Jonathan Meese predigt in der Universität: "Alle Ich-Mönche sollen sich verpissen"
Hakenkreuz-Lollys, Adolf Hitler, Scarlett Johanssons Mund, Kapitän Ahab und die totale Mobilmachung der Kunst.
Jonathan Meese hält einen Vortrag an der Universität der Künste in Berlin. Meese hasst Kunstakademien, fordert ihre sofortige Schließung und bezeichnet Professoren und Studenten gerne als ein riesengroßes Stück angepasster Scheiße. Egal. Er ist gekommen. Es ist Donnerstag Abend. Die alte Aula ist brechend voll. Meese steht auf der Bühne, ganz in Schwarz, greift sich das Mikrofon und beginnt zu brüllen.
"Stramm stehen, niemals niederknien. Die Zukunft anschauen. Die Führungsbefehle der Kunst befolgen. Der Kunst dienen. Totalster Gehorsam gegenüber der Kunst. Du musst marschieren. Alle Ich-Mönche sollen sich verpissen."
Meese schreit wie einst Adolf Hitler. Er ist davon überzeugt, dass er Hitler in seiner Radikalität übertrumpfen muss. Er will Hitler mit seinen eigenen Waffen schlagen. Er macht den Hitlergruß. Sein Geschrei durchdringt die Körper der Anwesenden.
"Der durchdemokratisierte Mensch ist Dreck, alle sind gleich, vollkommen identisch. Dressierte Wesen. Wir leben in der größten Gehirnwaschanlage aller Zeiten. Überall nur ichverseuchte und ichverpestete Menschen. Stramm stehen, niemals niederknien. Spielt das totale Spiel. Selbstfindung ist verboten. Pilger sind die größten Ärsche. Kriecht niemanden in den Arsch, vor allem nicht euch selbst. Ihr Schweine, ihr Arschlöcher, ihr Hämorrhoiden am Arsch des Staates."
Hitler, Goebbels, Stalin, die RAF und Osama bin Laden schreien in ihm. Es schreit in ihm. Er schreit. Er fordert den totalen Krieg gegen den kleinen Faschisten in uns, fordert die totale Mobilmachung gegen die Mittelmäßigkeit unseres modernen Lebens. Keine Religion, keine Nation und keine hirnverbrannte Demokratie. Er will die Diktatur der Kunst.
"Führt den totalen Krieg gegen euer Ich. Scheißt eure mickrigen Ichs raus. Alle zu Tode narkotisiert, alle ichversaut. Eine Rasse von Niederknieren. Nichts ist von der BRD und DDR übrig geblieben, nicht mal eine schöne Uniform. Unmenschliche Demokratie. Miese Realitätsfanatiker. Kein Ich, scheißt es jeden Morgen raus. Wäre Captain Ahab 1968 an Bord gewesen, hätte er sie alle schrubben lassen, diese 68er-Kackvögel. Alle Selbstverwirklicher werden sich im Konzentrationslager des Ichs wiederfinden."
Das Anti-Sarrazin-Programm. Nicht Deutschland schafft sich ab, sondern jeder schafft sich selbst ab, um der Kunst des Lebens zu dienen. Meeses Rassentheorie: Es gibt 99 Prozent Niederknieer und 1 Prozent Strammsteher. Alle sollen stramm stehen. Die Machtergreifung der Kunst, gegen die tödliche Langeweile der Demokratie. Keine Kompromisse, niemand darf vor irgendetwas niederknien. Die Kunst muss an die Macht kommen, damit sie sich selbst abschaffen kann.
"Gebt euren Kindern Hakenkreuz-Lollys, damit sie diese weglutschen können. Es gibt die Diktatur von Scarlett Johanssons Mund. Es gibt die Diktatur der Liebe. Es gibt die Diktatur der Natur. Es gibt die Diktatur der Kunst. Ihr scheiß Ich-Rassisten, ihr scheiß Pilger, die euch von so einem scheiß tibetanischen Mönch durchficken lasst."
Meeses Wut und Empörung tut gut, wirkt befreiend. Endlich mal einer, der schreit. Kein Zynismus, keine Alternativlosigkeit, dafür der Wunsch nach Radikalität und Veränderung. Nach knapp zwei Stunden hat sich Meese ausgeschrieen. Lauter Beifall. Einer der Kunsstudenten fragt, ob sein Erfolg denn nicht alle Radikalität vernichte. Er sei doch nur ein Produkt der Kunstszene, der jetzt einen dicken Mercedes Benz fährt. Meeses Antwort: "Du kleines mickriges Arschloch. Den Mercedes fahre ich doch nur, um solche scheiß Niederknieer wie dich zu provozieren."
Am Ende lächelt Meese wie ein kleiner Lausbube, der etwas Verbotenes getan hat. Er salutiert vor seinem Publikum, macht den Hitler-Gruß und fordert zum Abschluss nochmals brüllend den totalsten Gehorsam gegenüber der Diktatur der Kunst.
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