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John FogertyWie ein Besuch bei sich selbst

Das Konzert des früheren Creedence Clearwater Revival-Sängers John Fogerty im Hamburger Stadtpark ist wie ein Klassentreffen: Überall alte Säcke.

Manche haben teure Uhren, manche Tattoos: Das Publikum von John Fogerty. Bild: Ulrike Schmidt

Manche haben seit dem letzten Mal zwei Ehen hinter sich und eine neue Herzklappe. Manche haben eine ganz junge Frau dabei, bei manchen ist es die Tochter. Manche rauchen Zigarren, früher haben sie was anderes geraucht. Manche sind Opa. Manche sehen fies aus.

John Fogerty singt „Hey tonight“ und „Hey, c'mon, gonna chase tomorrow, tonihihight, tonihight.“ Das ist wie ein Klassentreffen, wie ein Besuch bei sich selbst. Fogerty war Sänger und schrieb die Songs der Band „Creedence Clearwater Revival“, die es von 1967 bis Oktober 1972 gab. Eine Reunion ist nicht drin, Johns Bruder Tom ist tot. Heute würde ein Bandname wie „Creedence Clearwater Revival“ (CCR) nicht durch gehen. Zu lang, Alter.

Manche tragen Batikshirts, manche haben ein neues Hüftgelenk, manche den alten Hüftschwung. Fogerty läuft ein bisschen steif über die Bühne. Seine Stimme ist metallisch und klar. In den Siebzigern dachte ich, dass so wie Fogerty die USA klingen. Die Rocky Mountains, Kalifornien und all das. Die Alten haben, als ich das Taschengeld sparte, um mir „Mardy Gras“ von CCR zu kaufen, vorausgesagt, dass ich der Musik bald überdrüssig werden würde, und dass sie sich überlegen würden, ob sie mir überhaupt noch Taschengeld geben, wenn ich es so ausgebe.

Hatten, wie mit allem anderen, Unrecht.

An manchen Handgelenken, die über den Köpfen klatschen, befinden sich teure Uhren. An manchen Armen Tattoos.

Der Mann auf der Bühne hat Spaß. Er war in einen Jahrzehnte langen Rechtsstreit mit Saul Zaentz, dem Inhaber von Fantasy Records, der Plattenfirma, mit der Fogerty einen Knebelvertrag abgeschlossen hatte, verstrickt. Das führte dazu, dass Fogerty seine alten Sachen nicht mehr spielte. Er rächte sich, wie das Musiker zu tun pflegen. Er schrieb die Songs "Mr. Greed" and "Zanz Kant Danz". Den Bann hielt Fogerty 15 Jahre durch, bis zum 19. Februar 1987, einem Auftritt im Palomino Club in Los Angeles. Er stand zusammen mit Bob Dylan und George Harrison auf der Bühne, die ihm sagten: "Wenn Du nicht bald anfängst, deine eigenen Sachen zu spielen, werden alle denken, 'Proud Mary' ist von Tina Turner.“

Im Stadtpark spielt er „Born on the Bayou“, und „Who'll Stop The Rain?“, was wieder mal zeigt, dass die Songs über Regen besser sind als die über Sonne. Er spielt „Lookin' Out My Back Door“ und covert Roy Orbisons „Oh, Pretty Woman“.

Das gefällt den Mädels. Manche können alle Texte mitsingen, manche nur den Chorus. Aber so lange ein Chorus so geht: „Wrote A Song For Ev'ryone, wrote a song for truth, wrote A Song For Ev'ryone, when I couldn't even talk to you“, ist das auch okay.

Manche haben die Haare immer noch lang, manche wieder, manche haben sie im Gesicht, manche haben Henna drin, manche haben keine mehr. Manche sind fett geworden, einer von den Jüngeren ist John Lennon reloaded.

Fogerty spielt „Cotton fields“, seine Band macht nur Musik. Die Musiker tanzen nicht, klettern nicht, hüpfen nicht, stehen nur mit ihren Gitarren rum und machen Musik. Der eine Rhythmusgitarrist sieht aus wie Doug „Cosmo“ Clifford, der Drummer von CCR. Haare lang, der Bart so lang wie die Haare, schwarze Klamotten, Stirnband. John Fogerty kann das Wort „train“ so singen, dass man den Zug fahren sieht, und am Bahnhof die Frauen weinen. Heute weiß ich, dass viel Hank Williams in seiner Musik ist.

Er covert „Summertime Blues“ von Eddie Cochran, und spielt „Down on the corner“ und „Fortunate Son“. Da ist eine Zeile drin, die auch auf die gescheiterte Schulreform in Hamburg passt: „It ain’t me, it ain’t me. I am no senator’s son. It ain’t me, it ain’t me. I am no fortunate one.“

John Fogerty ist ein alter Sack. Manche von uns sind alte Säcke. Eigentlich alle.

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