Japans Rückkehr zum Atomstrom: AKWs sind sicher
Ein großer Teil der Bevölkerung ist dagegen. Trotzdem setzt Japan dreieinhalb Jahre nach Fukushima wieder auf Kernenergie.
TOKIO dpa | Erstmals seit Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima vor dreieinhalb Jahren hat die japanische Atomaufsicht zwei Reaktoren für sicher erklärt. Damit ist die seit einem Jahr atomfreie Wirtschaftsmacht der Rückkehr zur Kernenergie einen entscheidenden Schritt näher gekommen.
Die Atomaufsichtsbehörde NRA bescheinigte dem Betreiber Kyushu Electric Power am Mittwoch, dass die beiden Meiler im AKW Sendai in der südwestlichen Provinz Kagoshima den neuen Sicherheitsvorschriften für ein Wiederanfahren genügen. Diese waren nach der Fukushima-Katastrophe vom 11. März 2011 verschärft worden. Die Sendai-Reaktoren werden aber wegen des langwierigen Prozesses wahrscheinlich nicht vor Dezember ans Netz gehen. Denn unter anderem müssen erst noch die lokalen Behörden ihre Zustimmung geben.
Derzeit stehen sämtliche 48 kommerziellen Reaktoren in Japan still. Sie gingen nach dem Super-Gau in Fukushima Schritt für Schritt vom Netz. Die Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe hatte in ihrer im April vorgelegten Energie-Strategie jedoch deutlich gemacht, dass sie zur Atomkraft zurückkehren will. Diese sei neben der Wasserkraft und Kohle eine wichtige Quelle zur Grunddeckung des Energiebedarfs. Damit setzt die Regierung sich über Widerstand in der Bevölkerung hinweg.
In Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Bürger immer wieder gegen eine Rückkehr zur Atomkraft aus. Im Mai hatten die Atomkraftgegner vor einem lokalen Gericht einen viel beachteten Sieg errungen. Das Bezirksgericht in der Provinz Fukui entschied, dass zwei Reaktoren des AKW Oi nicht wieder angefahren werden dürfen.
Teurer Energieimport
Es sei unmöglich, die Wahrscheinlichkeit und die Stärke von Erdbeben vorherzusagen. Dennoch drängt die Regierung auf das Wiederanfahren von Meilern. Die Betreiberkonzerne müssen den Strombedarf als Ersatz für die Atomreaktoren mit Wärmekraftwerken abdecken. Wegen des teuren Imports von Öl und Gas ist Japans Handelsbilanz seit fast zwei Jahren rot.
Dass die beiden Reaktoren von Sendai als erste im Land nun von der NRA grünes Licht erhielten, gilt denn auch als Präzedenzfall. Sie haben zusammen eine Kapazität von 1,8 Gigawatt, was etwa fünf Prozent der Stromleistung entspricht, den Japans Meiler vor der Atomkatastrophe in Fukushima erzeugten. Damals deckten Atommeiler etwa ein Drittel des Strombedarfs des Landes ab.
So hoch wird der Anteil der Atomenergie nach Ansicht von Experten jedoch kaum wieder steigen. Es wird geschätzt, dass mehr als die Hälfte der bestehenden Reaktoren den verschärften Sicherheitsvorschriften nicht genügen. Über 40 Jahre alte Meiler werden ohnehin voraussichtlich stillgelegt. Zugleich schloss die neue Ministerin für Handel und Industrie, Yuko Obuchi, kürzlich den Bau neuer AKW zumindest auf absehbare Zeit aus.
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