piwik no script img

Jan Böhmermann im ZDF-HauptprogrammBissiges Infotainment

Deutschlands wichtigster Showmaster Jan Böhmermann ist wieder auf Sendung. Die erste Episode des „ZDF Magazin Royale“ zeigt Botschaft und Haltung.

Allein im Studio ist nur halb so lustig: Jan Böhmermann Foto: Jens Koch/dpa

Ein orangebraun gebrannter Dude mit Pomade. Ein Motorboot, ein viel zu tiefer V-Ausschnitt, ein Ufftata-Beat – dann dreht sich der sonnenbebrillte Schlagersänger Michael Wendler in die Kamera und setzt zu singen an: „Egal“. Dieser kurze Clip war zahlreiche Male in Jan Böhmermanns Sendung zu sehen, als diese noch im Spartenkanal ZDFneo lief. Ein „Meme“, also ein wiederkehrender Schnipsel, den man immer gut einspielen konnte, wenn der Moderator sagen wollte: Schwamm drüber, weiter im Text.

Auch in der ersten Folge des neuen Formats, nun unter dem Titel „ZDF Magazin Royale“ und jetzt freitagabendlich im richtigen ZDF, ploppt plötzlich das bekannte Motorboot mit dem bekannten Beat auf. Doch bevor Michael Wendler sein Wort singen kann, bricht Böhmermann ab und sagt: „Es ist eben nicht egal! Das muss man mal so klar sagen!“ Ein kurzer Moment, der alles sagt über die neue, alte Show, über Jan Böhmermann 2.0.

Jahrelang war er tiefer in die Rolle des nimmerernsten, dauerambivalenten, ultraundurchsichtigen Mediatheks-Eulenspiegels gerutscht. Hatte schon Muskelkater in den Lidern vom vielen Augenzwinkern. Dabei war das „Neo Magazin Royale“, diese kleine, geniale Krawallshow fern der Hauptsendezeiten, stets gutes, manchmal überragendes Fernsehen (die üblichen Stichpunkte der Sendungshistorie #Varoufake, #Verafake, Schmähgedicht und „Lass dich überwachen“ können Sie selber googeln). Aber irgendwann schien Böhmermann gemerkt zu haben, dass sich das abnutzt: Der überironische Typ zu sein, der bei Gelegenheit immer den „Egal“-Knopf drücken kann.

Er wolle nicht so werden wie sein Lehrmeister Harald Schmidt, war kürzlich in der Zeit zu lesen: „Einer, dem alles am Arsch vorbeigeht.“ Im vergangenen Sendejahr des „Neo Magazin Royals“ gab es schon Ansätze der neuen Ausrichtung: durchaus ernst gemeinte Beiträge zu Umsatzsteuerbetrug oder dem Verfassungsschutz. Entsprechend aufgeladen waren die Ansprüche an die neue Sendung, die strategisch erwartungsvoll hinter das ZDF-Comedy-Flaggschiff „heuteshow“ programmiert wurde.

Die Sendung

ZDF Magazin Royale, nächste Folge: 13.11., 23 Uhr, ZDF.

Endet die am Freitagabend, kurz vor Böhmermanns Premiere, noch mit Dad-Jokes („Der Gesundheitsminister ist tiefenentspahnt“), überdrehten Sketchen und dem unvermeidlichen Pufpaff, wird der Kontrast zu Böhmermann schnell deutlich. Das erste „ZDF Magazin Royale“ beginnt mit einem „Glitch“, also einem digitalen Bildfehler und Störsignalen im Intro. Böhmermann aus dem Off: „Ganz kurz, ich hab kein Bild und keinen Ton, das WLAN spinnt.“ Natürlich ein Verweis auf die endlosen Videokonferenzen und Videokonferenzkomplikationen des Coronajahres, aber auch innerhalb von sechs Sekunden mehr Irritation, Zeitgeist und spielerischem Gag als in einer ganzen Staffel Welke.

Ist nicht alles geil

Zugleich gesteht sich die Sendung damit auch direkt zu Beginn ein: Ein Unterhaltungsformat zu starten, ausgerechnet in diesem Jahr, ausgerechnet in dieser Woche (zum Zeitpunkt der Ausstrahlung ist Trump immer noch nicht abgewählt), das ist alles andere als geil. Das Studio in Ehrenfeld leer, die wie immer fantastische Showband zum Rundfunk-Distanz‑Orchester degradiert und aus dem Home-Office zugeschaltet. Selbst Böhmermann, diese wandelnde Arroganz im Heiko-Maas-Anzug, wirkt anfangs etwas verunsichert.

