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Jospin schweigt

Der Premierminister hat bis heute keine Analyse des Scheiterns der Linken vorgelegt. Stattdessen empfahl er seinen Ministern, nicht zur Maidemonstration zu gehen. Und auch die Kommunisten sind verstummt

PARIS taz ■ Eineinhalb Wochen nach dem ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen herrscht bei den Hauptverlierern, der Spitze der französischen Linken, völlige Funkstille. Während hunderttausende von Jugendlichen, von denen die meisten keinerlei politische Erfahrung und viele auch noch kein Wahlrecht haben, auf den Straßen gegen den Rechtsextremismus demonstrieren, hat nur ein Mitglied der rot-rosa-grünen Regierung ein paar klare Worte zur Beschreibung der Lage gefunden. Erziehungsminister Jack Lang erklärte: „Unser Haus steht in Flammen. Wir müssen jetzt erst einmal löschen.“

Premierminister Lionel Jospin, der sich bis zum 21. April für fähig hielt, in den nächsten fünf Jahren den obersten Posten Frankreichs zu besetzen, kündigte wenige Stunden nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses an, er werde sich aus der Politik zurückziehen. Eine Analyse seines Scheiterns, eine Analyse des rechtsextremen Erfolges und eventuelle politische Perspektiven für seine politischen Freunde hat er nicht einmal versucht. Seine einzige Stellungnahme danach war die Aufforderung an seine Minister, nicht an der 1.-Mai-Demonstration teilzunehmen.

Bis Jospin die Franzosen aufforderte, im zweiten Wahlgang „Le Pen zu stoppen“, ließ er fünf lange Tage verstreichen. Dutzende von Freunden aus der Sozialistischen Partei, aber auch Politiker aus anderen demokratischen Parteien flehten ihn öffentlich an, Stellung zu nehmen. Als die Erklärung endlich kam, blieb sie zögerlich und unvollständig. Jospin hat es nicht über sich gebracht, eine Wahlempfehlung für seinen Gegenspieler Chirac auszusprechen.

Jospins Minister packen in diesen Tagen bereits ihre Kisten. Im Juni finden Parlamentsneuwahlen statt. Spätestens dann endet ihre Amtszeit. Für den Chef ihrer fünf Jahre währenden rot-rosa-grünen Koalition haben sie öffentlich nur Worte des Lobes und der Sympathie. Erklärungen für die Wahlniederlage, die er erlitten hat, fallen ihnen nicht ein. Die Sozialministerin Guigou nennt sie „unverdient“. In den Demonstrationen auf der Straße hingegen nennen manche das Abtauchen von Jospin „feige“.

Auch andere Chefs der französischen Regierungslinken lassen sich seit dem ersten Wahlgang kaum noch vernehmen. Der Kommunist Robert Hue hat mit 3,37 Prozent das schlechteste Ergebnis der Parteigeschichte eingeholt. Am Wahlabend war er der erste Kandidat, der sein Scheitern eingestand. Seither treffen überall im Land Kommunisten zu Krisensitzungen zusammen. Aber von ihrer Parteispitze haben sie bislang wenig Analytisches und schon gar nichts Zukunftsweisendes gehört. DORA

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