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Jom-Kippur-Fest und GazaIsrael macht Pause

Der höchste jüdische Feiertag, das Jom-Kippur-Fest, beginnt Freitag. Dafür macht Israel den Gazastreifen dicht. Die Kritik aus dem Ausland läuft dafür unaufhörlich weiter.

Festtagsritual Taschlich: Orthodoxe Juden in Tel Aviv am Donnerstag, nachdem sie ihre Taschen geleert haben. Bild: reuters

TEL AVIV/BRÜSSEL dpa/afp | Wegen des anstehenden Jom-Kippur-Festes, dem höchsten jüdischen Feiertag, hat Israel das Westjordanland in der Nacht zum Freitag abgeriegelt. Auf Befehl des Verteidigungsministers Mosche Jaalon dürften Palästinenser bis Samstagnacht nur bei besonderen humanitären Notlagen nach Israel einreisen, berichtete die Zeitung Haaretz am Freitag.

In Jerusalem seien wegen Sicherheitsbedenken vier Mal so viele Polizisten im Einsatz wie gewöhnlich an Jom Kippur, schrieb Haaretz weiter. In den vergangenen Wochen war es dort zu Krawallen gekommen. Auch fällt Jom Kippur in diesem Jahr mit dem muslimischen Opferfest zusammen. Auf dem Tempelberg werden besonders viele Gläubige erwartet.

Nach dem jüdischen Kalender beginnt Jom Kippur in diesem Jahr am Freitagabend und endet am Samstagabend. An diesem Tag verzichten gläubige Juden auf Nahrung, Wasser und Körperpflege und erhoffen sich eine Vergebung ihrer Sünden.

Bereits am Freitag wird wegen des Feiertages schrittweise der öffentliche Verkehr eingestellt. Fernsehen und Radio stoppen an Jom Kippur ihre Berichterstattung. Nur im Fall einer Bedrohung wird gesendet. Vor 41 Jahren war Israel an Jom Kippur von Angriffen ägyptischer und syrischer Streitkräfte überrascht worden. Geschäfte, Kinos und Restaurants bleiben ebenso wie Flughäfen geschlossen. Auch der Autoverkehr kommt beinahe vollständig zum Erliegen.

Kosten Wiederaufbau

Für den Wiederaufbau im Gazastreifen nach dem jüngsten bewaffneten Konflikt mit Israel werden nach Angaben der Palästinenser vier Milliarden Dollar (etwa 3,2 Milliarden Euro) gebraucht. Dies geht aus einem am Donnerstag veröffentlichten 76-seitigen Bericht der Einheitsregierung von Fatah und Hamas hervor, der sich an eine für Sonntag kommender Woche in die ägyptischen Hauptstadt Kairo einberufene Geberkonferenz richtet.

Allein 1,9 Milliarden Dollar seien für den Wiederaufbau öffentlicher und privater Infrastruktur nötig, weitere 1,2 Milliarden Dollar zur „Reaktivierung der wirtschaftlichen Leistung“. (afp)

Ausland kritisiert alte Siedlungspläne

Während die inländische Politik eine Pause macht, kritisiert das Ausland – nach den USA, Berlin, Rom und Paris nun auch die EU – die neuen Siedlungspläne Israels im annektierten Ostteil von Jerusalem. Der diplomatische Dienst in Brüssel verurteilte am Freitag einen „neuen, sehr schädlichen Schritt“, der an der israelischen Bereitschaft zu einer Verhandlungslösung mit den Palästinensern „zweifeln lässt“. Die EU warnte Israel vor einer Beeinträchtigung der Beziehungen.

Ein Plan für mehr als 2600 neue Wohnungen für jüdische Siedler in Ostjerusalem war in der vergangenen Woche in Israel endgültig bestätigt worden. „Wir rufen die israelische Regierung auf, diese Schritte rückgängig zu machen und von Ausschreibungen und Baugenehmigungen in dem Gebiet Abstand zu nehmen“, hatte das Auswärtige Amt in Berlin am Donnerstag erklärt. Auch die französische und italienische Regierung riefen Israel zur Abkehr von den neuen Siedlungen auf.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, hatte schon am Mittwoch erklärt, sollte Israel tatsächlich an dem Projekt festhalten, müsse es mit einer „Verurteilung der internationalen Gemeinschaft“ rechnen. Israel entferne sich damit „selbst von seinen engsten Verbündeten“.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wies die Kritik der USA nach seinem Treffen mit Präsident Barack Obama im Weißen Haus entschieden zurück. Die Pläne für Ostjerusalem seien bereits zwei Jahre alt. Allerdings erfolgte die Veröffentlichung im Amtsblatt erst vor wenigen Tagen. Der Schritt machte erst den Weg für die Ausschreibung des Projektes frei.

