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Jo Leinens Erfolge lassen auf sich warten

■ Der saarländische Umweltminister kann die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen / Von Felix Kurz

Zielstrebig hat er den Marsch durch die Institutionen angetreten. Vor zwei Jahren wurde der jetzt 39jährige Jo Leinen Umweltminister des Saarlandes. Jahrelang im Vorstand des BBU, wurde Jo Leinen berühmt, als er im Februar 1981 vom Container herunter die Demonstranten per Megaphon zum AKW Brokdorf dirigierte. Heute sieht er keine Alternative zu seiner Ministertätigkeit.

So einen Erfolg hatte sich der saarländische Umweltminister Jo Leinen (SPD) in seiner über zweijährigen Ministerlaufbahn schon lange einmal gewünscht. Als ihm das Urteil des Verwaltungsgerichts in Straßburg am Donnerstag, dem 11.Juni, bekannt wurde, plante er sofort für den nächsten Tag eine Pressekonferenz. Die Straßburger Richter waren zu dem Ergebnis gekommen, daß zumindest die Blöcke 3 und 4 des französischen Nuklearparks in Cattenom rechtswidrig seien. Doch die Geschichte ließ sich nicht bis zum folgenden Tag unter der Decke halten. Diesmal vermasselten dem „lieben Jo“ ein paar Journalisten, die routinemäßig und täglich in Straßburg beim Tribunal Administratif nachfragten, den PR– trächtigen Auftritt. Der französische Reaktor verhalf dem Öko–Minister schon des öfteren zu Schlagzeilen, zu positiven. Beispielsweise als er die im Saarland vorhandenen Genehmigungsunterlagen zu Cattenom der interessierten Öffentlichkeit zur Lektüre anbot, auch wenn diese lediglich von einem kleinen Fachzirkel verstanden wurden. Alle überregionalen Presseorgane beorderten damals ihre Korrespondenten zu „Jo“. Auch die taz fehlte nicht. Ein anderes Mal platzte ein Unfall in Cattenom in die harten Attacken gegen ihn in seiner bislang brenzligsten Affäre, dem Fischsterben. „Cattenom sei Dank“ frotzelte man im Umweltministerium. Doch die saarländische Umweltpolitik besteht ja nicht allein aus Erklärungen gegen den benachbarten Schrottreaktor, meint Hans–Georg Wagner, parlamentarischer SPD–Fraktionsgeschäftsführer. Nach der Übernahme der Regierungsverantwortung im März 1985 wollen auch die Genossen von Jo Leinen konkrete Ergebnisse sehen. Den Mann hatten viele nur mit Murren als Minister akzeptiert, nicht zuletzt, um die Grünen unter fünf Prozent zu drücken. Den „Unmut in der Fraktion“, der vieles zu langsam geht, teilen auch die Umweltschutzgruppen im Saarland. Der Vorsitzende der saarländischen Sektion des DBV (Deutscher Bund für Vogelschutz), Dr. Eckehard Gerke, ist „enttäuscht“ und hält es „schlicht für sinnlos, mit dem Minister über Umweltschutz zu reden“. Gerke, Richter am Landgericht, ist seit vielen Jahren engagiertes SPD– Mitglied. Sein knappes Fazit zur Umweltpolitik seiner Genossen: „In fast allen Bereichen ist es leider bei Ankündigungen geblieben.“ Gerkes Mitstreiter, Stefan Mörsdorf, jahrelang beim BUND und DBV aktiv, schrieb in einem mehrseitigen Brief an Ministerpräsident Oskar Lafontaine (SPD): „Um es salopp zu sagen, von dem Motto Arbeit und Umwelt ist nach zwei Jahren Ihrer Regierungsarbeit nur Arbeit übriggeblieben. Die Umwelt nimmt in Ihrer Regierungspolitik keinen tatsächlich höheren Stellenwert als bei der vorhergehenden Landesregierung ein, allenfalls wird das Bekenntnis zum Umweltschutz vollmundiger bekundet.