: Jetzt reicht's!
■ Kursänderung in der schwedischen Wohnungspolitik
Mit aller Deutlichkeit wird jetzt klar, daß die soziale Wohnungspolitik unter dem Motto „Alle haben das Recht auf eine ordentliche Wohnung zu angemessenen Kosten“ in ernste Gefahr geraten ist. Der Haushaltsvorschlag der liberal-konservativen Regierungskoalition sieht eine umfassende Kürzung der Wohnungssubventionen vor. Die Regierungsparteien „Moderaterna“ und „Folkpartiet“ haben in ihrem Wahlprogramm als langfristiges Ziel sogar die völlige Abschaffung der staatlichen Unterstützung des Wohnungsbaus angekündigt.
Diese Kürzungsvorschläge kommen in einer Situation, in der viele Mieter — besonders in der Stockholmer Region — sich nicht mehr die Wohnungen leisten können, die sie eigentlich benötigen. Nicht nur, daß 170.000 Wohnungsgesuche nicht erfüllt werden können, 100.000 dieser Haushalte haben zur Zeit sogar überhaupt keinen Mietvertrag. Auf der anderen Seite stehen viele Neubauten leer, denn niemand ist in der Lage, die hohen Mieten für diese Wohnungen zu zahlen.
Die Kürzungspläne der Regierung werden weitere kräftige Mieterhöhungen nach sich ziehen. „Schweden kann sich die hohen staatlichen Wohnsubventionen nicht leisten“ — dies ist ein in der Debatte immer wieder zu hörender Spruch, die staatlichen Ausgaben für den Wohnungssektor belaufen sich inzwischen auf circa 11,8 Milliarden Mark. Von den Einnahmen wird dagegen kaum geredet, und dies obwohl sie in derselben Größenordnung liegen. Der Staat kassiert Bau- und Verwaltungsmehrwertsteuer, Gebäude-, Energie- und Umweltsteuern. Ein Nullsummenspiel, aus dem das Staatsbudget sogar mit einem kleinen Plus hervorgeht.
Sowohl die Regierung als auch die Kommunen wollen den Mietern den Kauf ihrer gemeinnützigen Wohnungen erleichtern. Das Kaufinteresse der Mieter ist bis jetzt jedoch außerordentlich schwach gewesen. Das hat vor allem die konservativen Politiker in Stockholm mißmutig gestimmt. Doch schließlich sprechen sie immer von „Wahlfreiheit“. Und so müssen sie nun auch die Wahl der Mieter akzeptieren: Diese wollen eben Mieter bleiben. Daher werden sie auch die drohenden Verschlechterungen nicht schweigend akzeptieren. Unter der Parole „Jetzt reicht's“ wird von einer ständig stärker werdenden Protestbewegung eine intensive Meinungsbildung betrieben. Ihr Ziel ist klar: Die soziale Wohnungspolitik muß erhalten bleiben. Solweig Waidelich
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