Jahrestag Völkermord in Ruanda: Kabuga-Prozess rückt in weite Ferne
Der langersehnte Prozess gegen Ruandas „Finanzier des Völkermordes“ droht zu scheitern. Grund sind Kabugas Gesundheitszustand – und Corona.
![Gerichtszeichnung zeigt Felicien Kabuga, mutmaßlicher Drahtzieher des Völkermords in Ruanda, der zum Schutz gegen die COVID-19-Pandemie eine Gesichtsmaske trägt Gerichtszeichnung zeigt Felicien Kabuga, mutmaßlicher Drahtzieher des Völkermords in Ruanda, der zum Schutz gegen die COVID-19-Pandemie eine Gesichtsmaske trägt](https://taz.de/picture/4784514/14/Felicien-Kabuga-1.jpeg)
Erst im Mai 2020 wurde er nach 22 Jahren auf der Flucht gefasst – in Frankreich, wo er unbehelligt gelebt hatte. Am 26. Oktober 2020 wurde er in das UN-Untersuchungsgefängnis in Den Haag überstellt, um nach Arusha in Tansania gebracht werden zu können, wo der „Residualmechanismus“ des 2015 beendeten UN-Ruanda-Völkermordtribunals residiert, um ausstehende Fälle abzuarbeiten.
Doch es wird immer unklarer, wann der mutmaßlich 86-Jährige je vor Gericht kommt. Der belgische Chefankläger des UN-Residualmechanismus, Serge Brammertz, erklärte am 15. März, es könne noch viele Monate dauern.
Die Covid-19-Pandemie erschwert nicht nur Kabugas Überstellung nach Tansania, sondern auch die Vorbereitung des Prozesses: Jede Befragung möglicher Zeugen, sei es in Frankreich, Belgien oder Ruanda, unterliegt Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen. Um in Ruanda die pandemiebedingt abgeriegelte Hauptstadt Kigali zu verlassen oder Gefängnisse zu besuchen, brauchen Brammertz’ Ermittler Sondergenehmigungen.
Schlechter Gesundheitszustand
Bis zum 15. September soll Brammertz einen Zwischenstand abliefern. Aber er schließt nicht aus, dass die Richter den Beginn der Hauptverhandlung bis 2022 hinausschieben. Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche relevante Dokumente mehr als zwei Jahrzehnte alt sind: Der erste UN-Haftbefehl gegen Kabuga datiert aus dem Jahr 1998. Viele Zeugen aus der Zeit müssten erst noch wiedergefunden werden. Auch der Zeugenschutz bleibt virulent, obwohl der Völkermord schon 27 Jahre her ist.
Kabugas französisches Pflichtverteidigerteam wird von Emmanuel Altit geleitet, der gerade erst den Freispruch des ehemaligen Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, vor dem Internationalen Strafgerichtshof erstritten hat. Altit hat nun den Residualmechanismus aufgefordert, ihm sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die auch den Anklägern vorliegen, auch vertrauliche Beweismittel. Dies sei für die „Waffengleichheit“ notwendig, schrieb er.
Verwirrend ist, dass Kabuga und Altit sich zerstritten haben. Altit hat seine Entpflichtung beantragt mit der Begründung, er wolle keine Anweisungen von Kabugas Familienangehörigen annehmen oder diesen Akteneinsicht gewähren, wie Kabuga es gefordert habe – das verstoße gegen die anwaltliche Schweigepflicht. Die Richter des Residualmechanismus lehnten am 1. April die Entpflichtung ab.
Letztendlich stellt sich aber die Frage, ob Kabuga sich je vor Gericht verantworten wird. Schon vor seiner Überstellung nach Den Haag hatten die Anwälte des damals 85-Jährigen seinen schlechten Gesundheitszustand geltend gemacht. Sollte die Kammer in Arusha einen Termin zur Eröffnung der Hauptverhandlung festsetzen, könnte die Verteidigung mangelnde Verhandlungsfähigkeit geltend machen und medizinische Gutachten anfordern – und damit alles immer weiter verzögern.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links