“ Der BUND–Saar und mancher Bürger aus dem kleinen Örtchen Eiweiler inszenierten gar eine Aktion „Josef Hilf“. Der Grund: Vergebens hatten sie sich „tränenden Auges und hustend an den Umweltminister“ im Fall der Firma Agepan gewandt. Die Emissionen des Unternehmens, ein Spanplattenwerk, machten nicht nur die Ortsansässigen für Bindehautentzündungen, Entzündungen und Verätzungen der Schleimhäute von Nase, Mund, Rachen und Bronchien sowie Allergien verantwortlich. Das war im November 1986. Erst vergangenen Monat erhielt die Firma einen Bußgeldbescheid wegen Überschreitung von Genehmigungswerten, und auch ein Stillegungsverfahren für einen Dampfkessel leitete das Ministerium ein. In einem DBV–Sonderheft zum Saarausbau „Retten, was noch zu retten ist“ ist Eckehard Gerke „in stummer Verzweiflung“ vor allem von der „Skrupellosigkeit überrrascht, mit der die Einwände der Naturschutzverbände“ abgetan wurden. Ankündigungsminister? Doch nicht nur die Saarkanalisation, die von Umweltschützern als genauso „unsinnig“ wie der Rhein–Main–Donau–Kanal beurteilt wird, treibt die Verbände um. Ihnen fehlt eine Gülle–Verordnung, für die zwar der Wirtschaftsminister letztendlich zuständig wäre, doch von Leinen erwartet man dazu den entscheidenden Anstoß. Entsprechendes hatte der Minister auch schon mal angekündigt. Doch dabei blieb es. Nicht anders verfuhr Leinen bei einem anderen Thema. Alle sechs Wochen werde er ein Naturschutzgebiet ausweisen, ließ er verlauten. Ausgewiesen wurden bis heute gerade zwei Naturschutzgebiete. Die „Wende“ in der Abfallpolitik, die nach übereinstimmender Ansicht von Umweltschutzverbänden und Grünen „eindeutig in Richtung Verbrennung“ zielt, ist der jüngste casus belli. Bemerkenswert dabei ist die Tatsache, daß nicht etwa Jo Leinen, sondern seine neue Stellvertreterin Ursula Giersch auf einem Müllsymposium des Kommunalen Abfallsbeseitigungsverbandes (KABV) die neue Marschroute bekanntgab. Der Minister vermied zu diesem Thema lange jede Stellungnahme. Zeitweise favorisierte er sogar den Müllexport in eine französische Müllverbrennungsanlage (MVA), weil im eigenen Land eine solche Anlage politisch nicht durchsetzbar sei. Für die Einführung der Verbandsklage benötigte man im Saarland zwei Jahre. Das sei „symptomatisch“ für die Herangehensweise im Umweltschutz, meint man beim BUND. Verabschiedet wurde inzwischen ein neues Abfallgesetz, daß allerdings bei den früheren Mitstreitern von Jo Leinen, den Naturschützern, helles Entsetzen ausgelöst hat. Giftmüll soll in Zukunft durch eine staatlich kontrollierte GmbH beseitigt werden, und einen neuen Abwasserplan präsentierte Jo Leinen Ende Juni. Versprochen hatten sich die Vogelschützer auch einen baldigen Abwasserbescheid für die Dillinger Hütte. Das Unternehmen leitet seit Jahrzehnten hochgiftige Stoffe in die Umwelt ein und soll darüber hinaus auch noch für das verheerende Fischsterben in der Saar verantwortlich sein. Als diese Tatsache Anfang April ruchbar wurde, versuchte man im Umweltministerium Frager mit dem Hinweis zu beruhigen, das in die Schagzeilen gelangte Unternehmen erhalte „nächste Woche“ den Abwasserbescheid, an dem man gerade den letzten Schliff