Jobs: Wer schreibt, der bleibt
Im Schreibbüro des Jobcenters in Neukölln helfen Arbeitslose anderen Arbeitslosen beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen - manchmal mit Erfolg.
Ein Hinterhof in der Karl-Marx-Straße in Neukölln. An einer roten Backsteinmauer lehnt ein Wagenrad, davor stehen Plastikmöbel. Am Gelände einer Betontreppe hängt ein Zettel in einer Klarsichthülle: "Zum Schreibbüro" steht darauf. Im ersten Stock des Altbaus sitzen an mehreren PCs Mitarbeiter und Kunden, schauen auf den Bildschirm, es wird leise geredet. Kaffeegeruch liegt in der Luft.
Gisela Kleyer, Geschäftsführerin der Basisgesellschaft für Bildung und Strukturentwicklung (BBS), dem Trägerverein, erläutert das Konzept des Schreibbüros: "Wir bieten Menschen mit Sprachdefiziten oder mangelnder Computerkenntnis die Möglichkeit, hier ihre Bewerbungsunterlagen verbessern oder gleich komplett ausstellen zu lassen." Sogar Bewerbungsfotos kann man schießen. Da der Service von der Stadt Berlin und dem Jobcenter Neukölln finanziert wird, ist er für die Kunden kostenlos. Einzig ein Beitrag für das Material entsteht.
Gerold ist einer der rund zehn Schreibbüromitarbeiter, die das Jobcenter hierher vermittelt hat - denn auch die Mitarbeiter sind auf Jobsuche und sollen sich hier weiterqualifizieren. Eigentlich ist er gelernter Möbeltischler und Solartechniker. "Aber die Löhne sind so mies, dass ich einfach keinen Bock habe, für die zu arbeiten." Seine Qualifikation für das Schreibbüro kommt von einem halbjährigen Aufenthalt im Baskenland, bei dem er behinderte Kinder betreute. Der Job im Schreibbüro gefällt ihm. "Die Kunden sind fast immer freundlich, und manchmal gibt es sogar ein kleines Trinkgeld." Auch Verständigungsschwierigkeiten haben sie kaum: "Wir sprechen hier insgesamt sieben Sprachen." Nur wenn zu viele Kunden auf einmal kommen, werde es anstrengend.
Einer der Kunden ist Yüksel. Er ist das erste Mal arbeitslos gemeldet. Vor 37 Jahren kam er aus Ankara nach Deutschland und leitete seit 1998 als Selbstständiger eine Schlosserei. Im Krisenjahr 2009 brachen der Firma die Kunden weg. Jetzt hat er Hartz IV beantragt, bis die Firma wieder besser läuft. Wann, kann er nicht sagen. Eigentlich braucht er keinen neuen Job, er hat ja die Firma. "Aber die im Jobcenter wollen, dass ich mich bewerbe, sonst gibt es kein Geld." Bei zwei Metallbaufirmen muss er sich melden. Aus der Bauchtasche seines Blaumanns zieht er einen DIN-A4-Hefter. "Meine komplette Bewerbung konnte ich mir hier machen lassen." Zu Hause hat Yüksel nicht mal einen Computer. "Aber wenn die am Telefon hören, dass ich ein Türke bin, nehmen die mich eh nicht."
Wie viele Kunden tatsächlich mithilfe des Schreibbüros einen Job finden, kann niemand sagen. "Wir registrieren hier keinen. Unser Angebot ist freiwillig", betont Kleyer. Manche Kunden kommen öfter, manche nur einmal, 200 bis 300 sind es im Monat.
Bei Özklan hat es geklappt. Der gebürtige Türke lebt seit 1989 in Berlin. Gleich nach seinem Realschulabschluss 1993 machte er eine Ausbildung zum Schlosser. 2009 wollte er wegen seiner damaligen Freundin nach Westdeutschland ziehen und kündigte. "Ich dachte, sie ist die richtige und wollte mit ihr komplett neu anfangen. Sie wars dann doch nicht", sagt er und zündet sich eine Zigarette an. "Bis April dieses Jahres habe ich Arbeitslosengeld I gekriegt." Dann hat er sich um eine neue Arbeit beworben - als Kraftfahrer für Obst und Fleisch. "Schwarzarbeiten will ich nicht."
Viele, sagt er, arbeiten offiziell für 160 Euro, dem erlaubten maximalen Nebenverdienst zu Hartz IV. Unter der Hand verdienen sie aber viel mehr. "Ich kenne einen, der ist vom Baugerüst im dritten Stock geflogen und musste ins Krankenhaus." Über die Baufirma war er aber nicht versichert. "Der Chef hat ihm gesagt, er soll im Krankenhaus irgendwas anderes erzählen." Özklan ist das zu riskant.
Im Schreibbüro haben sie seine Bewerbung für die Spedition durchgesehen und verbessert. Er wurde genommen. Am nächsten Morgen um halb eins fängt er an. "Ich wollte mich hier nur noch mal bedanken."
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