Kerstin Scheinert über Werkstätten: „Jeder Mensch soll die Chance haben, zu arbeiten“
Sind Werkstätten für Menschen mit Behinderung ein Auslaufmodell? Nein, sagt die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstatträte Schleswig-Holstein Kerstin Scheinert.

taz: Frau Scheinert, wann ist es Ihnen zum letzten Mal passiert, dass in Ihrer Gegenwart über Ihren Kopf hinweggeredet wurde?
Kerstin Scheinert: Das muss mindestens zehn Jahre her sein. Es passiert nicht mehr, und wenn, dann nehme ich es nicht wahr. Ich möchte mich nicht über so ein Verhalten ärgern.
wurde 1974 in Elmshorn nahe Hamburg geboren. Nach ihrem Abitur begann sie eine Banklehre. Ein schwerer Unfall veränderte alles. Nach einer langen krankheitsbedingten Auszeit fing Scheinert 2003 in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Henstedt-Ulzburg an. Seit 2012 sitzt sie im Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte Schleswig-Holstein, inzwischen ist sie die Vorsitzende. 2022 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz „als Vorschusslorbeeren für die künftige Arbeit“, wie sie sagt. (taz)
taz: Sie sitzen im Rollstuhl. Wenn Sie die Erfahrung machen, dass mit Ihnen auf Augenhöhe umgegangen wird, ist das ein Zeichen dafür, dass die Gesellschaft offener für Menschen mit Behinderungen wird?
Scheinert: Für mich persönlich trifft es definitiv zu, weil es mir heute weit besser geht als vor zehn Jahren. Ich spüre auch generell mehr Bereitschaft, sich mit Menschen mit Behinderung zu befassen. Zwar gibt es weiter Vorurteile, aber je mehr wir über Inklusion sprechen, desto mehr verschwinden die Vorurteile. Ich muss ja zugeben, dass ich vor meinem Unfall auch etwas mitleidig auf Menschen mit Behinderung geguckt und gedacht habe, wie schrecklich ihr Leben sein müsse. Und über Werkstätten für Menschen mit Behinderung habe ich gedacht, dass da so arme Leutchen sitzen und Bleistifte schnitzen oder Briefmarken von Briefen abziehen.
taz: Heute sind Sie Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte, also sozusagen die oberste Betriebsrätin der rund 12.000 Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein, die in Werkstätten arbeiten. Wie verlief Ihr Weg bis zu diesem Posten?
Scheinert: Ich stamme aus Elmshorn in der Nähe von Hamburg, habe die Schule besucht, Abitur gemacht und steckte in einer Banklehre. Dann hatte ich einen schlimmen Unfall, die Folge war ein Schädel-Hirn-Trauma schwersten Grades mit halbseitiger Lähmung. Trotz langer Reha kam ich buchstäblich nicht mehr auf die Beine. Zurück in die Bank wollte ich nicht mehr. Ich lebte eine längere Zeit zu Hause bei meinen Eltern, aber das war nicht sinnstiftend und wäre auf Dauer für alle nicht gut gewesen. Daher habe ich mich für die Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung entschlossen.
In allen 16 Bundesländern bestehen Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte. Die in Schleswig-Holstein wurde 2005 gegründet und hat inzwischen eigene Räume in Kiel. Der Verein setzt sich für die rund 12.000 Menschen mit Behinderungen ein, die in Schleswig-Holstein in Werkstätten arbeiten. (taz)
taz: Warum? Schließlich können Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten, es gibt Programme aller Art, die den Einstieg erleichtern.
Scheinert: Ja, zum Beispiel die Unterstützte Beschäftigung oder das Budget für Arbeit. In meiner Zeit nach dem Unfall gab es das noch nicht – es tut sich also etwas und theoretisch ist vieles möglich. Aber Arbeitgeber müssen auch bereit sein, Menschen aus Werkstätten zu beschäftigen. Da gibt es weiterhin Vorbehalte, da muss sich noch einiges bewegen. Und einiges bleibt kompliziert. Nur ein Beispiel: Die Werkstatt hat einen Beförderungsauftrag, ich werde also kostenlos zur Werkstatt gefahren. Wenn ich woanders arbeite, steht mir das nicht mehr zu. Die Assistenz, die ich für zahlreiche Aufgaben brauche, müsste ich durch einen Pflegedienst organisieren. Inzwischen habe ich mich eingerichtet. Das, was ich jetzt mache, ist das, was ich mir wünsche.
taz: Wie war das am Anfang? Fiel es Ihnen schwer, die Behinderung und das neue Arbeitsumfeld zu akzeptieren? Gab es da Verzweiflung, Wut?