anlege. Doch bis heute ist der offenbar brisante Abwasserbescheid nicht bei der Dillinger Hütte angekomen. Die jüngsten Aktivitäten des Umweltministers kommen nicht von ungefähr. „Da hat die Fraktion Druck gemacht“, sagt ein Landtagsabgeordneter. Auch Os kar Lafontaine hat sich seinen Ressortchef für Umwelt zur Brust genommen. Personalpolitik gibt es nicht Vorausgegangen war dem ein Gespräch zwischen Oskar Lafontaine und den zumeist sozialdemokratischen Vorstandsmitgliedern der Umweltschutzverbände in der Staatskanzlei, bei dem sich die Verbände mal den Frust von der Seele reden konnten. Dabei ging es auch um die Personalpolitik im Umweltministerium. Auch bei der Einschätzung der Leinenschen Personalpolitik kamen die Umweltschützer bei dem Gespräch zu einem niederschmetterden Urteil. „Das war nichts.“ Nicht ein ausgewiesener Umweltschutzexperte sitzt beispielsweise im Amt des Ministers, so Eckehard Gerke. Das sinnvollste in der Personalpolitik von „Container–Jo“, wie Leinen seit der Brokdorf–Großdemo genannt wird, sei bisher die Aufstellung von drei Containern für die getrennte Müllsammlung gewesen, meint ein anderer. Da ist zum Beispiel der persönliche Referent von Jo Leinen. Der sei eine „Niete im Umweltbereich“, sagt Stefan Mörsdorf. „Sachkenntnisse hat der nicht.“ Eckehard Gerke zu seinen Erfahrungen mit dem Ex–Juso–Landeschef: „Der sitzt da und malt Kringel aufs Papier.“ Ein Regierungsmitglied, das nicht genannt werden will, vertritt die Ansicht, man kann „dem Minister ja nicht noch bei der Auswahl des persönlichen Referenten hineinreden“. Unisono heißt es aus Fraktions– und Kabinettskreisen: „Der Jo macht eine völlig falsche Personalpolitik.“ Gemeint ist damit vor allem das zögerliche Verhalten und die Auswahl von Jo Leinen bei der Berufung neuer Beamten in Entscheidungsfunktionen. „Der tut sich bei jeder Personalauswahl schwer.“ Auch das Fehlen einer Person, die das Ministerium organisiert, wird beklagt. Zum einem würde sich der Minister zu sehr im Amt abkapseln, zum anderen aber „nutzt der den Sachverstand des Ministeriums nicht richtig“. Dahinter steckt vor allem der Hinweis, daß sich Jo Leinen zu wenig gegenüber seinen Beamten durchsetzt. „Der hat das vielleicht unterschätzt.“ Man habe sich da auch schon mal „intern Gedanken gemacht, ob der ein oder andere das nicht besser machen könnte“. Während der Minister zu bedenken gibt, daß im Saarland die Voraussetzungen für einen guten Umweltschutz denkbar schlecht seien, ihm fehle es an Haushaltsmitteln, und das Personal sei eben durch die jahrzehntelange CDU– Regierung strukturiert, äußern BDV und BUND eher Zweifel an der Kompetenz von Container–Jo. In einem Schreiben, mit dem er auf die massive Kritik durch die Umweltschützer an seiner Politik antwortet, findet sich gar der Satz: „Dennoch stimme ich Ihnen zu, daß Schützenswertes geschützt werden sollte.“ Bei so viel Übereinstimmung meint Stefan Mörsdorf: „Der ist überfordert, der Laden ist eine Nummer zu groß für den.“ Für ihn ist Leinen inzwischen eine „tragische Figur“ geworden. Eckehard Gerke bemängelt die „Appeasement–Politik“ des Ministers. „Der hält offenbar Druck nicht aus. Der hat nicht das gehalten, was wir uns von ihm versprochen haben.“

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