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9 Kommentare

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  • was ich nicht verstehe: wieso den gaza-streifen dicht?

    der ist doch eh schon - und das seit jahren - so was von dichtgemacht. wie kann er denn da noch mehr dichtgemacht werden?

     

    wovon soll das uns schon wieder ablenken?

  • „Die EU warnte Israel vor einer Beeinträchtigung der Beziehungen.“

     

    Diese Hinterwäldler im fernen Brüssel sollten eigentlich wissen, dass die Kooperationen der einzelnen europäischen Länder mit israelischen High-tech-, Agri-tech- und Biomedizin-Firmen heiß begehrt sind. Die können auf diese Zusammenarbeit gar nicht verzichten. Außerdem sind China und Indien längst mit von der Partie, das Handelsvolumen mit diesen Ländern steigt. China ist auch nicht so dumm, diese Palästinensergeschichte für den wichtigsten Konflikt des Nahen Ostens zu halten. Mit der geplanten Eisenbahn von Eilat ans Mittelmeer wird ein israelisch-chinesisches Joint venture in absehbarer Zukunft eine Alternative zum Suez-Kanal schaffen.

     

    Wozu also dieses Herumgereite auf ein paar Wohnungen in einem Land, das ohnehin gemäß Mandatsvertrag von 1922 in toto zum jüdischen Staat gehört?

     

    Hat eigentlich der europäische auswärtige Dienst in Brüssel schon mal die illegale Bauerei der „Islamic Movement in Israel“ (Salah-Sekte) in der Negev-Wüste angeprangert. Wahrscheinlich nicht, in ihren Oslo-Fieberträumen kommen solche Phänomene nicht vor.

    http://mida.org.il/2013/05/06/the-islamic-movement-builds-the-negev/

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Die Einen feiern, die Andern darben. So richtig schön alttestamentarische Zustände sind das.

  • In der Sache geht es darum, für äthiopische Olim, die unter unwürdigen Umständen in Behelfsunterkünften leben, feste Häuser zu bauen. Außerdem soll auch eine benachbarte arabische Siedlung erweitert werden. Das fragliche Gebiet befindet sich zudem in einer Zone, die bei einem Friedensvertrag nach derzeitigem Stand an Israel fallen soll. Was soll also das Gezeter der Diplomaten gegen den letzten echten Verbündeten des Westens in einer von Krieg und Unrecht zerfressenen Region?

    • @Oma Kruse:

      und für die festen unterkünfte für die äthiopischen olim ist in Herzliya kein platz?

      • @christine rölke-sommer:

        Das gab's doch schon einmal. Während des Mufti-Aufstands in den 30er Jahren mussten die jemenitischen Olim, die sich 1881 in Silwan vor den Toren Jerusalems niedergelassen hatten, in den jüdischen Vierteln der Stadt Schutz suchen (interessante Story übrigens: http://en.wikipedia.org/wiki/Silwan#Ottoman_era ).

         

        Toll, dass Menachim Begin Jerusalem zur unteilbaren Hauptstadt Israels gemacht hat. Jetzt sind solche Herzliya- und andere Vertreibungs-Exzesse nicht mehr möglich.

      • @christine rölke-sommer:

        Warum sollte da bitte Platz für sein, ausgerechnet da?

        • @ben sobel:

          warum denn nicht?

          oder sind die kuschim etwa keine juden?

  • USA und EU setzen auf das bewährte Verfahren: Die israelische Regierung wird gerügt, um den Schein einer verantwortungsbewussten Politik aufrecht zu erhalten, gleichzeitig wird Israel dabei unterstützt, seine Apartheidspolitik gegen die Palästinenser fortzusetzen.