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Joachim Löw braucht einen TitelErneuerer auf Abruf

Joachim Löw steht bis zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien unter verstärkter Beobachtung. Wird es dann nichts mit dem Titel, dürfte eine Ära enden.

Es wird ungemütlich für Herrn Löw. Bild: reuters

Man kann sich seine Kritiker ebenso wenig aussuchen wie seine Fürsprecher. Das gilt insbesondere für Joachim Löw, dessen Elf am Dienstagabend im Berliner Olympiastadion gegen Schweden in einem WM-Quali-Match antritt (20.45 Uhr, ARD). Gestern machte sich Lothar Matthäus für den Bundestrainer stark. „Jeder Trainer hat sein eigenes Konzept und seinen eigenen Führungsstil, wir sollten alle nicht immer mit dem Finger auf jemanden zeigen und ihm sagen, was er zu tun und zu lassen hat.“

Das mag ja gut gemeint sein vom Rekordnationalspieler, aber die Jagdsaison auf Löw ist nach dem vergeigten EM-Halbfinale gegen Italien eröffnet. Das kann auch der Lodda nicht ändern. Man schießt recht großkalibrig auf Joachim Löw, 52. Mal ist es Hoeneß, dann wieder sind es die Buben vom Boulevard, die ein paar Schrotladungen abfeuern. Es meckern Watzke und Klopp, und bisweilen gibt Kahn seinen Senf aus der Riege der „Experten“ dazu. Es ist vorbei mit der Ruhe. Löw steht unter Druck.

Ergebnisse wie das 6:1 gegen die Iren werden nebensächlich, wenn der Verbund der Kritiker seine Botschaft loswerden möchte. Und die lautet: Der Zauber ist verflogen, Löws Zeit ist bald schon vorbei. Oder wie es die SZ in einem Meinungsbeitrag vom Montag formulierte: „Die meisten Anzeichen deuten darauf hin, dass sich Löw auf der letzten Etappe seiner Bundestrainerzeit befindet.“ Die Zeit bis zum mutmaßlichen Abschied im Sommer 2014 sei zwar noch lang, schreibt das Blatt. „Trotzdem scheint eine Ahnung davon bereits in die Gegenwart hineinzuwirken.“

Die Gegenwart des Bundestrainers Löw ist nicht frei von Unterstellungen. Er gehe zu nachsichtig mit den Spielern um, verhätschele sie. Sein Taktikwissen sei entgegen aller Annahmen doch beschränkt, und überhaupt werde er immer dünnhäutiger. Manche unterstellen ihm gar Amtsmüdigkeit. Diesen Mutmaßungen trat Löw gestern auf der Pressekonferenz des DFB-Teams in Berlin entgegen.

Der Linie treu bleiben

„Nein, ich habe mich definitiv nicht geändert.“ Er wolle so weiterarbeiten wie bisher. „Wir wissen, in welche Richtung wir gehen wollen. Wir bleiben unserer Linie treu. Meine Motivation ist ungebrochen.“ Und weiter: „Wir sind die Nummer zwei der Welt, welchen Grund sollte es geben, verzweifelt zu sein?“ Keinen, möchte man meinen. Und doch wird so getan, als stünde der deutsche Fußball unter der Führung von Löw vorm Untergang.

Auf das manische Hochschreiben des Teams bis zum EM-Aus folgte das depressive Herunterschreiben. Der Unterschied allerdings zum üblichen Auf und Ab: Man übertrieb es ein wenig. Das fiel sogar dem Dortmunder Vereinschef Hans-Joachim Watzke auf, dem man nicht nachsagen kann, er habe eine Naheverhältnis zu Löw. Es handle sich bei der Kritik zum größten Teil um „unsachlichen Quatsch“.

Man müsse dem Bundestrainer auch mal zugestehen, in einer schwierigen Situation überzureagieren. Ob er damit auch die recht harsche Kritik von Löw am Dortmunder Schmelzer meinte? Löw hatte angedeutet, dass er Schmelzer nicht eben für den neuen Lionel Messi halte – sondern eher für einen Notnagel: Es gebe in der Bundesliga ganz wenige Alternativen, „und ich kann sie mir auch nicht schnitzen.“

Dass ein Bundestrainer in der Kritik steht, ist nichts Ungewöhnliches. Bemerkenswert war eher, wie ungestört Löw und sein Team in den vergangenen drei, vier Jahren arbeiten konnten. Das letzte Mal, dass einem Bundestrainer eine wirklich raue Brise um die Nase wehte, das war 2004/05, als Bundestrainer Jürgen Klinsmann den deutschen Fußball von rechts auf links wenden wollte und sich den Ärger einiger Bundesligabosse einhandelte. Sie wollten nicht von einem Trainernovizen belehrt werden.

Respektable Halbfinalteilnahmen

Doch Löw ist als Fachmann und Erneuerer anerkannt, allerdings fehlt ihm der große Titel, eine Trophäe, die ihn sakrosankt und widerstandsfähig gegen jede Art von Kritik machen würde. Löw kann nur zweite oder dritte Plätze vorweisen respektive Halbfinalteilnahmen. Das ist für viele zu wenig.

