american pie: Jason Kidd macht die New Jersey Nets froh
Des Ostens bestes Team
Die Welt steht Kopf im Mekka des Basketballs. Während die New York Knicks trotz der zweitteuersten Mannschaft der NBA zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt nicht die Play-offs erreicht haben, gingen die armen Verwandten von der anderen Seite des Hudson River als Nummer eins des Ostens in die Endrunde. Dort allerdings drohte ein schnelles Aus. In der ersten Partie gegen die Indiana Pacers, die als achtes und letztes Team in die Play-offs gerutscht waren, setzte es zum Auftakt eine Heimniederlage. Die Geschichte schien ihren gewohnten Gang zu gehen, schließlich hatte New Jersey seit 1984 keine Play-off-Serie mehr gewonnen.
Am Montag nun aber gelang den Nets der erste Play-off-Sieg seit 1994, ein ungefährdetes 95:79, das die Best-of-Five-Serie zum 1:1 ausglich und New Jersey vor den beiden Spielen in Indianapolis alle Chancen erhält. Hauptverantwortlich für den Erfolg war wieder einmal Aufbauspieler Jason Kidd mit 20 Punkten, zehn Rebounds und neun Assists. Es zeigte sich deutlich: Die Nets stehen und fallen mit Kidd, der im ersten Jahr an der Ostküste spielt. Seine Intensität und sein Wille färben so erfolgreich ab auf einen Haufen zuvor führungsloser Talente, dass New Jersey doppelt so viele Spiele gewann wie im Vorjahr und mit 52 Siegen zum besten Team im Osten wurde. „Sie kamen mit sehr viel mehr Entschlossenheit auf den Platz als im ersten Spiel“, musste denn auch Pacers Forward Ron Artest feststellen, „sie wollten den Sieg.“ Deshalb gilt Kidd als aussichtsreichster Kandidat auf den Titel als MVP, dem wertvollsten Spieler der Saison. Der Preis wird zwar für die Leistungen während der regulären Runde verliehen, aber das Erstrunden-Aus eines an Nummer eins gesetzten Teams gegen die Nummer acht würde sicherlich keinen guten Eindruck machen bei den abstimmenden Journalisten. Der Sieg ist also nur ein Aufschub: Am Freitag wird sich zeigen müssen, ob Kidd wirklich die Führungsqualitäten hat, die von ihm erwartet werden.
An denen gibt es seit Januar 2001 nämlich Zweifel. Damals spielte Kidd noch bei den Phoenix Suns, war unverkäuflicher Eckpfeiler der dortigen Franchise und zusammen mit seiner Frau Joumana, einer Fernseh-Journalistin, ein VIP-Traumpaar. Dann schlug Kidd seiner Frau bei einem Streit ins Gesicht und verbrachte eine Nacht im Gefängnis. Joumana zog zwar ihre Anzeige zurück und Jason begab sich in eine therapeutische Behandlung, aber der Vorfall führte dazu, dass die Suns ihren Star an die Nets abgaben im Tausch für Stephon Marbury. Während die hochtalentierten Suns sich mit dem eigensinnigen Marbury nicht einmal für die Play-offs qualifizieren konnten, gelang Kidd ein märchenhafter Neuanfang in New Jersey. Auf dem Spielfeld glänzte er mit gewohnt starker Verteidigung und brillanten Pässen, und dank einiger tränentriefender Homestorys reinstallierte er auch erfolgreich sein Image als Vorzeigeprofi und Bilderbuchfamilienvater.
Aber: Es ist weiter ein schmaler Grat, auf dem sich Kidd bewegt. Das wurde im letzten Spiel gegen die Pacers wieder deutlich, als er mit seinem Gegenspieler Jamaal Tinsley aneinander geriet. Einen Moment schien es, als wollten die beiden handgreiflich werden, bevor der gefoulte Kidd sich wieder im Griff hatte, eine paar Verwünschungen murmelte und schließlich zur Freiwurflinie schritt. Nicht nur für die Nets, auch für Kidds Ehe wird es darauf ankommen, dass er auch in Zukunft seine Wut in sportlichen Ehrgeiz kanalisiert.
THOMAS WINKLER
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