten befürchtet, dass Golunow Untersuchungshaft bekommen würde statt Hausarrest.
Dmitri Dschulai, Anwalt
Das Verfahren gegen Golunow stieß international auf Kritik, unter anderem gab es in den USA, China und Deutschland Protestaktionen. Vor der russischen Botschaft in Berlin versammelten sich am Samstag nach Angaben des Veranstalters Ali Ferus bis zu 80 Menschen. Sie trugen Plakate mit Slogans wie „#FreeGolunov“, „Hände weg von Iwan“ und „Journalismus ist kein Verbrechen“. Ferus ist ein usbekisch-russischer Journalist, der 2017 selbst ein halbes Jahr in Moskau in Abschiebehaft saß. „Wir müssen Wanja (Golunow, Anm. d. Red.) spüren lassen, dass er nicht allein ist“, sagte Ferus.
Für die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen sieht „alles nach erfundenen Vorwürfen aus“, um den kritischen Enthüller mundtot zu machen, sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Der Generalsekretär des Europarats Thorbjörn Jagland forderte, Vorwürfe, dass Beweise manipuliert worden seien, müssten aufgeklärt werden.
Eine Online-Petition auf Change.org für die Freilassung des Reporters hatte bis Montag Nachmittag mehr als 150.000 Unterzeichner. Außerdem protestierten die drei russischen Tageszeitungen Wedomosti, Kommersant und RBK zum Wochenstart auf ihren Titelseiten mit der identischen Überschrift „Ich bin/Wir sind Iwan Golunow“ gegen die Festnahme des Enthüllers.
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