Johannes Lackmann über Nachhaltigkeit: "Biosprit ist besser als sein Ruf"
Biokraftstoffe fördern den Hunger in der Welt und zerstören zahlreiche Ökosysteme - sagen Wissenschaftler und Experten. Biosprit-Lobbyist Johannes Lackmann wehrt sich gegen Pauschalurteile.
taz: Herr Lackmann, ist es Ihnen egal, was die Öffentlichkeit von Ihnen hält?
JOHANNES LACKMANN, 57, ist seit 2008 Geschäftsführer des Verbands der deutschen Biokraftstoffindustrie.
Auf die wachsende Kritik an der Umweltbilanz von Biokraftstoffen reagiert die Bundesregierung mit einer Gesetzesnovelle, die im Dezember in den Bundestag eingebracht wurde. Danach wird der vorgeschriebene Beimischungsanteil für 2009 auf 5,25 und bis 2014 auf 6,25 Prozent reduziert. Zudem werden nur noch Kraftstoffe angerechnet, die nachhaltig produziert werden. Weil es derzeit noch keine entsprechende Verordnung gibt, bedeutet die Regelung faktisch einen Importstopp für Soja- und Palmöl. Die Nachhaltigkeitsbedingungen, auf die die EU sich im Dezember geeinigt hatte, gehen der Bundesregierung nicht weit genug. MKR
Johannes Lackmann: Keinesfalls. Warum?
Sie haben als Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energie lange für eine Branche gearbeitet, die fast jeder mag: Solarzellen und Windräder gelten als umweltfreundliche Zukunftstechnologien. Seit dem Sommer sind Sie nun Lobbyist für Biokraftstoffe - und die haben ja mittlerweile einen schlechten Ruf, bei Umweltverbänden und Wissenschaftlern genauso wie bei Kirchen und der Politik. Warum tun Sie sich das an?
Ich hatte das Gefühl, dass die Wind- und Solarbranche aus dem Gröbsten raus ist. Die machen Milliardenumsätze und gute Geschäfte. Mittlerweile setzen auch die Großen der Energiebranche, wie Eon und RWE, auf Offshore-Windkraft und andere Erneuerbare. Und von der Politik geht in diesem Sektor keine Gefahr mehr aus. Wenn selbst die traditionell kritische Internationale Energieagentur erklärt, dass Deutschland Vorbild beim Ausbau ist und auf die richtigen Instrumente setzt, dann sind wir durch - praktisch "everybodys darling".
Das galt lange Zeit auch für Biokraftstoffe vom Acker. Inzwischen mobilisieren viele Gruppen dagegen: Umweltschützer fürchten um den Regenwald, Entwicklungsorganisationen warnen vor steigenden Lebensmittelpreisen. Der ADAC sorgt sich um die Haltbarkeit der Motoren, und die Kirchen finden es unethisch, wenn Getreide im Tank statt auf dem Teller landet.
Genau das ist der Grund für meinen Wechsel. Diese Tank-Teller-Debatte finde ich so schwachsinnig, so irrational - da habe ich richtig Lust gekriegt, mich noch mal einzumischen.
Was genau finden Sie daran schwachsinnig? Es ist doch eine Tatsache: Von der Weizenmenge, die man braucht, um einen Geländewagen mit Biosprit vollzutanken, kann ein Mensch sich ein ganzes Jahr ernähren.
Zum einen ist das nicht neu. Auch die Pferde, die früher die Kutschen gezogen haben, sind mit Hafer gefüttert worden. Zum anderen sind die Menschen in Europa satt. Unsere Schweine sind auch satt. Doch seit wir in der EU das Flächenstilllegungsprogramm gestoppt haben, gibt es plötzlich einen Überschuss von 60 Millionen Tonnen Getreide. Da stellt sich doch die Frage, was wir damit machen sollen. Außer in akuten Notsituationen macht es keinen Sinn, Lebensmittel nach Afrika zu schicken, denn dadurch würden dort die Märkte destabilisiert und der Aufbau einer eigenen Landwirtschaft unmöglich gemacht. Was spricht also dagegen, daraus Kraftstoff zu machen?