Sie sind der Überzeugung, mit dieser „goldenen Generation“ um Özil, Reus und Götze gewinne man Titel quasi auf Knopfdruck. Mit so einem Personal sei es doch eher ein Kunststück, keinen Titel zu holen. Das heißt im Umkehrschluss: Gewinnt die Löw-Combo nicht 2014 in Brasilien die WM, dann ist es vorbei mit der Bundestrainer-Herrlichkeit.

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2 Kommentare

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  • D
    David

    "Ein Champion muss die Massstäbe setzen. Grosse Mannschaften, die Brasilianer, Argentinier, Franzosen und Spanier, die Deutschen von 1990, haben jeweils eine eigene Art und Weise, das Spiel zu interpretieren, so dominant umgesetzt, dass sie über Jahre stilbildend wurden. Alle Kids wollten nach dem Doppeltriumph der Franzosen so spielen können wie Zidane. Xavi und Iniesta haben ähnliche Hypes ausgelöst wie Klinsmann und Matthäus, Maradona, oder Ronaldo und Ronaldinho."

     

    Ein guter Punkt...

     

    Ich finde, dass die deutsche Nationalmannschaft es sogar geschafft einen Massstab zu prägen, der einen gewissen Wiedererkennungswert aufweist.

    Das schnelle Umschalten (Phrase...), das eine gewisse Ähnlichkeit zu Konterfußball aufweist, hat sich mittlerweile als Charakteristikum der DFB-Elf erwiesen. Ich denke hierbei zum Beispiel zuletzt an das 2:0 gegen die Iren, aber natürlich auch an die Tore gegen England 2010 oder z.B. im Länderspiel gegen Holland. Das heisst Ballgewinn und 2-3 Pässe und Abschluss. In meiner Sicht eine schöne und für das Auge angenehme Spielweise. Natürlich gibt es immer wieder Nationalmannschaften, die von herausragenden Einzelkönnern geprägt werden (die von Ihnen aufgeführten Maradona, Ronaldo, Ronaldinho), aber die kann man sich eben nicht schnitzen (hehehe).

  • PM
    Plautze mit Niveau

    Für mich eine Systemfrage an den internationalen Verband. Im derzeitigen Austragungsmodus kann ein Trainer relativ lange relativ viel mediale Aufmerksamkeit erhalten, ohne einen letztendlichen Beweis dafür abliefern zu müssen, ob bestimmte Grundannahmen, die er oder dieses mediale Umfeld erzeugen, zutreffen oder nicht.

     

    Das Irlandspiel ist da ein typisches Beispiel: natürlich glänzt man ziemlich, wenn man solche Spieler mit hat, wie Löw sie aufbieten kann, und es gegen so einen schwachen Gegner geht. Aber, haben sich hier Löws Fähigkeiten erwiesen, die Mannschaft gut einzustellen, oder hat die Truppe halt gemerkt, dass sie mal wieder einen raushauen muss, um die lautgewordene Kritik zu dämpfen?

     

    Bei der EM konnte die deutsche Mannschaft, wie auch schon in Turnieren zuvor, keine Kontinuität von der Art zeigen, wie sie sonst aus einer systematischen Überlegenheit resultiert. Es gab keine deutsche Art und Weise der Interpretation von Fussball, die sich aufgezwungen hätte, wie etwa diejenige der Spanier.

     

    Letztlich waren in den entscheidenden Situationen immer fähige Einzelleistungen von Individualisten ausschlaggebend, wenn es geklappt hat.

    Gegen den einfachen Fussball der Italiener hat das hochgejazzte takische Konzept hingegen rasch und vollständig versagt.

     

    Ein Champion muss die Massstäbe setzen. Grosse Mannschaften, die Brasilianer, Argentinier, Franzosen und Spanier, die Deutschen von 1990, haben jeweils eine eigene Art und Weise, das Spiel zu interpretieren, so dominant umgesetzt, dass sie über Jahre stilbildend wurden. Alle Kids wollten nach dem Doppeltriumph der Franzosen so spielen können wie Zidane. Xavi und Iniesta haben ähnliche Hypes ausgelöst wie Klinsmann und Matthäus, Maradona, oder Ronaldo und Ronaldinho.

     

    Ich sehe nicht, dass Löw den Willen vermittelt, in einen Vergleich auf dieser Ebene einzutreten. Die Spieler dazu hat er längst, aber solange er sich im doch recht statischen 4-2-3-1 bewegt, seine offensiven Alternativen sich in Gomez oder Klose, Klose oder Gomez erschöpfen, jede Einwechslung ein Beben auslöst, dass den Gesamtverband nachhaltig erschüttert, alles daran hängt, ob Schweini fit ist oder schwächelt, solange wird man über das obere Mittelmass nicht hinauskommen.

     

    Genügt vielleicht ja auch. Schliesslich ist die Zielgruppe aus der Sicht des Hauptwerbepartners Mercedes ja auch diejenige, die Autos der oberen Mittelklasse kauft. Ich war lange für Löw und gegen Sammer. Mittlerweile sehe ich das genau umgekehrt. Löw ist sicher menschlich sympatischer, aber Sammer hat die Art von aggressiven Impulsen eingefordert, die wirklich fehlen. Kein gutes Zeichen, dass er weg ist.