Scheinert: Nee, das war für mich gar kein Thema. Ich hatte lange mit meiner Genesung zu tun, da blieb keine Zeit, zu hadern. Einige fangen an, sich zu bemitleiden, nach dem Motto „Warum ausgerechnet ich?“. Aber das war bei mir nicht so. Ich muss ergänzen, dass ich einen tollen Freundeskreis und eine tolle Familie habe, die mich sehr unterstützt haben.
taz: Bevor Sie für die Tätigkeiten als Werkstatträtin freigestellt wurden, wie sah Ihre Arbeit in der Werkstatt aus? Ich vermute, Sie haben weder Bleistifte geschnitzt noch Briefmarken von Briefen abgezogen?
Scheinert: Ich bin bei den Segeberger Wohn- und Werkstätten beschäftigt und habe in der Betriebsstätte Henstedt-Ulzburg gearbeitet. Man beginnt eigentlich immer im Berufsbildungsbereich und durchläuft dann die Bereiche der Werkstatt, um das Passende zu finden. In Henstedt-Ulzburg haben wir für einen Süßigkeitenhersteller Waren verpackt, das habe ich anfangs gemacht und bin dann ins Büro gewechselt.
taz: In Ihrer jetzigen Funktion als LAG-Vorsitzende sitzen Sie in Gremien mit Vertreter:innen von Landespolitik, Verwaltung und Trägern sozialer Angebote. Wie war das am Anfang?
Scheinert: Ich habe als normale Werkstatträtin in Hennstedt-Ulzburg angefangen – sprich, ich habe dort gearbeitet und war gleichzeitig ehrenamtliche Interessenvertreterin. Dann bin ich zur Vorsitzenden des Gesamtwerkstattrats gewählt worden. Das hat mich motiviert, für den Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft zu kandidieren. Nach einigen Jahren haben mich die Kollegen dort zur Vorsitzenden gewählt. Man springt auch mal ins kalte Wasser, aber im Lauf der Zeit wächst man in diese Aufgaben rein. Heute sind solche Sitzungen Alltag für mich.
taz: Wir haben von Ihrer Arbeit gesprochen. Wie lebt die private Kerstin Scheinert?
Scheinert: Ich lebe allein in einer barrierefreien Wohnung, einer Mietwohnung der Lebenshilfe, die extra für mich eingerichtet wurde. So etwas gibt es in Norderstedt selten, daher hatte ich großes Glück, die gekriegt zu haben. Ein Pflegedienst kommt viermal am Tag, um mir beim Waschen oder Toilettengängen zu helfen. Für die LAG-Tätigkeiten habe ich eine Assistenzkraft, unter anderem für Fahrten. Diese Assistenz wird über die Eingliederungshilfe bezahlt, die Menschen mit Behinderung erhalten. Ich selbst lebe neben meinem Lohn von der Grundsicherung.
taz: Neben den geringen Löhnen für Werkstattbeschäftigte stört Kritiker:innen vor allem, dass Werkstätten ein Parallelsystem darstellen, also Menschen aus der Gesellschaft ausschließen. Befürworter:innen sehen Werkstätten als Schutzräume, in denen viele Menschen sich wohl fühlen. Wie sehen Sie das?
Scheinert: Mich ärgert, wenn Leute über Werkstätten urteilen, die wenig davon wissen. Jeder Mensch, egal mit welcher Behinderung, soll die Chance haben, zu arbeiten, und es steht anderen nicht zu, ihm zu sagen, wie und wo. Ich sehe die Vorteile der Werkstatt und denke, dass sie kein Auslaufmodell ist. Der Gesetzgeber will, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt entscheiden. Kritiker der Werkstätten gehen davon aus, dass die Arbeit in Werkstätten grundsätzlich nicht selbstbestimmt ist, aber das teile ich nicht.
taz: Wie sieht denn so ein Arbeitstag in der Werkstatt aus, was unterscheidet ihn vom ersten Arbeitsmarkt?
Scheinert: Der wesentliche Unterschied ist, dass die Werkstatt den Auftrag zur beruflichen Rehabilitation hat. Das bedeutet, dass das geschulte Personal die Beschäftigten fördert, nach ihren Möglichkeiten zu lernen und zu arbeiten. Die Arbeit wird dem Menschen angepasst, nicht andersrum. Es gibt bestimmte Schutzrechte, etwa mehr Pausen. Einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente haben Werkstattbeschäftigte bereits nach 20 Jahren. All das wirkt sich auf den Alltag aus. Einer meiner Kollegen saß neulich während der Arbeitszeit draußen, er sagte, er müsse grade mal eine Weile raus – so etwas wäre in einem anderen Betrieb sicher nicht so locker möglich. Generell bieten Werkstätten eine Teilhabe am Arbeitsleben, und Arbeit ist für jeden Menschen, mit oder ohne Behinderung, eine sinnerfüllende Tätigkeit.
taz: Aber eben getrennt von Menschen ohne Behinderung. Ist das gut?
