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Jörn Kabisch AngezapftJung, ungehobelt und zum Zischen

Foto: Foto: privat

Mein Bierkeller ist nicht groß, vier Kisten sind da aufeinandergestapelt. Es ist ein Kompromiss aus vielen Flaschen, die höchstens ein halbes Jahr haltbar sind und schnell konsumiert werden wollen, und einigen, denen es nichts ausmacht, wenn sie noch ein paar Monate länger liegen. Sie sind eh schon sauer wie die Berliner Weißen.

Und ich habe festgestellt, dass eine Marke sehr selten fehlt: „Weiherer“, das Bier der Kundmüllers aus Weiher bei Bamberg. Die Brauerei ist eine große Innovatorin der fränkischen Bierszene. Ursprünglich ein Brauereigasthof, hat die Familie in den vergangenen zehn Jahren expandiert und Abfüllung und Logistik ausgebaut. Über zwei Dutzend Sorten Bier brauen die Kundmüllers heute, ein India Pale Ale übrigens schon seit 2013, da war dieser Bierstil noch ein Exot aus den USA. Aber die fränkischen Bierstile sind mir lieber. Der Weizenbock oder das Keller-Märzen.

Es kommt selten vor, dass ich gleich eine ganze Kiste eines Bieres kaufe. Vom „Zwickerla Hell“ stehen aber gleich 20 Flaschen in meinem Keller. Für mich ist es das ideale Bier für diesen Sommer.

Zwickel oder Kellerbier ist mittlerweile schon seit einigen Jahren Trend im Segment der hellen Biere. Landbier wird auch oft genannt, was naturtrüb aus der Flasche kommt. Es gibt weder eine Definition des Ursprungs noch des Verfahrens, sodass dieser Biertyp von Nord nach Süd gebraut wird, ober- wie untergärig und auch mit Weizenmalz.

Trotzdem kann man eine Erwartungshaltung an das Bier formulieren, sie steckt vor allem in der Bezeichnung Zwickel. Um das Jungbier zu testen, zwackten sich die Brauer einen Probierschluck von den Fässern ab, einst indem sie kurz die Fassreifen mit einem Keil, dem Zwickel, auseinandertrieben – heute haben die Gärtanks Zwickelhähne fest eingebaut. So ist Zwickel das Bier, das gleich nach der ersten Probe ausgeschenkt wurde: jung, ungehobelt, mit einem Alkoholgehalt unter 5 Prozent und eben natürtrüb.

Weiherer Zwickerla Hell, Brauerei Kundmüller, 4,9 % vol.

Das alles trifft auf das Zwickerla auch zu. Es ist richtig was zum Zischen, geschmacklich aber doch ein Unterschied zu vielen „Naturtrüben“ neueren Datums. Eine feine Malzsüße und eine angenehme Hefigkeit treffen auf eine ausgeprägte Bitterkeit, die Hopfensorten Spalter Select und Perle sind sogar auf dem Etikett erwähnt. Obwohl die Kohlensäure ziemlich mild ist, ist das Bier dadurch ziemlich spritzig und elegant. Und der Geruch? Hefe, Heu und Wiesenblumen – auch ziemlich sommerlich.

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