Zum Beispiel, dass dadurch die Nahrungsmittelpreise steigen. Schließlich wird Agrosprit nicht nur aus Überschüssen produziert. Aufgrund der hohen Nachfrage sind die Preise, etwa für Mais, im letzten Jahr stark gestiegen. Eine Weltbank-Studie hat die Biokraftstoffe für 70 Prozent des Preisanstiegs verantwortlich gemacht.
Das war ein einzelner Mitarbeiter, der das behauptet hat, die Weltbank hat sich von der Aussage distanziert. Und es muss ein ziemlicher Dummkopf gewesen sein, wenn er ernsthaft glaubt, der Preis könne so stark steigen, nur weil auf zwei Prozent der weltweiten Anbaufläche Energiepflanzen wachsen. Mehr ist es nämlich momentan gar nicht. In den meisten Studien wird zudem immer nur die Frage gestellt, wie sich der Preis verändert, wenn auf den vorhandenen Flächen auch Biokraftstoffe angebaut werden. Dabei wird ignoriert, dass sich die Fläche ausweiten lässt, indem Brachflächen wieder bewirtschaftet werden.
Es gibt auch andere Kronzeugen für diese Theorie, und zwar so unterschiedliche wie die eher neoliberale OECD und den eher globalisierungskritischen ehemaligen UN-Sonderberichterstatter Jean Ziegler. Wollen Sie wirklich bestreiten, dass die zusätzliche Nachfrage den Preis für Lebensmittel treibt?
Der starke Anstieg im letzten Sommer war jedenfalls eine Spekulationsblase - in Erwartung einer schlechten Ernte und aufgrund hoher Ölpreise. Nachdem man dann gesehen hat, dass die Ernte trotzdem gut wird, sind auch die Lebensmittelpreise wieder gesunken. Dass sich der Preis mittlerweile halbiert hat, ist von der Wissenschaft und den Medien aber sehr viel weniger wahrgenommen worden als der Anstieg. Und steigende Preise sind ein Anreiz für Investitionen in die Landwirtschaft weltweit. Was ist daran negativ?
Auch die Umweltorganisationen, die früher zu den Befürwortern von Biosprit gehörten, lehnen diese inzwischen ab. Sie kritisieren, dass diese in vielen Fällen mehr schaden als nützen.
Das sehe ich als sehr irrational an. In der ganzen Entwicklung hat es ja häufig Angriffe und Rückschläge gegeben, aber ein solches Maß an Verurteilung mit so wenig sachlichen Grundlagen habe ich noch nie erlebt.
Hinter der Kritik stehen renommierte Forscher, etwa der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Der sagt, solange es keine Nachhaltigkeitskriterien gibt, mit denen verhindert wird, dass für den Anbau von Biokraftstoffen Regenwälder gerodet werden, brauchen wir einen Importstopp. Was finden Sie daran unsachlich?
Wir sagen ja auch nicht, dass alles von selbst in die richtige Richtung läuft. Aber die Frage ist doch, welche Schlussfolgerungen man daraus zieht. Wenn es zu viele Unfälle gibt, verbietet man doch auch nicht den Verkehr, sondern erlässt eine Straßenverkehrsordnung und stellt Leitplanken auf. Das muss man beim Biokraftstoff auch tun.
Genau das versucht die Bundesregierung gerade mit dem neuen Biokraftstoffgesetz (siehe Kasten). Doch dagegen läuft ihr Verband Sturm.
Ja, denn der Regierungsentwurf würde den kompletten Markt abwürgen. Er senkt die Biokraftstoff-Quote um 25 Prozent gegenüber dem Wert, der heute bereits erreicht wird, und stoppt die Einfuhr von Kraftstoff aus Palmöl und Soja komplett. Damit kommen wir einem nachhaltigen Anbau nicht näher und fahren die deutsche Branche vor die Wand.
Wie sollten die "Leitplanken" denn Ihrer Meinung nach aussehen?
Wir brauchen klare Kriterien für nachhaltigen Anbau. Denn eines ist zweifellos richtig: Wenn Regenwald abgeholzt wird, ist die Klimabilanz negativ, auch wenn auf der Fläche mehrere hundert Jahre Palmöl angebaut werden. Das ist wirklich ein Desaster.
