Jobberatung für Geflüchtete: Arbeit statt Warteschleife
Das Netzwerk „Alle an Bord“ will in Schleswig-Holstein Geflüchtete in Unternehmen vermitteln. Viele wollen sofort arbeiten, aber die Hürden sind hoch.
Heute arbeiten Menschen aus sieben Nationen in ihrem Betrieb. Einer ist der 29-jährige Mazen Al Sarifi, der aus dem Jemen stammt. Seit fünf Jahren ist er in Deutschland, spricht inzwischen gut Deutsch und hofft auf seine Einbürgerung. Ein voller Erfolg also? Nicht ganz, berichtete Raedisch bei einem Treffen, an dem Akteur:innen des Projekts und Tobias von der Heide (CDU), Staatssekretär im Kieler Arbeitsministerium, teilnahmen. Angesichts der bürokratischen Hürden sei es einfacher, Menschen aus dem Ausland anzuwerben, statt bereits hier Lebenden einen Job zu geben.
Was einzelne Branchen wie die Gastronomie heute schon spüren, wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken: Schleswig-Holstein gehen die Arbeitskräfte aus. In zehn Jahren könnten rund 300.000 Stellen nicht mehr besetzt werden, fast 30 Prozent des heutigen Arbeitsmarktes, sagt Staatssekretär von der Heide.
Ein Weg, um die Lücke zu schließen, sei, das „graue Gold“ zu fördern, also Menschen länger im Job zu halten, ein anderer Weg sei, Fachleute im Ausland anzuwerben – das Land hat dafür ein „Welcome Center“ gegründet, in dem Unternehmen und einreisewillige Fachkräfte alle zuständigen Behörden unter einem Dach finden. Und dann gibt es noch die Menschen, die ohnehin im Land sind: Geflüchtete.
Frust für alle Beteiligten
„Die Leute kommen hier an und wollen loslegen“, sagt Pia Godemann, die beim Kreis Schleswig-Flensburg für die Eingliederung zuständig ist und als Mitglied des Netzwerks „Alle an Bord!“ Geflüchtete berät. Aber das ist oft nicht so leicht wie gedacht. Ein Teil der frisch Eingereisten habe traumatische Erlebnisse im Herkunftsland oder auf der Flucht gehabt, das erschwere die Integration manchmal: „Wir waren da anfangs zu euphorisch“, sagt Edda Hamer, die im Kieler Arbeits- und Wirtschaftsministerium für die Arbeitsintegration zuständig ist.
Bei anderen stehen formale Hürden im Weg: „Jemand will vielleicht als Bäcker oder in der Kita arbeiten. Aber dafür braucht es eine Ausbildung, und für die braucht es einen Sprachkurs, und schon auf den wartet man gut eineinhalb Jahre“, beschreibt Godemann eine typische Warteschleife. Das bedeutet Frust für alle Beteiligten – für die Geflüchteten, die gern arbeiten wollen, ebenso wie für die Unternehmen, die dringend Arbeitskräfte brauchen.
Eigentlich ist der Bund für die Jobvermittlung zuständig, unter anderem durch die Bundesagentur für Arbeit. Aber es gibt Lücken, und „die wollen wir füllen“, sagt Edda Hamer. Ein Beispiel ist ein Sprachtraining, in dem die Teilnehmenden auch Fachvokabeln für ihren jeweiligen Beruf lernen. Das Ziel ist, die Kenntnisse aus den Grundkursen lebendig zu halten. „Eine große Aufgabe der Beratung besteht darin, die Menschen bei der Stange zu halten und immer wieder zu motivieren“, sagt Godemann.
Hamer erinnert an die vielen Fälle, in denen die Vermittlung erfolgreich war. Über 25.000 Menschen, die in den vergangenen Jahren als Geflüchtete aus Ländern außerhalb der Ukraine – für die besondere Regeln gelten – arbeiten inzwischen in Schleswig-Holstein. „Das sind tolle Erfolge, die wir nicht vergessen sollen“, sagt Hamer. Das Programm „Alle an Bord!“ trage einen Teil dazu bei, betonte Staatssekretär von der Heide.
Unerreichbare Ämter
Seit 2022 haben rund 1.500 Menschen einen Kurs oder eine Beratung genutzt. In einem Vorgänger-Projekt, das 2017 startete, waren es weitere 2.580 Menschen, gut die Hälfte davon Frauen. Das Beratungsnetzwerk, das in sieben Kreisen und der Stadt Flensburg aktiv ist, erhält für die gesamte Laufzeit rund 3,7 Millionen Euro, davon stammen rund 1,5 Millionen aus dem Europäischen Sozialfonds Plus. Im restlichen Schleswig-Holstein erhalten Geflüchtete ein ähnliches Beratungsangebot durch ein zweites Netzwerk, das vom Bund gefördert wird.
Doch trotz der Hilfen bleibt es schwierig, alle Genehmigungen zu bekommen, damit die Arbeitskräfte loslegen dürfen, berichtet die Gastronomin Leah Raedisch: „In den Ämtern geht keiner ans Telefon, auf Mails antwortet niemand.“ Am Ende helfe nur, sich mit dem künftigen Angestellten in die Schlange vor dem Amt zu stellen, um das Problem direkt zu lösen. „Ich höre von Kollegen, dass sie gern Leute einstellen wollen, aber der Aufwand sei nicht leistbar.“ Sie versucht zurzeit, Arbeitskräfte direkt ins Land zu holen. Aber auch da hakt es: „Mein Eindruck ist, dass die deutschen Botschaften die Einreise unnötig erschweren.“
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