piwik no script img

Jobbik-Abgeordneter Csanad SzegediEhemaliger Antisemit wird Jude

Jahrelang hetzte er als Mitglied einer rechtsextremen ungarischen Partei gegen Juden. Dann erfuhr er, dass er selbst Jude ist. Nun bricht Csanad Szegedi mit Jobbik.

Erst Antisemit, nun Jude: Csanad Szegedi. Bild: dpa

BERLIN afp | Der frühere ungarische Antisemit Csanad Szegedi hat sich zum Übertritt zum jüdischen Glauben entschlossen, nachdem er von der jüdischen Abstammung seiner Familie erfuhr. Er bemühe sich um die Einhaltung der Religionsvorschriften, halte den Sabbat ein, ernähre sich koscher und lerne bei orthodoxen Rabbinern Hebräisch, sagte Szegedi der Welt am Sonntag.

Der Politiker war im Jahr 2009 für die rechtsextreme Jobbik-Partei ins Europaparlament einzogen. Nachdem er vor einem Jahr von den jüdischen Wurzeln seiner Familie erfahren hatte, trat er aber aus der Partei aus.

Nach einem Jahr der Überlegung entschied sich Szegedi nach eigenen Angaben, seine jüdische Identität zu akzeptieren. „Ich habe entdeckt, dass ich meine konservative Weltsicht als Ungar und gläubiger Jude weiter leben kann“, sagte Szegedi der Zeitung.

Er sei immer noch gottesfürchtig und familienzentriert, nur eben nicht mehr als Calvinist, sondern als Jude. Sein Mandat im Europäischen Parlament nimmt Szegedi seit seinem Parteiaustritt als unabhängiger Abgeordneter wahr, damit kein Jobbik-Vertreter nachrücken kann.

Szegedi sagte der Welt am Sonntag, Jobbik-Chef Gabor Vona habe zunächst vorgehabt, ihn in der Partei zu halten, weil er gedacht habe, dass Kritiker die Partei nun nicht mehr antisemitisch nennen könnten. Dann sei er aber in der Partei so starken antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt gewesen, dass er lieber ausgetreten sei.

Er wurde demnach intern aufgefordert, Reue zu bekunden. „Da dachte ich, Moment, ich soll mich dafür entschuldigen, dass die Hälfte meiner Familie in Auschwitz starb?“, sagte Szegedi.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Dixi sagt: "Immer dann, wenn Religion mit realer Machtausübung einhergeht, wird sie selbst rassistisch." Dann sind Katholizismus, Protestantismus, Islam und Hinduismus, um nur diese zu nennen, auch rassistisch, denn diese Religionen üben Macht aus, oder nicht? Also wer kann hier "allein nicht denken" und die Richtigkeit seiner eigenen Behauptungen nicht kritisch überprüfen? Übrigens kann man als Jude sehr gut Atheist sein, und die freie Wahl ist durch den Grundsatz "Jude ist, wessen Mutter Jüdin ist" keineswegs ausgeschlossen, wie gerade Szegedis mutiges Bekenntnis beweist.

  • BA
    Bob Anarcho

    Rassismus und Antisemitismus sind zwei verschiedene Sachen

    • @Bob Anarcho:

      So wie ich das verstanden habe bezeichnet Antisemitismus* der Hass gegen Menschen jüdischer Ethnie, der Hass gegen Menschen der jüdischen Religionsgemeinschaft wird Judenhass genannt. Hitler war also Antisemit, wärend Luther Judenhasser war. Demnach wäre Antisemitismus eine Form des Rassismus.

       

      *Der Begriff ist von der Logik trotzdem unglücklich, immerhin ist ja auch Arabisch eine semitische Sprache.

    • @Bob Anarcho:

      Rassismus und Antisemitismus kann man aber nicht gerade oft trennen.

      Die meisten Antisemiten halten Juden schließlich auch für eine "Rasse", was sie jetzt nicht wirklich von anderen Vollidioten unterscheidet, die an andere "Menschenrassen" glauben, bloss weil jemand eine andere Hautfarbe oder Augenform, oder?

  • DH
    Dixi H.

    Ich dachte erst, das ist wieder so eine Satire vom Postillon oder so. So sehr es mich amüsiert, dass da ein (ehemaliger ?) Nazi feststellen muss, dass er selbst jüdische Wurzeln hat, so klar zeigt seine Hinwendung zum jüdischen Glauben, dass er - wie bei Rassisten üblich - weder Rückgrat noch Selbstbestimmung besitzt. Es ist löblich, dass er erkennt, dass seine Familie von Leuten seiner Gesinnung verfolgt und ermordet wurde. Nur muss er dazu ja nicht selbst gläubiger Jude werden. In Deutschland z.B. gibt es ja viel mehr Christen und ehemalige Christen mit jüdischen Wurzeln als noch hier lebende Juden. Die Herkunft kann man sich nicht aussuchen, aber Glauben, Gesinnung, Weltsicht sind Privatsache. Es ist genau das, was Religionen so unsäglich macht. Dass du schon mit der Geburt dazu gehören sollst - ohne freie Wahl. Das wiederspricht jedem Freiheitsdenken. Rassisten wie Gläubige brauchen eine Doktrin, an der sie sich festhalten können, da sie alleine nicht denken können. Szegedi zeigt dies beispielhaft für beide Seiten. Immer dann, wenn Religion mit realer Machtausübung einhergeht, wird sie selbst rassistisch. Sie stellt sich als das Nonplusultra da und grenzt Andersdenkende aus. Das ist hierzulande nicht anders als im Iran oder in Israel. "Imagine, there's no heaven and no religion too ..."

    • A
      Anja
      @Dixi H.:

      super!

    • @Dixi H.:

      Seien Sie doch nicht so überheblich, ich glaube an Allah und zu Ihrer Überraschung kann ich sehr wohl selbstständig denken.

      Gerade deswegen sehe ich Darwins Dogma extrem kritisch. Die Bio-Chemiker haben Darwin und sein Märchen von der Evolution wiederlegt.

      Ich empfehle Ihnen die Lektüre des unten stehenden Links.

       

      Schönen Abend noch.

       

       

      http://www.was-darwin-nicht-wusste.de/download/Woher_kommt_das_Leben.pdf

      • A
        Anja
        @Alter Sack:

        Kreationismus-Gutsprechung in der taz? Na super...

    • @Dixi H.:

      Zitat: "Rassisten wie Gläubige brauchen eine Doktrin, an der sie sich festhalten können, da sie alleine nicht denken können."

       

      Ergänzung: Ideologen auch.

  • FV
    Funny van Hosen

    Auch (Schwarze/Behinderte/Lesbische) Juden können rassistische sein.

  • Hat aber auch was von einer rassistischen Komponente wenn man gleich anfängt sich koscher zu ernähren nur weil einem jemand seinen Stammbaum gezeigt hat oder?

     

    Gut das er kein Antisemit ist, aber sein Glaube an Blut und Abstammung ist geblieben.

  • WW
    Welch Wandlung...

    Vom Saulus zum Paulus?

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Ehemaliger Antisemit wird Jude"

     

    Schon die SCHLAGZEILE ist RASSISMUS ;-) - da zeigt sich der Stumpf- und Blödsinn des "gesunden" Konkurrenzdenkens im "freiheitlichen" Wettbewerb um ... ;-)

     

    Wenn GRUNDSÄTZLICH alles allen gehören dürfte, und PRINZIPIELL alles ..., so daß die Symptomatik von "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" absolut keine Macht mehr hätte, dann würde sich wettbewerbsbedingter KOMMUNIKATIONSMÜLL garnicht mehr anhäufen!?