Es gibt kein Stand-Up wie zu Neo-Zeiten üblich, der Moderator begrüßt vom klassischen Late-Night-Pult. Und rafft sich doch schnell zu rhetorischer Hochform auf: Die Kulisse habe er selbst gebaut, „aus alten Yogamatten von Petra Gerster“. Der Moderationstext fließt rasant, ist gespickt mit Wortspielen, Anspielungen, Internetinsidern. Die Gagautor*innen um den ehemaligen Titanic-Chef Tim Wolff und Böhmermann als ihr Frontmann harmonieren.

Es folgt ein Einspieler über die vermeintlich zum Verschwörungs-Jebsen abgedrifteten NDR-Kinderpuppe Spencer aus den 80ern, dann kommt das Herzstück der Sendung: Ein 20-minütiger Pult-Beitrag von Böhmermann mit Bildunterstützung, eine Art moderner Diavortrag. Man kennt das inzwischen auch hierzulande, vor allem aber von den großen US-Entertainern wie John Oliver: Bissiges Infotainment, eine Mischung aus handfester Recherche, linkem Sendungsbewusstsein und Comic Relief. Nun ist Böhmermann auch immer noch ein bisschen deutsches Fernsehen, ein John Oliver Pocher, wenn man so will. Aber er ist auf dem besten Weg dahin, eine ähnliche Qualität zu erreichen wie seine amerikanischen Idole.

Handwerklich sauber und unterhaltsam

Das große Thema der ersten Ausgabe: Verschwörung. Es geht (das ist der Trick) aber nicht wirklich um Illuminaten und den ganzen Quatsch, sondern um die diversen Verstrickungen der Superreichen, die während der Pandemie noch reicher geworden seien. Vieles davon ist weder super tiefgehend noch super aktuell (die Verbindungen etwa der BWM-Dynastie Klatten/Quandt ins Dritte Reich sind seit Jahren bekannt). Idee und Ausführung aber trotzdem handwerklich sauber und sehr unterhaltsam.

In Böhmermanns Redaktion unter der Leitung von Hanna Herbst sitzen Journalist*innen, die zuvor für Vice, Zeit Online, den RBB oder das Y-Kollektiv recherchiert haben. Auch, wenn die erste Sendung also unter denkbar ungünstigen Bedingungen lief: Von diesem Team darf man sich noch eine Menge erwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mein Fazit - Info ja, ...tainment nicht (bis auf den Abschiedssong).

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    die satirepartei „die partei“ musste schon eingestehen, ernsthafte politik zu betreiben, solange die ernsthaften parteien satire betreiben.



    der derzeit wohl fähigste satiriker scheint dies ähnlich anzugehen.



    ansätze dieser art gab es schon länger, den letzten coup hatte er mit dem leak der juristischen restititionsbestrebungen der völlig reuelosen hohenzollern, die weder den 1. weltkrieg noch die scheinbar unvermeidliche, vollendet fehlgeschlagene revanche mitgetragen haben wollen.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Der Bogen von den Kinderblut trinkenden Reichen der Querdenker, zum Vermögen der deutschen Milliardäre, dass auf dem Blut des zweiten Weltkrieg basiert, war ein bisschen unglücklich.

    • 7G
      75787 (Profil gelöscht)
      @4813 (Profil gelöscht):

      Warum - weil Letzters einer bitteren Realität entspricht?

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @4813 (Profil gelöscht):

      dies ist exakt der unterschied zwischen echtem blut und aktuellen verschwörungstheorien.



      besser lässt es sich wohl nicht darstellen.

  • ja, weiter so!

  • Das ist wirklich eine passende Beschreibung/Kritik der Sendung (wenn ich auch auf das jugendlich-anbiedernde „geil“ verzichten kann). Was mich aber stört ist, wenn nebenbei eine andere (anders geartete) Sendung, die ihre Qualitäten hat, abgewertet wird.

  • 7G
    75787 (Profil gelöscht)

    „Unerbittlich wird das 'ZDF Magazin' ab sofort immer freitags nach den schadhaften Stellen in unserer Demokratie fahnden. Wir werden unabhängig, entschieden und furchtlos Stellung beziehen.“ Gerhard Löwenthal im Jahr 1969

    ...in diesem Sinne - weiter so!

  • Herr B. verwechselt gerne mal Satire mit platter Beleidigung...



    Das ist dann nix.

  • Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, das ist gut so!



    Über Qualität lässt sich bekanntlich nicht streiten, das ist Tatsache! Daher muss Herr Holitzka, lege seinen Artikel zugrunde, eine andere Sendung gesehen haben. Wie gesagt nicht mein Geschmack .