Scheinert: Wer in einer besonderen Wohnform lebt oder im Alltag auf Hilfe angewiesen ist, hat andere Themen als Menschen ohne Behinderung, die in ihrer Freizeit zum Sport oder ins Fußballstadion gehen. Also ja, es gibt diesen Vorwurf, die Werkstätten seien eine Parallelwelt und exkludierend, aber manche Menschen wählen genau diesen Weg. Denn, nicht zu vergessen: Niemand ist gezwungen, dort zu arbeiten. Oder glauben Sie, die Leute werden eingesammelt, mit dem Bus in die Werkstatt gekarrt, dort eingesperrt und die Schlüssel weggeworfen? Gegen solche Vorurteile muss man immer wieder kämpfen.
taz: Also alles gut? Oder gibt es Verbesserungsbedarf?
Scheinert: Das Hilfesystem für Menschen mit Behinderung ließe sich insgesamt weiterentwickeln, Menschen könnten noch mehr gefördert werden. Ein Punkt sind Bildungsabschlüsse, die Jugendliche mit Förderbedarf oft nicht machen und damit dann auch von weiteren Ausbildungen ausgeschlossen sind. Für dringend notwendig halten wir anerkannte Abschlüsse für Teil- oder Helferausbildungen, damit man sich in den Firmen bewerben kann. Diese Themen werden bei den Werkstätten verortet, aber es bräuchte den politischen Willen, um etwas zu verändern, und die Bereitschaft zu Inklusion in Wirtschaft und Gesellschaft.
taz: Was würden Sie sich wünschen?
Scheinert: Schön wäre es, wenn Werkstätten wirklich attraktive Arbeitsplätze bieten. Einige haben den Bogen echt raus, die arbeiten mit großen Firmen, was ihnen mehr finanzielle Spielräume und Chancen auf Außenarbeitsplätze gibt. Das bedeutet, dass die Menschen, die das wollen, im Werkstattsystem bleiben, aber zur Arbeit in einen anderen Betrieb gehen. Die bereits genannten Bildungsabschlüsse wären wichtig, weil es möglich wäre, sich zu qualifizieren. Das würde auch das Bild von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit ändern. Denn uns wird oft abgesprochen, dass wir lernen und uns qualifizieren können.
taz: Dazu passt ein weiterer Vorwurf: Die Werkstätten, hinter denen oft große Träger wie Diakonie oder Rotes Kreuz stehen, würden die Leute im System halten, weil das Geld bringt. Sie als Werkstatträtin sollen hier nicht die Träger verteidigen, aber nehmen Sie das auch so wahr?
Scheinert: Bei allem, was Menschen mit Behinderung angeht, wird immer sehr schnell über Geld und Kosten geredet. Aber ich kann nur wiederholen: Werkstätten laufen nicht mit dem Kescher herum und fangen Menschen mit Behinderung ein. Stattdessen ist auch bei den Werkstätten der Fachkräftemangel ein großes Thema. Die Werkstattträger sind gesetzlich verpflichtet, personenzentriert zu fördern, aber sie haben nicht genügend Personal dafür. Ich würde die Diskussion lieber umdrehen: In den Werkstätten arbeiten bundesweit 300.000 Menschen. Warum kommt keiner auf die Idee, mehr Beschäftigte in Gastgewerbe oder Hotelerie einzusetzen? Dafür gibt es schon tolle Beispiele. Mit fachlicher Unterstützung und anerkannten Abschlüssen könnten viele das schaffen.
taz: Sie haben vorhin gesagt: Einige Werkstätten machen es gut, weil sie mit großen Unternehmen arbeiten. Aber die verdienen natürlich an der Arbeit der Werkstattbeschäftigten. Fühlt man sich da nicht ausgenutzt?
Scheinert: Wenn ich sagen kann, ich arbeite für den oder den Hersteller, ist das hochwertiger und fühlt sich besser an. Die Werkstatträte wollen auf gar keinen Fall, dass die Zusammenarbeit gestrichen wird, weil damit auch die Erlöse sinken. Im Gegenteil sollten Firmen dazu gebracht werden, mehr Schwerbehinderte zu beschäftigen, in Werkstätten und anderswo. Die Ausgleichsabgabe – das Geld, das Firmen zahlen, wenn sie zu wenige Menschen mit Behinderung beschäftigten – muss so steigen, dass es wehtut.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
taz: Werkstatträte setzen sich seit Jahren dafür ein, dass die Beschäftigten mehr Lohn erhalten. Wie ist der Stand der Kampagne gerade?
