■ Read.me: Jenseits des Störfaktors Fernsehen
Journalisten und Psychoanalytiker im Gespräch – kontroverser könnte ein Dialog wohl kaum besetzt sein: Auf der einen Seite Menschen, die sich vorzugsweise über Monate oder Jahre mit einem Individuum beschäftigen, auf der anderen Seite die Überflieger (bzw. -innen, die trotz des Titels die Mehrzahl der Beiträge lieferten) der Massenmedien, die davon leben, schneller als die Konkurrenz von Thema zu Thema zu springen – „selbsternannte Weltmeister, die untereinander im Dauerwettbewerb stehen“, wie es der WDR-Kulturredakteur Curt Hondrich ausdrückt. Die Folgen sind bekannt und lassen sich wohl treffend mit Gottfried Benns Bonmot beschreiben: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“, etwa wenn in Berichten zur Vermeidung des vermeintlichen Unworts „Zigeuner“ immer wieder „Roma und Sinti“ Arm in Arm aus Rumänien flüchten oder rechtsradikale Jungstürmer zur besten Sendezeit in voller Stärke posieren dürfen, während ihre Opfer nur noch als gesichtslose Zahlen auftauchen.
Spannend wird die Dokumentation immer dann, wenn solche Fallbeispiele (Lübeck, Solingen, Bonengels Althans-Porträt „Beruf Neonazi“, Ober-Republikaner Franz Schönhuber nach dem Einzug ins Europaparlament) noch einmal konkret, zum Teil im Manuskript dargestellt und analysiert werden – ohne die störende, überwältigende Kraft der Fernsehbilder und O-Töne. Andere Passagen, etwa die freudianische Meditation „Vom Umgang mit Scham in der Beziehung zum Fremden“ oder diverse Praxistips zur Interviewführung, dürften nur für Angehörige der beiden Berufsgruppen von Interesse sein; aber da selbst deren Zahl die der taz-Leser deutlich übersteigt, sei hier die Anschrift des Sponsors noch genannt, zumal die 232seitige Broschüre dort kostenlos zu bestellen ist:
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Beate Winkler (Hg.): „Die Täter- Opfer-Falle. Journalisten und Psychoanalytiker im Gespräch über Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit“. Weinheim 1997
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