Palmöl ist also nicht die Lösung?
Das habe ich nicht gesagt. Palmöl gehört zu den effizientesten Rohstoffen für Biokraftstoffe, wenn es nicht auf Rodungsflächen angebaut wird. Es ist sehr produktiv, wird nicht einjährig umbrochen und braucht keine Düngung. Auch der WBGU sagt, dass es sehr sinnvolle Palmölprojekte gibt. Entscheidend ist, wie das Land vorher genutzt wurde.
Selbst wenn es nachhaltig funktionieren sollte: Glauben Sie wirklich, dass sich das international regeln lässt?
Natürlich stellen sich dabei ganz praktische Probleme: Kann man einen kolumbianischen Regierungsstempel anerkennen? Nein, kann man natürlich nicht. Aber dass es schwierig ist, kann doch kein Grund sein, nicht endlich damit anzufangen. Die Probleme mit Rodung und Vertreibung gibt es übrigens nicht erst, seitdem Palmöl und Soja für Biokraftstoffe genutzt werden. Der wesentliche größere Teil dient ja zur Herstellung von Lebensmitteln, Tierfutter und Kosmetika. Die Frage der Nachhaltigkeit stellt sich also ohnehin. Und Biokraftstoffe bieten überhaupt zum ersten Mal die Chance, hier Nachhaltigkeitskriterien einzuführen.
Warum?
Im Rahmen der WTO-Verhandlungen ist es unendlich schwer, den Handel aufgrund von Umweltproblemen zu beschränken. Die Einfuhr für Lebensmittel oder Kosmetik lässt sich darum kaum regulieren. Biokraftstoffe sind bei uns im Moment aber noch auf öffentliche Förderung angewiesen, und die kann man an Bedingungen knüpfen, ohne dass das die WTO etwas angeht. Darum kann die Biokraftstoffindustrie der Vorreiter sein bei der Einführung von Nachhaltigkeitsstandards im Rohstoffmarkt. Doch während einige Organisationen wie der WWF an der Entwicklung solcher Standards mitarbeiten, verdammen andere wie der BUND und Greenpeace diese lieber pauschal. Dabei haben wir gar keine Alternative, wenn wir fossilen Kraftstoff ersetzen wollen.
Natürlich haben wir die. Im Verkehr könnten Tempolimits und Effizienz mehr erreichen als Biosprit.
Aber was spricht denn dagegen, das zusätzlich zu machen?
In Deutschland spricht dagegen, dass man die Flächen effektiver nutzen könnte. Viele Experten sagen, wenn man schon Energiepflanzen anbaut, sollte es nicht Raps sein. Effizienter sind doch Biokraftstoffe der zweiten Generation, die aus Holz oder Abfällen hergestellt werden.
Diese "zweite Generation" ist eine Lieblingsseifenblase von Umweltminister Sigmar Gabriel. Meine Überzeugung ist, dass die auf absehbare Zeit nicht kommen wird, weil sie viel zu teuer ist. Zudem ist der derzeitige Biosprit besser als sein Ruf: Viele der Berechnungen ignorieren nämlich die Nebenprodukte. Bei der Biodieselproduktion etwa entstehen ja auch noch Eiweißfuttermittel und Glycerin. Das verbessert die Energiebilanz deutlich. Jeder Liter Rapsöl spart im Vergleich zu fossilem Diesel schon heute mindestens 35 Prozent CO2. Mittelfristig sind 80 Prozent möglich.
Wenn Sie so überzeugt davon sind: Fahren Sie denn selbst ein Auto, das 100 Prozent Biosprit tankt?
Vor 20 Jahren bin ich mit Pflanzenöl gefahren, derzeit aber nicht. Mein neuer VW ist für reinen Biodiesel leider nicht mehr zugelassen. Darum tanke ich - wie alle anderen deutschen Autofahrer - nur den normalen Biodieselanteil von etwa 5 Prozent. Im Übrigen fahre ich überwiegend Bahn, das heißt elektrisch - und ein Tourenrad mit Elektroantrieb.
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