Scheinert: Dass es zu wenig Lohn gibt, ist allen klar. Seit den Zeiten von Angela Merkel steht die Aufgabe, ein neues Entgeltsystem zu entwerfen, in jedem Koalitionsvertrag, aber ärgerlicherweise tut sich nichts. Es gibt eine aktuelle Studie, die Lösungen für einen auskömmlichen Lohn vorschlägt. Aber seit dem Ampel-Aus liegen die Gespräche darüber auf Eis. Die Studie hat sich auch damit beschäftigt, wie mehr Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt wechseln können. Das möchte laut Umfragen etwa ein Drittel der Werkstattbeschäftigten.
taz: Was erhoffen Sie sich von der neuen Regierung?
Scheinert: Natürlich steht das Thema wieder im Koalitionsvertrag, aber vermutlich nur, damit irgendwo das Wort Inklusion auftaucht. Ansonsten herrscht Stillstand. Ich bin in Lauerstellung, ich würde gern loslegen, aber auch der Bundesverband der Werkstatträte sagt: abwarten, Füße stillhalten. Die Vorschläge zum Ende der Ampelkoalition sind vermutlich in einer Schublade gelandet. Ich hoffe, dass sie mal wieder jemand rausholt, auch wenn die aktuelle wirtschaftlichen Lage schwierig ist.
taz: Würde mehr Lohn überhaupt mehr Geld bedeuten? Oder würden einfach nur die Abzüge steigen, zum Beispiel für eine betreute Wohnung oder andere Hilfen?
Scheinert: Aktuell gilt, wenn der Werkstattlohn nicht reicht, kann man zusätzlich Wohngeld oder Grundsicherung beantragen. Das soll sich ändern. Wir sagen: Wer arbeitet, soll genug für den Lebensunterhalt verdienen. Wichtig für uns ist, dass Geld auf dem eigenen Konto landet, dass ich sehen kann: Ja, das habe ich verdient, auch wenn darauf etwas angerechnet wird. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte hat ein Basisgeld vorgeschlagen, das zum Leben reicht. Dieser Antrag scheiterte an den Kosten – allerdings kosten alle Modelle, die im Gespräch sind, mehr Geld. Das können wir in den Werkstätten aber nicht erwirtschaften. Denn wie schon gesagt steht in der Werkstatt der Mensch im Mittelpunkt und nicht die Produktionsleistung. Mehr Lohn müsste also mit Steuern finanziert werden. Viele sagen, wir müssten Mindestlohn verdienen. Aber da muss man aufpassen, dass die Betroffenen nicht schlechter gestellt werden. Der normale Mindestlohn wäre für uns kontraproduktiv, weil damit auch viele Schutzrechte verfallen würden und ein Produktionsdruck entstehen würde. Außerdem zahlt die Werkstatt für uns Beiträge in die Rentenversicherung in Höhe von 80 Prozent des Durchschnittslohns von Arbeitnehmern. Also viel mehr, als wir mit Mindestlohn zahlen würden. So bekommen wir später eine bessere Altersrente.
taz: Was können die Werkstatträte durchsetzen, wie wirkmächtig sind sie?
Scheinert: Die Werkstattmitbestimmungsregel ist seit 20 Jahren gesetzlich verankert: Die Werkstattbeschäftigten wählen ihre Vertretung, entsprechend dem Betriebsrat bei Firmen des ersten Arbeitsmarktes. Ich sehe die Mitbestimmung als langfristigen Prozess. Zu oft wird sie noch als Alibi genutzt, es wird gesagt, ihr macht tolle Arbeit, alles super. Aber wenn es um konkretes Geld geht, etwa für Assistenz, wird es schon schwierig. Bei unserer Arbeit auf Landesebene verhandeln wir etwa über Rahmenverträge zur Teilhabe mit und haben einiges erreicht – inzwischen sehen alle Beteiligten, dass es keine Alibiveranstaltung ist. Es ist nicht alles zufriedenstellend, aber wir nehmen unsere Möglichkeiten wahr.
taz: Zurzeit ändert sich das gesellschaftliche Klima in Deutschland, wir erleben einen starken Rechtsruck. Was macht das mit Menschen mit Behinderung, gibt es Ängste, das bisher Erkämpfte zu verlieren?
Scheinert: Solche Ängste gibt es, aber auch das Gegenteil, nämlich eine Zustimmung zu rechten Parolen. Auch unter Werkstattbeschäftigen wählen einige die AfD, auch wenn die meisten nicht wissen, was dahintersteckt und dass die AfD sich zum Beispiel für eine „Inklusion mit Augenmaß“ ausspricht, was eine Einschränkung der UN-Behindertenrechtskonvention bedeuten könnte. Es braucht daher auch in den Werkstätten Information und Aufklärung. Wir als Werkstatträte lehnen rechtes Gedankengut klar ab. Wir sehen es als Gefahr, denn es grenzt schwächere Menschen aus. Inklusion ist ein Menschenrecht, das nicht verhandelbar ist. Wer das als Ideologie abtut, will keine echte Teilhabe.
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