Journalist Wallraff über Islam in Deutschland: "Ich wünsche mir keine Pappmoschee"
Günter Wallraff fordert von Muslimen eine kritische Auseinandersetzung mit ihrem Glauben. Ein Gespräch über Koranschulen und seine Idee, mit Salman Rushdie als Mullah verkleidet in den Iran zu reisen.
taz: Herr Wallraff, Sie nehmen am Wochenende an der "Kritischen Islamkonferenz" teil. Warum?
Günter Wallraff: Weil ich eingeladen wurde, weil ich eine eigene Meinung und eine eigene Position vertrete. Ich finde es notwendig, dass sich Muslime, die hier leben, kritisch mit ihrem Glauben auseinandersetzen. Denn vieles spielt sichin einem falschen Toleranzrahmen ab, vieles wird beschönigt. Trotzdem teile ich nicht die Meinung aller Diskussionsteilnehmer, die sich am Wochenende treffen werden.
Zum Beispiel?
Ralph Giordano ist gegen den Moscheebau in Köln. Dass sehe ich anders, denn wir haben ein Grundrecht auf Religionsfreiheit. Außerdem treffen sich die Muslime momentan in einem maroden Bau. Ich wünsche mir keine Pappmoschee, sondern eine touristische Attraktion.
Die "Kritische Islamkonferenz" findet unter dem Motto "Aufklären statt verschleiern" statt. Worüber werden Sie denn aufklären?
Wir möchten für die zunehmenden Islamisierungstendenzen sensibilisieren. Schon in Koranschulen werden bekanntlich Kinder indoktriniert, Mädchen und Andersgläubige als minderwertig abqualifiziert.
Sie übertreiben!
Im Gegenteil, ich lege mir gerade sogar eine große Zurückhaltung auf.
Was man von den Gründerinnen des "Zentralrats der Exmuslime" nicht unbedingt behaupten kann. Diese sind bekannt für ihre harten Töne.
Die Frauen, die in diesem Rat sitzen, haben alles Recht der Welt, zu polarisieren. Sie müssen es sogar, denn sie haben Grausames erlebt. Sie müssen konkret und deutlich, und wenn sie kein Gehör finden, auch laut werden dürfen. Denn viele Linksintellektuelle führen einen Pseudodialog über den Kopf der Leidtragenden hinweg.
Wenn Sie aufklären möchten, schleichen Sie sich doch als Imam getarnt in eine Moschee. Dann können Sie vielleicht harte Fakten vorweisen?
Das habe ich meinem Freund, dem Schriftsteller Salman Rushdie, vorgeschlagen. Mit ihm gemeinsam, als Mullahs verkleidet, undercover im Iran. Aber das war nicht sein Ding - jetzt bringen Sie mich allerdings auf eine neue Idee.
Welche?
Lassen Sie sich überraschen.
Der Journalist Hajo Friedrichs sagte einst: "Ein guter Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten". Sind Sie ein schlechter Journalist?
Hajo Friedrichs hat sich verdienterweise selbst nicht an dieses Motto gehalten. Als Sportjournalist 1978 hat er über die Fußballweltmeisterschaft in der argentinischen Militärdiktatur berichtet und sich für zigtausende politische Gefangene eingesetzt, woraufhin die Bild-Zeitung eine Kampagne gegen ihn startete und ihn als "politischen Agitator" beschimpfte. Ich bewege mich auf der Nahtstelle zwischen Journalismus und Dokumentarliteratur. Ich bin manchmal auch Fabrikarbeiter, Verbraucherschützer und Menschenrechtler. Ich bin vieles.
INTERVIEW: CIGDEM AKYOL
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