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Jeder Spieler ein Souverän

■ Herrschaft, Knechtschaft und der Spaß an der Verstellung: Frank Castorf inszeniert Brechts Herr Puntila und sein Knecht Matti am Schauspielhaus

Den schönsten Vorabkommentar hat man mit einem Heiner-Müller-Zitat bereit. „Beckett ist der Pillenknick der Dramatik.  . . . Die Pozzo-Lucky-Szene in ,Godot', der Herr und der Knecht, das ist in nuce der ganze Brecht.“ So stand es auf der Rückseite des Jahresheftes von Theater heute, eine der typischen Müllerschen Engführungen.

Der Herr und der Knecht. Bei Bertolt Brechts im dänischen Exil geschriebenen Stück Herr Puntila und sein Knecht Matti kommt man darum erst recht nicht herum. Frank Castorf sagt, beim Puntila könne man es sich einfach machen. Man brauche nur den Gutsbesitzer als jovialen Bonvivant und Lebemann besetzen. Und Matti, seinen Chauffeur, müßte man als Schwejk zeichnen. Dann bräuchte man, so Castorf, nur noch den Text sprechen zu lassen: „Die Zuschauer würden jubeln.“

Frank Castorf, Intendant der Berliner Volksbühne, inszeniert Puntila gerade am Hamburger Schauspielhaus, am kommenden Mittwoch ist Premiere. Und natürlich wird er es anders als in der skizzierten folkloristischen Tradition machen; wenn auch nicht so anders, wie es sich bei Kenntnis seiner letzten Inszenierungen erwarten ließe. Castorfs Verhältnis zu Brecht, das wurde auf dem gestrigen Pressegespräch aufs schönste klar, ist verwickelt.

Der Punkt ist, daß der Gegensatz von Herr und Knecht in seiner Klarheit heute nicht mehr funktioniert. Und trotzdem gibt es, so Castorf (im Zusammenschnitt klingt es viel zu pauschal, bitte die Differenzierungen hineinhören!): „nach dem Zusammenbruch des Sozialismus eine Sehnsucht nach Klarheit oder nach Wahrheit“. Insofern interessiert ihn dieses bewunderungswürdig gebaute Stück, wenngleich es auch gilt, dafür einen spielbaren Ton zu finden.

Was er dafür vor allem ins Felde führt, das ist der Schauspieler als Souverän. Ob Herr, ob Knecht, ob zu den Honoratioren oder den Chargen gehörig, jeder Spieler muß sich über die Bedingtheiten seiner Figur immer auch lustig machen können. Vor den Festlegungen soll so – mit dem berühmten Herrschaft-Knechtschaft-Abschnitt aus Hegels Phänomenologie im dramaturgischen Gepäck – ins Spielerische ausgebrochen werden. Weshalb auch Puntila mit Michael Wittenborn und Matti mit dem Volksbühnen-Gast Peter René Lüdicke besetzt ist, was man sich auch andersherum vorstellen könnte, und Siggi Schwientek, Markus Boysen und Jörg Schröder jeweils sowohl eine Männer- als auch eine Frauenrolle spielen. Daß etwas nur so und nicht immer auch anders gemeint sein könnte, das möchte Castorf der Stückrezeption austreiben. Brechts Puntila, so Castorf, beinhaltet doch auch viel Material zum Verstellungstheater. Castorf: „Es muß ja auch Spaß machen.“

Dirk Knipphals

Premiere: Mi, 10. 1., 19.30 Uhr, Schauspielhaus

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