Johanna Roth über die US-Demokrat*innen: Ein falsche Wahl
Bernie Sanders ist als Gewinner aus der vierten TV-Debatte der US-amerikanischen Demokraten in der vergangenen Nacht hervorgegangen – aber nicht etwa, weil er trotz eines kürzlich erlittenen Herzanfalls rhetorisch brilliert hätte. Es reichte, dass er zum passenden Zeitpunkt prominente Unterstützerinnen für den kommenden Wahlkampf verkünden konnte. Dass die 30-jährige Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez Sanders darunter ist, ist keine große Überraschung, aber umso mehr eine Enttäuschung.
Die große Hoffnung der Linken in den USA, eines der größten politischen Talente des jungen Jahrtausends, die Personifizierung von Vielfalt und Chancengleichheit, Twitter-Userin mit über 5 Millionen Follower*innen – diese Attribute beschreiben nicht etwa Bernie Sanders, sondern „AOC“.
Im Grunde trägt also niemand in der Demokratischen Partei zum jetzigen Zeitpunkt so viel Verantwortung wie die 28-jährige Kongressabgeordnete aus der Bronx. Und die nutzt sie ausgerechnet, um einen 78-jährigen Mann zu unterstützen, der es um jeden Preis noch mal wissen will? Natürlich, Bernie Sanders ist ein starker Kapitalismuskritiker, genau wie Ocasio-Cortez, er hat mit die profiliertesten sozialpolitischen Wahlversprechen aller KandidatInnen und langjährige Erfahrung als Senator.
Aber all das hat Elizabeth Warren auch. Nicht nur wäre sie die erste Frau im Amt; sie hat auch immer wieder bewiesen, dass es ihr nicht nur darum geht, Donald Trump aus dem Weißen Haus zu kegeln, sondern darum, einen wirklichen Wandel im Land herbeizuführen und die Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, die Trump erst möglich gemacht haben. Sanders dagegen, der hartnäckig gegen Trump anredet, aber ansonsten dieselben Mantras wiederholt wie schon 2016, ist letztlich nur Joe Biden auf links gedreht.
Warren dagegen hat dazugelernt. Sie mag weniger charismatisch sein als andere, dafür hat die 70-jährige Senatorin aus Massachusetts in den vergangenen Monaten ein unglaubliches Kampagnenpensum absolviert und sich in den Umfragen stetig nach oben gearbeitet. Aber nun redet mal wieder alle Welt nur über Bernie Sanders. Vor dieser Demokratischen Partei wird Donald Trump 2020 keine Angst haben müssen.
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