Jemenitische Trancemusik aus Israel: Sei schlau, hör mehr Marke Eigenbau

El Khat machen einen arabisch gestimmten Trancerock mit Do-it-yourself-Note. Im Berliner Urban Spree brachten sie die Menschen in Schwung.

die drei Musiker von El Khat

Berauschend: El Khat mit dem versierten Instrumentenbauer Eyal el Wahab (rechts) Foto: Promo

Das Urban Spree auf dem Berliner RAW-Gelände ist ein kleines Kellerloch, obwohl der niedrige und fensterlos dunkle Raum genau genommen gar nicht treppab Souterrain liegt. Egal. Jedenfalls war er dicht mit Menschen bepackt, manche steckten sich zur weiteren Verbesserung der Atmosphäre noch eine Kippe an. Rauch, stickige Luft, wenig Licht. Ideale Voraussetzungen also für eine schwitzige Kellermusik, auf die man da am Wochenanfang bei diesem Konzertabend hoffte.

Die Hoffnung, sie trog auch nicht.

Am Ende wurde sowieso ganz allgemein getanzt zu der Musik, man sah glückliche Gesichter

Am Ende wurde sowieso ganz allgemein getanzt zu der Musik, man sah glückliche Gesichter, und überhaupt muss man wieder den Chuck Berry zitieren mit der in seinem Song „School Days“ aufgemachten Gleichung the feelin’ is there, body and soul. Bitte sehr: Rock, rock, rock and roll.

Eine Körperseelenmusik. Das war es, was El Khat da im Rahmen ihrer Europatournee im Urban Spree auf die Bühne brachte.

Beim Namen des Trios soll man natürlich gleich an das Kraut mit aufputschender Wirkung denken, Khat ist im Nahen Osten eine gern gekaute Alltagsdroge. Interessanter aber war doch der Blick aufs Schlagzeug der Band. Mit seiner Kochtopf-Erweiterung und den dazu gestellten Blechdosen brachte es gleich eine deutliche Do-it-yourself-Note ins Spiel. Denn Pop heißt oft auch, ihn einfach zu machen. Nicht erst um Erlaubnis fragen. Tun. Mit dem was man so in die Hände bekommt.

Musik im Selbstbau, gegen Mangellagen bei den Produktionsmitteln. Mit diesem Prinzip ist Pop gut durch abenteuerliche Zeiten gekommen. Hat man keine Instrumente, macht man sie sich selbst.

El Khat ist noch bis 9. April auf Europatour mit Terminen in Dänemark, den Niederlanden und Belgien. Das aktuelle Album der Band “Albat Alawi Op.99“ ist bei Glitterbeat erschienen.

Bei der Skiffle-Welle in den fünfziger Jahren mit den Blues- und Folk-Stampfern schnappte man sich ein Waschbrett für den Rhythmus, der Bass wurde aus irgendwelchen Kisten gebastelt, und eine Gitarre hat sich meist doch irgendwo gefunden, die ein paar Jahre später bei der großen Beat-Begeisterung irgendwie elektrifiziert werden musste. Dazu ertüftelte man im Eigenbau fehlende Verstärker und Boxen, damit die Musik auch ordentlich wummerte.

In New-Wave-Zeiten ging wieder alles ganz schnell. Zack, war eine Band gegründet, einer hatte die Trommel zu schlagen. Ein „richtiges“ Schlagzeug musste es nicht unbedingt sein. Da reichten manchmal diese großen Papptrommeln, in denen in den Achtzigern das Waschpulver gehandelt wurde.

Aus der Not die Tugend. Auch der Erfolg der Einstürzenden Neubauten ist letztlich wohl dem finanziellen Dilemma geschuldet, das in den frühen Krachschlag-Tagen der Berliner Band den Schlagzeuger dazu brachte, sein Instrument zu verkaufen, sodass in Folge bei den Neubauten stilprägend auf Metallschrott herumgetrommelt wurde.

Auch der Jemen ist nicht gerade als Überflussgesellschaft bekannt. El-Khat-Frontmann Eyal el Wahab ist als Kind der jemenitischen Diaspora in Israel, in Tel Aviv, aufgewachsen, den Weg zu seiner Musik fand er auch über das Album „Qat, Coffee & Qambus: Raw 45s from Yemen“, eine Sammlung jemenitischer Musik aus den Sechzigern, bei der eben solche Selberbau-Aneignungen zu hören sind.

Was die einen wegschmeißen, taugt den anderen zur Musik. Das bleibt bei den Blechdosen am Schlagzeug nicht stehen. Eyal el Wahab hat diesen Selbstbau-Ansatz noch entschieden weiter getrieben mit echten Meisterstücken wie dem von ihm im Urban Spree verwendeten orientalischen Saiteninstrument. Er spielt es wie eine Gitarre oder auch, mit dem Bogen, wie eine Kniegeige. Dazu wimmerte der Synthesizer betörende Arabesken, das Schlagzeug schepperte. Mal war das ein arabisch gestimmter psychedelischer Trancerock, dann wieder eine von Folklore getriggerte Trancemusik.

Rockschuppen. Traditionelle Ringtänze. Beides fasste sich hier an den Händen und wirbelte wie eine Tarantella immer schneller, dass das Publikum gar nicht anders konnte, als mitzuwiegen in dieser Musik, zu wogen, zu zucken.

Körperseelenmusik. Body und Soul.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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