■ Soundcheck: Jethro Tull / Bernd Begemann / Attwenger / Alloy und 2 bad
Gehört: Jethro Tull. Daß er von der Krankheit Too old to rock'n roll, too young to dienoch verschont geblieben ist, zeigte der überzeugte Schotte Ian Anderson am Freitag vor dem fast ausverkauften Rund im Stadtpark. Die alten Fans aus den 70ern tummelten sich dort mit den jungen Fans, die heuer das Revival jener vermeintlich friedlichen Dekade feiern. Und wie damals üblich, hob am Freitag die Show Andersons und seiner Mitstreiter mit dem Auftritt einer lustigen Person an: Die Putzfrau mit Musikverstand spielt am Radio, während hinter ihrem Rücken die Rowdies die Instrumente geraderücken und noch ein Sofa aufstellen, auf das Mr. Anderson im Laufe des Abends den einen oder anderen Gast aus dem Publikum bittet. Die Atmosphäre ist familiär, die Kinder auf Papas oder Mamas Arm behalten die Ruhe, junge Nachwuchs-Fans geben sich ganz den Rhythmen hin, die einst doch noch so ausgeflippt klangen, und schütteln sich die Seele aus dem Leib. Während sich Gitarrist Martin Barre, Andy Giddings am Keyboard, Dave Pegg am Bass und Doane Perry am Schlagzeug durch die alten Hits improvisieren, bleibt Anderson bei seiner Performance-Kunst als irrlichterner Flötist auf einem Bein, der neben Flötentönen auch Röcheln, Schnaufen und Grummeln aussendet — ganz wie vor 20 Jahren, als Thick as a brickThema im Englischunterricht wurde. Für beständige Anachronisten wie Ian Anderson ist Living in the pastimmernoch ein wirksames Motto. jk
Heute abend: Bernd Begemann/Attwenger. Konjunkturelle Höhen hat Bernd Begemann nie so richtig erlebt. Die Kritiker jubilierten zwar ob der wirklich schönen und intelligenten Texte auf seinen bisherigen Schallplatten, doch das Plattenkäufer-Volk ignorierte weitgehend sein Werk und seine Gruppe Die Antwort. Da half auch die musikalische Liason mit dem vormaligen Müller-Westernhagen-Gitarristen Karl Allaut nicht, der Versuch also durch Charts-gängigen Deutschrock etwas vom Kuchen der Grönemeyers, Kunzes und anderen in dbzubekommen. Die Frage nach der Antwort hat sich inzwischen erledigt. Unter seinem bürgerlichen Namen erschien unlängst Rezession Baby, sein neuester Longplayer. Mit seinem etwas kantigeren Werk bereitet er heute abend auf die österreichischen Ethno-Hip-Hopper Attwenger vor. Die sprechen — mit Volksmusik aus Quetschkommode und Schlagzeug bewaffnet — schon andere Körperregionen an als der etwas kopflastige Bernd Begemann. kader
Heute abend: Alloy und 2 bad. Vic Bondi, der als „Professor of Power“ apostrophierte Kopf von Alloy, klärt als Texteschreiber, Sänger und Gitarrist mittels Hard Core auf. 2 Bad aus Homburg, zusammengesetzt aus Resten von Spermbirds, Challenger Crew und Stigmatized, mixen Funk- und Reggae-Elemente zu untersetztem Westküsten-Punk.
Heute abend: Das Konzert von Mario Bauza in der Fabrik fällt aus.
Foto: Jörg-Martin Schulze
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