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Jefim Brodski

In der taz vom 7. Dezember letzten Jahres erschien Clemens Grüns Artikel „Tod eines Wehrmachtsrichters“. Es geht dabei um einen Gerichtsprozeß, der zur Zeit in Hamburg stattfindet — ein Verfahren, das sich auf Grund verschiedener Umstände historisch so verspätet hat, daß es die Geschichte nun durch Absurdidät bestraft. Zwei ehemals in der DDR wohnhafte Rentner sind angeklagt, 1947 in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager bei Klaipeda den Stabsrichter Erich Kallmerten in einem Akt von Selbstjustiz umgebracht zu haben. Clemens Grüns Artikel zog unvermutet weite Kreise. Vor einiger Zeit meldete sich in unserer Moskauer Redaktion der Germanist und Historiker Professor Jefim Brodski. Brodski, geboren 1913, hat nicht nur im Zuge seiner jahrzehntelangen Forschungen über den antifaschistischen Widerstand in Deutschland selbst und unter deutschen Kriegsgefangenen Informationen zum Tode Kallmertens erhalten. Der Fall berührt auch Brodskis persönliche Biographie. Brodski war Betreuer des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ (unter sowjetischer Koordination wurden übergelaufene Offiziere und Soldaten für die Nachkriegszeit ausgebildet). Nach dem Krieg arbeitete er in Berlin bei der sowjetischen Zentralkommandantur im Rang eines Oberstleutnants in der Abteilung Kultur bis 1949. 1953 zog er die Uniform aus. Seine Promotionsarbeit über den 20. Juli 1944 durfte in der UdSSR lange nicht publiziert werden. Bis vor kurzem lehrte Professor Brodski noch. Zwei seiner zahlreichen Publikationen erschienen auf Deutsch: „Die Lebenden kämpfen. Die illegale Organisation Brüderliche Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen“, Berlin 1968 und „Im Kampf gegen den Faschismus. Sowjetische Widerstandskämpfer in Hitlerdeutschland 1941-45“, 1975. Auf Grund der deutschen Presseberichte begann Brodski, das Tagebuch Erich Kallmertens zu suchen, bisher vergeblich. Statt dessen fand er im „Ministerium des Inneren“ die bis dato unbekannte Strafakte, die die taz in Auszügen dokumentiert.

Siehe auch das heutige Tagesthema auf Seite 3

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